"Kein Interesse"

Auf der Jagd nach Job-Verweigerern: Eine Bilanz

Österreich
02.09.2016 17:00

Geht's Arbeitslosen zu gut? Die "Krone" zieht eine erste Bilanz der umstrittenen "Aktion scharf" gegen schwarze Schafe unter den Jobsuchenden in Oberösterreich und Tirol.

Einfach nicht zum Vorstellungsgespräch erschienen. Job abgelehnt, weil eine Fahrtzeit von 25 Minuten zum Arbeitsplatz für den Bewerber unzumutbar ist. Die angegebene Telefonnummer stellt sich als falsch heraus - die Reinigungsfirma kann Jobsuchende nicht erreichen. Sieben der 17 vom AMS vermittelten Arbeitslosen geben dem Gastronomen, der dringend Jobs zu vergeben hat, die lapidare Antwort: "Kein Interesse."

Die Liste der Beschwerden, die bei der Wirtschaftskammer Oberösterreich einlangen, ist beliebig fortsetzbar. "Der Unmut bei den Unternehmen wird immer größer, die Stimmung ist am Siedepunkt", sagt Erhard Prugger, Arbeitsrechtsexperte der Kammer. Diese hat, wie in Tirol, eine "Aktion scharf" gegen die schwarzen Schafe unter den Arbeitslosen initiiert.

"Wir brauchen klare Ansagen"
"Wir wollen uns - gerade im Interesse der großen Mehrheit der redlichen Arbeitssuchenden - nicht damit abfinden, dass Einzelne das System ausnützen, grund- und sanktionslos gute Jobs ablehnen und lieber im Status der Arbeitslosigkeit/Mindestsicherung verbleiben", heißt es in einem Schreiben an die Kammermitglieder. Sie sollen ihre Erfahrungen dem AMS mitteilen: "Wir brauchen klare Ansagen, dann gibt es bei Missbrauch auch klare Sanktionen."

Das Tiroler Arbeitsmarktservice greift tatsächlich immer härter durch: "7000 Sanktionen gab es im laufenden Jahr, das sind um 16 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs", berichtet AMS-Chef Anton Kern. Die Einstellung "Arbeiten? Schert mi ned!" ist also immer öfter mit Entzug des Arbeitslosengeldes verbunden. Der Grund: steigende Arbeitslosigkeit, aber auch eine steigende Anzahl an offenen Stellen. 329.862 Menschen waren im August österreichweit beim AMS jobsuchend gemeldet, dazu kommen noch 58.762 Arbeitslose in Schulungen. Trotzdem blieben im selben Monat 43.120 Jobs in unserem Land unbesetzt, wie auch die Grafik zeigt:

(Bild: "Krone-Grafik")

"Schluss mit Vernaderung von Arbeitssuchenden"
"In jedem System gibt es Trittbrettfahrer - aber das ist die klare Minderheit", sagt Tirols AK-Präsident Erwin Zangerl im "Krone"-Gespräch. Die meisten Arbeitssuchenden seien extrem verzweifelt.

"Krone": Machen die Unternehmer zu Recht mobil gegen Arbeitsverweigerer?
Erwin Zangerl: Arbeitsunwilligkeit ist nicht zu akzeptieren. Aber es sind auch die Betriebe in die Pflicht zu nehmen. So mancher will lieber einen billigeren Beschäftigten aus den EU-Nachbarländern.

"Krone": Wie groß ist die Herde der schwarzen Schafe auf Arbeitnehmerseite?
Zangerl: Die Trittbrettfahrer bei der Arbeitslosenversicherung sind eine verschwindende Minderheit. Die Mehrheit der Arbeitssuchenden ist zutiefst verzweifelt. Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, machen auch allzu oft höchst negative Erfahrungen: Viele bekommen trotz guter Qualifikation nicht einmal eine Absage.

"Krone": Sind die Sanktionen des AMS ausreichend?
Zangerl: Das Arbeitsmarktservice handelt verantwortungsbewusst, kontrolliert laufend und stoppt bei Vorliegen von Tatbeständen die Auszahlung des Arbeitslosengeldes.

"Krone": Was raten Sie der Wirtschaftskammer?
Zangerl: Sie soll veröffentlichen, wie viele mitversicherte Angehörige aus dem Tourismusbereich sich je nach Saisonverlauf arbeitslos melden!

"Derjenige, der arbeitet, darf nicht der Dumme sein"
"Wir werden als Hetzer hingestellt - das weise ich aufs Schärfste zurück": Erhard Prugger, Arbeitsrechtsexperte der Wirtschaftskammer Oberösterreich, über die "Aktion scharf".

"Krone": Seit der Ankündigung der "Aktion scharf" gehen die Wogen hoch
Prugger: Ja, das ist ein wunder Punkt. Wir werden als Hetzer hingestellt, und dass wir Jagd auf die Arbeitslosen machen. Das weisen wir aufs Schärfste zurück.

"Krone": Wie waren sonst die Reaktionen auf den Aufruf?
Prugger: Wir merken, dass von Unternehmern verstärkt Fälle gemeldet werden. Solche, die bislang geschluckt wurden, werden nun bekannt.

"Krone": Warum wurde die "Aktion scharf" gestartet?
Prugger: Bei der Prüfung der Sanktionen der regionalen AMS-Stellen in Oberösterreich konnten wir extreme Unterschiede zwischen der mildesten und der strengsten Strafe feststellen. Bei den Sanktionen sehe ich Handlungsbedarf.

"Krone": Bestrafen also, um Arbeitslose bei der Suche zu motivieren?
Prugger: Wenn es gegen Arbeitsverweigerer einige Verfahren gibt, halte ich das für sozial gerecht.

"Krone": Inwiefern?
Prugger: In Zeiten wie diesen kann man nicht so wählerisch sein. Der, der um 6 Uhr in der Früh  in der Arbeit ist und vielleicht nicht zu 100 Prozent glücklich mit seinem Job ist, darf nicht der Dumme sein.

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