Leicht zu warten, sicher, günstig, sparsam im Ressourcenverbrauch: Microsoft wird nicht müde, die Vorzüge seines für Schüler und Studenten gedachten Windows 10 S zu betonen. Ihnen stehen aber Nachteile gegenüber. Auf klassischem Weg Software installieren? Fehlanzeige! Freie Browserwahl? Nix da! Wir haben mit Windows 10 S gearbeitet - und uns ganz schön eingesperrt gefühlt. Ob Windows 10 S wirklich der befürchtete Kerkermeister ist, klärt unser Test.
Windows 10 S ist Microsofts Antwort auf die hierzulande wenig, in den USA aber durchaus erfolgreichen Chromebooks von Google. Die Geräte, deren Betriebssystem im Prinzip eine Linux-Variante mit Chrome-Browser als User-Interface ist, sind beispielsweise in Bildungseinrichtungen recht beliebt. Die nimmt nun auch Windows 10 S ins Visier - mit vielen Vorteilen für Schüler, Studenten und Lehrende, so Microsofts Versprechen.
Dass ein Betriebssystem mit möglichst wenig Software und möglichst wenigen Hintergrundprozessen durch Dritthersteller-Apps flotter läuft und etwas sicherer als ein frei benutzbares Windows ist, mag sogar stimmen. Wie nützlich Windows 10 S in der Praxis ist, hängt aber davon ab, wie sehr sich Schüler, Studenten und Lehrer in Abhängigkeit des weltgrößten Softwarehauses begeben wollen. Viel Freiraum bei der Wahl ihrer Unterrichtsmittel lässt ihnen Microsoft nämlich nicht. Was man nicht über den Windows Store bekommt, darf man nicht installieren.
Installationsverbot für viele beliebte Programme
Populäre Browser wie Chrome, Firefox oder Opera fallen somit aus. Lehrer, die womöglich mit Open-Source-Software oder älteren Programmen arbeiten, die man nicht über Microsofts App-Marktplatz bekommt, schauen in die Röhre. Spezial-Software wie die in vielen Studienrichtungen genutzte Statistik-Software SPSS fehlt ebenso wie ein kostenloser SSH-Client, wie ihn Informatikstudenten brauchen werden. Auch Bildbearbeitungssoftware wie Photoshop oder GIMP bekommt nach nicht im Windows Store. Ja nicht einmal Microsofts hauseigene Programmier-Suite Visual Studio gibt es dort. Wer nach getaner Arbeit hie und da ein Spielchen wagt, wird sich darüber ärgern, dass er Steam nicht installieren darf. Und wer eine andere Cloud- etwa Google Drive - statt Microsofts OneDrive nutzt, findet nur mit Glück eine entsprechende App im Windows Store.
Neben der Abwesenheit beliebter Programme hat der Windows Store noch ein anderes Problem: die oft geringe Qualität der Apps, die dort feilgeboten werden. Auf unserer Suche nach einer Möglichkeit, auf Google Drive zuzugreifen, sind wir beispielsweise über diverseste Apps gestolpert, die versprechen, alle möglichen Cloud-Dienste unter einen Hut zu bringen. Manche davon waren kostenpflichtig, keine war gut. Angesichts dieser gravierenden Probleme sollte man sich definitiv überlegen, ob man einen PC mit Windows 10 S erwirbt. Die 50 Euro, die für das Upgrade auf Windows 10 Pro fällig sind, hätten wir nach ein paar Stunden mit dem Schüler-Windows bereitwillig gezahlt.
Der Zwang zum Edge-Browser ist nur konsequent
Für den Nutzer nicht besonders erstrebenswert, ist es aus Microsofts Perspektive nur konsequent, dass man auf Windows 10 S auch keine alternativen Suchanbieter wählen kann. Gesucht wird mit dem einzig verfügbaren Browser Edge in der einzig verfügbaren Standardsuchmaschine Bing - wohl in der Hoffnung, die User schon von klein auf an die eigenen Dienste und Programme zu binden. Das halten wir für lästige Bevormundung, die nicht sein müsste. Wer Chrome wegen seines integrierten Flash-Players, Firefox wegen seiner Offenheit oder Opera wegen seiner Mausgesten schätzt, sollte die Möglichkeit haben, diese Browser zu nutzen - und zwar mit der Suchmaschine seines Vertrauens.
Am Anfang war Cortana
Es gibt noch andere Besonderheiten an Windows 10 S, die uns im Test aufgefallen sind. Da wäre etwa die prominente Integration des Sprachassistenten Cortana, der einen bei Windows 10 S im Gegensatz zu Windows 10 Pro gleich bei der Installation anredet und seine Dienste anbietet. Hätten wir nicht gebraucht. Weiters sollte man sich dessen bewusst sein, dass auf Windows 10 S womöglich nicht alle Peripheriegeräte funktionieren, die man gerne nutzen würde. Alles - und sei es nur eine programmierbare Maus oder ein Drucker - was die Installation einer Software erfordert, ist problematisch.
Für Cyberkriminelle vermutlich eher uninteressant
Und die Vorteile? Nun, mehr Sicherheit darf man sich tatsächlich erwarten. Ein Rechner, auf dem der Benutzer so gut wie nichts darf, wird von Natur aus auch nicht so leicht Opfer einer Vireninfektion wie einer, auf dem der Nutzer munter Programme aus E-Mail-Anhängen installiert. Prinzipiell haben Hacker zwar bereits Methoden gefunden, um auch Windows 10 S zu knacken. Bedenkt man die angesichts der Nachteile wohl auf absehbare Zeit nicht besonders hohe Verbreitung, dürften sich aber wenige Cyberkriminelle groß für das Schüler- und Studenten-Windows interessieren.
Den versprochenen Geschwindigkeitsvorteil konnten wir im Test am Microsoft Surface Laptop nicht nachvollziehen. Klar startet Windows 10 S auf dem Gerät mit seinem aktuellen Intel-Prozessor, der SSD und dem üppigen RAM schnell und selbstverständlich sind auch Apps rasch geöffnet. Das trifft aber bei vergleichbarer Hardware auch auf ein normales Windows 10 Pro zu. Von Vorteil könnte Windows 10 S allerdings bei längerer Nutzung sein, schlicht und ergreifend, weil man so gut wie nichts installieren kann, das sich sonst womöglich in den Autostart einnisten und den Systemstart verlangsamen könnte.
Fazit: Machen Sie einen Bogen um Windows 10 S!
Ein Windows, auf dem man so gut wie nichts darf, ist allerhöchstens für Nutzer interessant, die ihren PC nur sporadisch und nicht besonders versiert nutzen, sprich: surfen und mailen. Bei Schülern und Studenten ist das nicht der Fall. In Österreichs Schulen - besonders jenen mit IT-Schwerpunkt - wird programmiert, mit Open-Source-Software gearbeitet und womöglich auch mal ein Webserver installiert. Auf der Uni braucht es Statistik-Software und andere spezialisierte Programme. Nichts davon geht mit Windows 10 S.
Wir raten deshalb dringend, beim Laptop-Kauf darauf zu achten, ein Gerät mit vollwertigem Windows 10 zu erwerben und einen Bogen um die S-Version zu machen. Sie erinnert uns stark an das gefloppte Windows RT - nur, dass auf Windows RT kaum Software lief, weil sie nicht mit ARM-CPUs kompatibel war. Auf Windows 10 S würde prinzipiell alles laufen, doch Microsoft hat dem softwareseitig einen Riegel vorgeschoben, um die User ans eigene App-Ökosystem zu fesseln.
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