Außenminister Sebastian Kurz hat am Sonntagabend einen von der deutschen Presse hochgelobten Auftritt bei der ARD-Talkmasterin Anne Will hingelegt. Während der Gesprächsrunde zum Thema "Ungarn will keine Muslime - Wird Islamfeindlichkeit in Europa salonfähig?" übte Kurz heftige Kritik an Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Deutschland zwingt anderen Ländern eine Politik auf, die sie nicht wollen." Von den deutschen Medien gab es Lob für Österreichs Minister.
Neben Kurz waren auch Peter Györkös, Ungarns Botschafter in Berlin, Lamya Kaddor, eine islamische Religionslehrerin mit syrischen Wurzeln, Cem Özdemir von den deutschen Grünen und die "SZ"-Journalistin Cathrin Kahlweit als Gäste geladen.
Im Kreuzfeuer stand vor allem der ungarische Botschafter Györkös. Ihm wurde vorgeworfen, dass der einzige Zweck des am Sonntag in Ungarn durchgeführten Referendums darin bestanden habe, islamfeindliche Gefühle zu befriedigen. Kurz nahm den Diplomaten in Schutz. Man solle nicht nur darüber sprechen, dass die Beteiligung am Referendum zu gering gewesen sei: "Warum sprechen wir nicht über den hohen Anteil an Wählern, die eine Umverteilung der Asylwerber ablehnen?"
"Deutschland zwingt anderen Ländern eine Politik auf"
Kurz sparte auch nicht mit Kritik an Deutschlands Asylkurs. Seiner Ansicht nach tragen Berlin und die EU die Verantwortung für die hohe Ablehnung. "Einige Länder haben das Gefühl, dass einige wenige mitteleuropäische Staaten, allen voran Deutschland, über sie bestimmen wollen." Diese Länder seien der Ansicht, dass man sie als Staaten zweiter Klasse moralisch erziehen wolle.
Kurz betonte außerdem, dass die Umverteilung von Asylwerbern innerhalb der EU ohnehin nicht funktioniere: "Flüchtlinge wollen nicht nach Rumänien, Ungarn oder Polen. Sondern nach Österreich, Deutschland oder Schweden", so der Außenminister.
Grenzen "nicht mit freundlicher Überredung schützen"
Eine weitere scharfe Wortmeldung von Kurz gab es, als Islamlehrerin Kaddor die ungarischen Grenzzäune ansprach: "Ich kann mich noch sehr gut an die Bilder an der ungarischen Grenze erinnern. Dort hat man Menschen niedergeknüppelt." Der Minister entgegnete darauf: "Genau dasselbe passiert jetzt in der Türkei und Deutschland wollte das so." Deutschland habe gewollt, dass die Türkei verhindert, dass sich Flüchtlinge auf den Weg nach Griechenland machen. Die türkischen Grenzschützer würden dies "sicher nicht mit freundlicher Überredung" machen, so der Außenminister.
Weiters appellierte Kurz dafür, mehr Menschen direkt aus den Krisengebieten zu holen - und nicht jene aufzunehmen, die illegal nach Europa gebracht würden. Das würde nur das Geschäft der Schlepperei weiter ankurbeln.
Deutsche Presse lobt Kurz
Die deutsche Presse lobte den Auftritt des jungen Ministers aus Österreich. So schreibt der "Focus": "Es wird der Abend des Sebastian Kurz. Ob man ihn gut findet, seine Meinung teilt, sein politisches Treiben wohlwollend verfolgt, sei dahingestellt. Aber der 30-jährige Außenminister, der zugleich für Integration verantwortlich ist, trumpft auf." Die "Bild" schrieb, Kurz sei "talkshowtechnisch ein Highperformer", der "das Problem auf den Punkt bringt".
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