Die ÖVP will die Obergrenze bei der Zahl für Asylanträge halbieren. Heuer beläuft sich diese auf 35.000, sie soll jedoch auf 17.000 reduziert werden, sagte Vizekanzler und Parteiobmann Reinhold Mitterlehner bei einer Pressekonferenz nach der Regierungsteamklausur im steirischen Pöllauberg. Dies sei in etwa "das, was wir im Rahmen der Integration vertragen können". Er sprach von einer "harschen Ansage", die aber als "Signal an die Bevölkerung" zu sehen sei.
Die Halbierung der Obergrenze sei nötig, ob sich die Zahl dann auf 17.000 oder 17.500 beläuft, sei nicht entscheidend. Wichtig hingegen sei, dass die Hälfte der derzeitigen Zahl von 35.000 für das Jahr 2017 Ausgangspunkt für die Diskussion sei. Auch sei sie als "Metapher" dafür zu sehen, dass es eine Integrationsnotwendigkeit gebe und das gesellschaftliche Miteinander durch zu hohe Flüchtlingszahlen aus Sicht der ÖVP zu stark belastet wird. Die Bevölkerung sei verunsichert, daher müsse man reagieren, so Mitterlehner. Die Größenordnung von 17.000 sei auch im Vergleich mit der Solidarität in Europa entstanden.
Forderung noch nicht mit Kanzler Kern abgesprochen
Mit SPÖ-Chef Christian Kern habe er die neue Forderung noch nicht besprochen, so Mitterlehner auf Nachfrage. Er meinte jedoch, dass die Obergrenze bereits bei der Übergabe des Landeshauptleute-Vorsitzes Thema gewesen sei und somit nicht so neu. In der Sitzung der ÖVP-Regierungsmitglieder habe man Schwerpunkte formuliert und alle seien der Ansicht gewesen, dass es diese Positionierung brauche.
"Ich weiß, das ist eine durchaus harsche Ansage, aber eine notwendige", räumte der ÖVP-Chef ein und begründete die Reduzierung damit, dass die Verträglichkeit des Gesamtsystems mit den hohen Zahlen "auf Dauer überschritten" werde. Die Quote von 17.000 werde auch für die nächsten Jahre gelten müssen. Grundsätzlich brauche es hier eine Evaluierung, da sich das Thema dynamisch entwickle. Dr sei sich auch bewusst, dass es sich jetzt um ein "politisches Signal" handle, so Mitterlehner. Die rechtliche Umsetzung hänge auch vom europäischen Prozess ab.
Dominoeffekt in Europa erwartet
Damit konfrontiert, dass die Zahl aufgrund der Altfälle aus dem Vorjahr wohl innerhalb kurzer Zeit erreicht und damit die Grenzen dicht werden, sagte der Vizekanzler, es brauche jetzt eine Diskussion und diese solle auf europäischer Ebene geführt werden. Wie bereits beim Schließen der Balkanroute erwartet Mitterlehner einen Dominoeffekt in Europa. Rückführungen und Abschiebungen der einmal Eingereisten seien schwierig, auch befinde sich jemand an der Grenze nicht in einem "Notfall", sondern bereits in einem anderen sicheren Staat. Mitterlehner verwies auch auf die Überlegungen für "Zwischenlager". Es gehe nun im ersten Schritt jedenfalls darum: "Diese Botschaft wollen wir dem Land und dem Koalitionspartner geben."
Klubchef Reinhold Lopatka sah die Forderung ebenfalls als notwendig an und begründete sie mit einer Umfrage im Vorfeld der Klausur. Demnach haben die Sorgen der Bevölkerung um die Sicherheit zugenommen. Ein weiterer Flüchtlingszustrom sei nicht zu bewältigen und darauf gebe man "klare Antworten", so Lopatka bei der Pressekonferenz.
Zurückhaltung bei SPÖ, Kritik von FPÖ und Team Stronach
Gemischt reagierten die anderen Parteien auf den Vorstoß der ÖVP: "Das Zusammenleben in Österreich muss funktionieren. Dazu bedarf es aber konkreter Maßnahmen und braucht es keine Zahlenspielereien, die nur Schlagzeilen produzieren sollen", so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Die SPÖ trete allerdings dafür ein, Zuwanderung auf ein bewältigbares Maß zu begrenzen.
Kritik gab es auch von FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. "Die Kopiermaschine wird angeworfen und Teil-Abschriften freiheitlicher Forderungen, die die ÖVP im Nationalrat gemeinsam mit der SPÖ regelmäßig niederstimmt, werden in mediale Sprechblasen verpackt", meinte dieser in Richtung von Mitterlehner. Kickl sprach sich in der Flüchtlingsfrage für eine "Null-Obergrenze" aus.
Für Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar ist die ÖVP "im Gegensatz zum Koalitionspartner" mit Mitterlehners Forderung "wenigstens am Weg in die richtige Richtung". Gleichzeitig geht ihm die Forderung zu wenig weit: "Es kann aber nur eine Obergrenze geben: Null!" Es müsse nun die "Notbremse" gezogen werden - "bis zum Stillstand, bis zur Obergrenze Null!", so Lugar.
Zahl der Flüchtlinge in Deutschland stark gesunken
Indes wurden am Mittwoch aktuelle Flüchtlingszahlen für das vergangene Jahr in Deutschland veröffentlicht: Demnach kamen 2016 rund 280.000 Flüchtlinge in unser Nachbarland, wie vorläufige Berechnungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ergaben. Im Jahr 2015 waren noch rund 890.000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen.
"Das ist deutlich weniger als ein Drittel der Vorjahreszahlen", sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere. Den starken Rückgang der Zahlen im vergangenen Jahr führte er auf die Schließung der Balkanroute sowie auf den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei zurück. "Das zeigt, dass die Maßnahmen, die die Bundesregierung und die Europäische Union ergriffen haben, greifen", so de Maiziere. "Es ist gelungen, das Migrationsgeschehen zu ordnen, zu steuern."
Mehr Asylanträge als 2015 im Nachbarland
Gestiegen sei hingegen die Zahl der Asylanträge, sagte der CDU-Parteikollege der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Laut Angaben des Ministeriums wurden im Jahr 2016 insgesamt 745.545 Asylanträge gestellt - das sind 268.869 mehr als im Jahr davor. Ein großer Teil der Antragsteller war bereits 2015 eingereist, viele von ihnen konnten aber wegen der Überlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht sofort einen Antrag stellen. "Der Berg unerledigter Anträge wird abgetragen", sagte de Maiziere.
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