Die Bundespräsidenten-Stichwahl muss in ganz Österreich wiederholt werden. Das hat der Verfassungsgerichtshof am Freitag entschieden. Das Urteil wurde zu Mittag verkündet. Mit diesem Entscheid steht fest, dass der Sieger der Stichwahl vom 22. Mai, der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, am 8. Juli nicht als Präsident angelobt werden kann und die Wahl wiederholt werden muss.
"Wahlen sind das Fundament unserer Demokratie. Die Entscheidung soll allein dem Ziel dienen, das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und damit in unsere Demokratie zu stärken", sagte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger unmittelbar vor der Verkündung des Urteils.
Unregelmäßigkeiten bei Briefwahlstimmen-Auszählung entscheidend
Entscheidend für die Aufhebung waren Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen in 14 Bezirken. Wie Holzinger in seiner Urteilsbegründung ausführte, wurden in diesen Bezirken die Wahlkarten außerhalb einer Sitzung der Bezirkswahlbehörde geöffnet. Damit seien Rechtsvorschriften verletzt worden. Von den festgestellten Unregelmäßigkeiten waren 77.926 Stimmen betroffen. Eine Wiederholung nur in den betroffenen Bezirken wäre Holzinger zufolge aber technisch nicht möglich.
Holzinger betonte, dass das Verfahren keinen Hinweis auf konkrete Manipulation gebracht habe. Er verwies aber auf die bisher strenge Judikatur des Gerichts zu diesem Thema: "Ein Nachweis, dass es tatsächlich zu Manipulationen gekommen ist, ist nicht erforderlich."
Auch die vorzeitige bundesweite Weitergabe von Teilergebnissen der Stichwahl an Medien und Forschungsinstitute war nach VfGH-Ansicht nicht zulässig. "Diese Veröffentlichung verstößt gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl", sagte Holzinger. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Weitergabe an ausgewählte Empfänger von Einfluss auf das Ergebnis sein konnte. Die Freiheit der Wahl und der politischen Willensbildung dürfe in rechtlicher und faktischer Hinsicht nicht beeinflusst werden, so Holzinger. Das Verfahren habe ergeben, dass am Wahltag etwa ab 13 Uhr das Wahlergebnis systematisch auf elektronischem Weg weitergegeben wurde.
Österreich ab 8. Juli ohne Bundespräsident
Mit der Aufhebung der Stichwahl hat Österreich ab 8. Juli keinen Bundespräsidenten mehr. Dessen Aufgaben gehen zur Gänze an die drei Nationalratspräsidenten über. Bundespräsident Heinz Fischer wird am 8. Juli verabschiedet, direkt im Anschluss übernehmen Doris Bures, Karlheinz Kopf und Norbert Hofer gleichberechtigt und so lange, bis der neue Bundespräsident gewählt und angelobt ist.
Heinz Fischer kommentierte das VfGH-Urteil folgendermaßen: "Österreichs Demokratie hat eine Bewährungsprobe bestanden. Die Höchstrichter hatten eine schwierige Aufgabe und ich bin stolz darauf, wie diese gelöst wurde. Das Urteil wurde gut begründet, ein Fehler wurde aufgehoben!"
Zeugen verweigerten Aussage, Sobotka blieb sitzen
Nicht einmal fünf Minuten hatte vor der Urteilsverkündung die öffentliche Verhandlung gedauert, in der Holzinger bekannt gab, dass das VfGH-Erkenntnis um 12 Uhr mündlich verkündet werde. Man habe in internen Beratungen die Rechtssache so weit geklärt, dass von weiteren Beweisaufnahmen Abstand genommen werde, sagte Holzinger. Geklärt wurde demnach auch, wie mit der Aussageverweigerung von zwei Zeugen umgegangen wird. Diese werde als gerechtfertigt anerkannt, von einer weiteren Befragung werde abgesehen.
Zu Beginn der Sitzung hatte Holzinger die Vertreter der Verfahrensparteien begrüßt. Während sich die übrigen Anwesenden erhoben, musste der Vorsitzende der Bundeswahlbehörde, Innenminister Wolfgang Sobotka, erst daran erinnert werden.
Insgesamt wurden 67 Personen befragt
Die FPÖ hatte die Wahl wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in 94 der 117 Wahlbezirke angefochten. Sie beantragte die Aufhebung und Wiederholung der Stichwahl, in der ihr Kandidat Norbert Hofer knapp gegen Alexander Van der Bellen unterlegen war - und zwar mit einem Rückstand von nur 30.863 Stimmen. Zu "20 besonders schwerwiegenden Fällen" hatte der Verfassungsgerichtshof öffentliche Zeugenbefragungen angesetzt, insgesamt wurden 67 Zeugen befragt. Der Hauptvorwurf der Freiheitlichen war, dass Wahlkarten zu früh (also vor der gesetzlichen Frist Montag, 9 Uhr) geöffnet oder auch ausgezählt worden seien.
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