Rund 300.000 Menschen in Österreich leben an der Armutsgrenze - und das obwohl sie einer geregelten Arbeit nachgehen. Der Lohn reicht nicht aus, um ein Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle zu erzielen. Personen, die unter diesem finanziellen Debakel leiden, werden auch als "Working Poor" bezeichnet. Ein derartiges Los gezogen haben vor allem alleinerziehende Frauen, Menschen mit geringer Bildung und Ausländer, wie aus einem aktuellen Bericht des Sozialministeriums hervorgeht.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Einkommen und Vermögen sind weiterhin "extrem ungleich" verteilt, die Einkommensschere klafft immer weiter auseinander. Viele Menschen schuften tagein tagaus, doch von ihren Mühen bleibt aus finanzieller Sicht kaum etwas übrig. "Österreich ist ein reiches Land. Das darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass die Einkommen und Einkommenschancen sehr ungleich und die Vermögen extrem ungleich verteilt sind", heißt es im Sozialbericht.
400.000 Menschen verdienen in Vollzeit weniger als 1500 Euro brutto
Denn für einen Teil der Bevölkerung bedeutet Arbeit nicht unbedingt auch die Möglichkeit, finanziell ausreichend abgesichert zu sein. 297.000 Österreicher gelten trotz Arbeit als arm. Laut Sozialbericht erzielen mindestens 400.000 Menschen, die Vollzeit in der Privatwirtschaft arbeiten, einen Bruttolohn von weniger als 1500 Euro - und zwei Drittel davon sind Frauen. Viel zum Leben bleibt da naturgemäß nicht.
Zahl der Langzeitarbeitslosen seit 2008 verdreifacht
Doch das ist nicht die einzige erschreckende Entwicklung: Denn immer mehr Menschen finden erst gar keinen Job mehr. Seit 2008 hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen verdreifacht, heißt es in dem Bericht.
Bildung als Schlüssel im Kampf gegen Armut
Geringes Einkommen trifft nicht nur denjenigen ins Mark, der täglich aufsteht und seinem minderbezahlten Job nachgeht. Es hat auch großen Einfluss auf die Kindesentwicklung und die so überaus wichtige Bildung. Denn diese gilt neben weiteren Faktoren als einer der Schlüssel im Kampf gegen die Armut. Daher müsste an genau dieser Stelle angesetzt werden, Angebote und Bildungseinrichtungen - wie etwa Kindergärten oder aber auch Ganztagsschulen - entsprechend ausgebaut werden.
Steigende Wohnungsmieten als großes Problem
Doch nicht nur minderbezahlte Jobs stellen ein Problem für Mindestverdiener dar, auch die monatlichen Ausgaben, wie etwa Wohnungsmieten, fressen die restlichen Geldreserven immer mehr auf. Seit 2008 sind die Wohnkosten pro Quadratmeter für Niedrigeinkommensbezieher um 31 Prozent bzw. fast dreimal so stark wie für Haushalte mit hohen Einkommen gestiegen. Gerade wegen der Wohnungssituation und der Frage, kann man sich eine Eigentumswohnung leisten oder wohnt man auf Miete, würden laut Sozialbericht in Zukunft nicht nur Arme, sondern zunehmend auch Menschen aus der Mittelschicht den Sozialstaat brauchen.
Frauen am Arbeitsmarkt "systematisch benachteiligt"
Besonders Frauen sind am Arbeitsmarkt "systematisch benachteiligt". So hat Österreich einen der höchsten Unterschiede der Stundenlöhne zwischen Männern und Frauen in Europa, Frauen verdienen bei gleicher Arbeit im Schnitt um 22,9 Prozent weniger als Männer. 75 Prozent der Männereinkommen liegen über dem Median der Fraueneinkommen. Fast 50 Prozent der Frauen, aber nur zehn Prozent der Männer arbeiten Teilzeit. Hier zeige sich der "lange Atem traditioneller Geschlechterrollen", heißt es im Sozialbericht. Diese Situation habe Auswirkungen bis ans Lebensende: Alterspensionen von Männern sind um fast zwei Drittel höher als jene der Frauen.
Eklatante Unterschiede beim Nettovermögen
Schätzungen zufolge besitzt das reichste Prozent etwa 34 Prozent des gesamten Nettovermögens in Österreich. Dieser Wert ist laut einer Studie der europäischen Zentralbank höher als in allen anderen untersuchten EU-Ländern. Das vermögendste Prozent der Haushalte verfügt demnach über nahezu gleich viel Nettovermögen wie die unteren 80 Prozent der Bevölkerung.
Hohe Besteuerung von Arbeit, geringe Vermögensbesteuerung
Kritisch merkt der Bericht des von Minister Alois Stöger (SPÖ) geführten Sozialministeriums auch an, dass es in Österreich eine hohe Besteuerung von Arbeit, aber eine vergleichsweise geringe Vermögensbesteuerung gibt. 1,4 Prozent des Abgabenaufkommens stammten 2014 aus vermögensbezogenen Steuern, im Durchschnitt der untersuchten EU-15 lag dieser Wert bei 6, im OECD-Schnitt bei 5,5 Prozent.
Sozialausgaben werden weiter steigen
Bis 2030 dürfte die aktuelle Sozialquote - also die Sozialausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts - von 30,2 Prozent vor allem wegen der Alterung der Gesellschaft weiter zunehmen. Die Sozialausgaben steigen - zusätzlich zum demografiebedingten Mehraufwand - durchschnittlich um real 0,5 Prozent pro Jahr. Bei einem langfristigen jährlichen Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent ergäbe dies laut Szenario-Berechnungen im Sozialbericht 2030 eine Staatsquote von 33,4 Prozent, bei einem BIP-Wachstum von 1,8 Prozent würde die Staatsquote demnach bei 30,5 Prozent liegen.
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