Neue Reisehinweise

Deutscher Todesstoß für EU-Ambitionen der Türkei?

Ausland
20.07.2017 19:46

In der diplomatischen Krise zwischen Deutschland und der Türkei hat die deutsche Regierung eine neue Eskalationsstufe angekündigt. Als Reaktion auf die Festnahme von sechs Menschenrechtlern, unter ihnen der Deutsche Peter Steudtner, werden die Reisehinweise des Auswärtigen Amts für das Land verschärft, sagte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel am Donnerstag. Weiters kündigte Gabriel eine "Neuausrichtung" der Politik der deutschen Regierung gegenüber der Türkei an.

Das sei mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel abgesprochen, sagte der Außenminister in Berlin. Nach dem gescheiterten Putschversuch samt rigorosem Vorgehen gegen Regierungsgegner im Vorjahr sowie dem umstrittenen Verfassungsreferendum vom vergangenen April ist das ein weiterer Schritt in der Entfremdung der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan und der EU, der das Land offiziell weiterhin beitreten möchte.

(Bild: AP, AFP/OZAN KOSE, thinkstockphotos.de, krone.at-Grafik)

Zu den nun getroffenen deutschen Maßnahmen gehört laut Gabriel unter anderem eine Verschärfung der Reisehinweise für die Türkei. Jedermann könne wie der verhaftete Menschenrechtler Peter Steudtner unter den Verdacht der Unterstützung von Terrororganisationen geraten, so Gabriel. "Völlig unbescholtene deutsche Staatsbürger können davon erfasst werden."

Sigmar Gabriel (Bild: AFP)
Sigmar Gabriel

"Wir können gar nicht anders"
Deswegen seien die Reisehinweise für die Türkei von einzelnen Personengruppen auf alle Deutschen ausgeweitet worden. Türkeireisenden werde zudem empfohlen, sich bei der Botschaft oder Konsulaten registrieren zu lassen. "Wir können gar nicht anders", sagte der deutsche Außenminister mit Verweis auf die Festnahme Deutscher in der Türkei.

Zudem müssten Investitionskredite und Wirtschaftshilfen wie sogenannte Hermes-Bürgschaften ebenso überdacht werden wie Vorbereitungshilfen der EU für einen Beitritt. Man könne nicht so weitermachen wie bisher. Hermes-Bürgschaften sind Exportkreditversicherungen der deutschen Regierung.

Merkel: "Notwendig und unabdingbar"
Kanzlerin Merkel erklärte dazu am Donnerstag, die Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik sei "notwendig und unabdingbar". Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag über Twitter mit.

Deutscher Menschenrechtsaktivist verhaftet
Die ohnehin angespannten deutsch-türkischen Beziehungen wurden zuletzt durch die Inhaftierung des deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner weiter belastet. Gabriel unterbrach deswegen seinen Urlaub. Steudtner und fünf weitere Menschenrechtler waren vergangene Woche bei einem Workshop in Istanbul festgenommen und zunächst in Polizeigewahrsam gebracht worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, eine "bewaffnete Terrororganisation" zu unterstützen.

Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner wurde in der Türkei verhaftet. (Bild: YouTube.com)
Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner wurde in der Türkei verhaftet.

Die Türkei wies am Donnerstagnachmittag die Reaktion der deutschen Regierung auf die Inhaftierung Steudtners als unangemessen und unannehmbar zurück. Gabriels Äußerungen seien unglücklich und innenpolitisch motiviert, sagte Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin. Deutschland müsse sich rational verhalten. Erklärungen über Wirtschaftsmaßnahmen, die auf politischen Motiven basierten, seien unannehmbar, Sicherheitsbedenken für Reisen in die Türkei unbegründet. "Wir hoffen, dass sie Abstand davon nehmen", sagte Kalin.

Türkei: "Beziehungen auf Grundlage von Erpressung nicht möglich"
Aus dem türkischen Außenministerium hieß es, man betrachte die Bundesrepublik zwar weiter als "verbündetes Land" und als "Freund", die Beziehungen zwischen den beiden Staaten könnten allerdings "nicht auf der Grundlage von Erpressungen und Drohungen fortgesetzt werden".

Wegen mehrerer Terroranschläge in der Türkei sowie der drastischen Politik von Staatschef Erdogan gegenüber politischen Gegnern war der Tourismus am Bosporus bereits im Vorjahr spürbar eingebrochen. Mitte Juli 2017 vermeldeten die Reiseveranstalter einen weiteren Einbruch um gut 40 Prozent. "Wir sind jetzt bei 20 Prozent des Umsatzvolumens von vor zwei Jahren", sagte Rewe-Austria-Touristik-Chef Martin Fast.

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