Wolfgang Brandstetter, parteifreier Justizminister und Noch-Vizekanzler, ist der Mann, der es für ÖVP-Chef Kurz richten soll: Beim Strafmaß, speziell bei Gewalt- und Sexualdelikten, soll trotz einer Novellierung 2016 wieder nachgeschärft werden. Klare Worte fand er in Salzburg, als er bei der "Krone" vorbeischaute ...
In Salzburg gibt es zwei Urteile, über die massiv diskutiert wird. Die (nicht rechtskräftige) teilbedingte Strafe für Bürgermeister Heinz Schaden und die bedingte gegen einen Ex-Kindergärtner wegen elffachen Kindermissbrauchs.
"Krone": Besteht hier ein Ungleichgewicht zwischen Vermögens- und Sexualdelikten?
Wolfgang Brandstetter: Zu den Fällen kann ich nicht wirklich etwas sagen, weil es Einzelfälle sind, die noch nicht rechtskräftig erledigt sind. Aber es ist tatsächlich so, dass ich von vielen Menschen angesprochen werde, dass es bei Gewalt- und Sexualdelikten vergleichsweise zu geringen Strafen kommt. Ich verstehe die Menschen - und darüber muss man offen und ehrlich diskutieren, dass wir bei Gewaltdelikten und insbesondere bei sexuellem Missbrauch schärfer werden müssen. Das haben wir in einem ersten Schritt mit Wirkung vom 1. Jänner 2016 auch gemacht. Ich erinnere mich gut daran, dass es durchaus Widerstände gab, neue Tatbestände beim sexuellen Missbrauch zu schaffen. Aber es ist auch jedem klar, dass wir diesen Tatbestand gebraucht haben und brauchen, ebenso die Verschärfung gegen die Begehungsform durch Gruppen. Es ist auch absolut sinnvoll, sich zu überlegen, ob wir nicht noch einen Schritt weiter gehen sollten.
Hier gibt es Luft nach oben. Wir haben auch damals daran gedacht, aber wie es in einer Regierungskoalition ist, es braucht Konsens, der am Ende zu einem Kompromiss führt.
Bei den Vermögensdelikten muss man aber schon der Jurisdiktion die nötige Zeit lassen, sich in die Richtung zu entwickeln, die nun mal gesetzlich vorgegeben ist. Und ebenso ist die Frage ganz wichtig - und das haben wir schon beauftragt -, wie hat sich die Reform 2016 ausgewirkt? Wo gibt es in der Umsetzung Mankos, die Aufholbedarf haben.
Manche Urteile sind für die Menschen unverständlich ...
Die Strafzumessung obliegt den unabhängigen Gerichten im Einzelfall und es ist wichtig, dass die Einzelgerichte einen Spielraum haben und den auch ausschöpfen. In einem Verfahren geht es um viele Faktoren, den persönlichen Eindruck eines Richters vom Beschuldigten und den Zeugen. Dies kann man nicht aus zweiter Hand beurteilen, weil man nicht dabei war.
Die Strafzumessungsentscheidung der Gerichte muss man jedoch transparenter für die Bevölkerung machen. Es ist oft so, dass Entscheidungen juristisch nachvollziehbar sind, aber nicht ausreichend nach draußen erklärt wurden. Hier werden wir uns weiter bemühen und in der Justiz diese Diskussion mit Hilfe externer Experten führen. Aber wir dürfen auch dies nicht vergessen: Die Unabhängigkeit der Justiz ist eine unserer höchsten Errungenschaften.
Vielen kommt vor allem der Opferschutz zu kurz.
Das Thema ist ungeheuer wichtig. Wir dürfen die Augen nicht vor der wirklichen Beeinträchtigung eines Opfer verschließen, die mit Geld nicht gutzumachen ist. Auf den Opferschutz wird immer noch zu wenig Rücksicht genommen. Das ist mein Anliegen, dem einen größeren Stellenwert zu verschaffen. Das wird Teil unserer Vorschläge.
Wird es nach der Nationalratswahl den Gesetzesentwurf mit Ihnen als Justizminister geben?
Es ist klar, dass wir vor der Wahl keine Schnellschüsse bei einem so heiklen Thema produzieren. Aber jetzt ist dieser Konsensdruck weg - wenn Sie so wollen, sind wir jetzt entfesselt. Aber das hängt von der Wahl ab. Wenn ich die Chance haben sollte, dieses Ressort weiter zu führen, und wenn die Rahmenbedingungen bei Kompetenzen und beim Budget für die Justiz stimmen, dann will ich das sehr gerne tun. Der Vorteil, wenn ich weitermache, wäre sicherlich, dass die Arbeit in der Justiz ohne Reibungsverluste weitergehen würde. Das wäre wichtig, weil wir nicht einmal drei Jahre Zeit hatten für die Umsetzung unserer Vorhaben.
Ich darf nicht unzufrieden und undankbar sein, wir haben viel erreicht, aber es ist enttäuschend, dass in der Bundesregierung nichts mehr ging und dadurch nicht mehr Zeit vorhanden war. Beim Strafvollzug und bei den Standorten hätten wir noch einiges vor.
Was ist in der Planung?
Wir müssen uns die Frage stellen, welche Standorte für Vollzugsanstalten mittelfristig noch sinnvoll sind und wie wir diese optimieren und ökologisieren können. Dasselbe gilt für den Maßnahmenvollzug, wo wir kürzlich einen Expertenentwurf präsentiert haben. Es ist zwar nicht populär, in den Strafvollzug zu investieren, aber notwendig.
Eine große Herausforderung ist speziell seit 2015 auch die steigende Zahl radikalisierter Häftlinge. Hier haben wir allerdings schon sehr frühzeitig effektive Maßnahmen eingeleitet, sodass wir hier als Vorreiter in der EU gelten. Auf EU-Ebene müssen wir stärker an gemeinsamen Standards arbeiten, um die Rechtsstaatlichkeit nachhaltig abzusichern.
Und das Sicherheitspaket, das abgelehnt wurde?
Wir brauchen selbstverständlich eine Internetüberwachung der Endgeräte. Es ist ein Jammer, dass das in den Wahlkampf hineingezogen wird. Der Vorwurf, dass es in diesem Paket irgendwelche handwerklichen Fehler gibt, ist lächerlich.
Michael Pichler, Kronen Zeitung
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