Wie geht’s in U-Haft, Herr Mang?
Den Umständen entsprechend. Ich bin mir erst jetzt richtig bewusst, was ich da angerichtet hab...
Ist jetzt der Katzenjammer ausgebrochen?
Nett gesagt. Im Moment seh’ ich keine Zukunft mehr. Ich hab ein schönes Leben gehabt, gut verdient, ich hab meinen Job geliebt und hatte viele zufriedene, prominente Kunden. Das alles ist jetzt irgendwie kaputt.
Vermissen Sie die "Saliera"?
Oh, nein.
Also erleichtert?
Ja. Diesen Druck kann sich niemand vorstellen. Das war ein zweieinhalb Jahre dauernder Ausnahmezustand.
Warum haben Sie diesen Ausnahmezustand nicht einfach beendet?
Ich wollte am Morgen danach alles rückgängig machen. Als ich in den Zeitungen gelesen hab, dass dieses Salzfass angeblich 50 Millionen Euro wert ist, dachte ich, da kriege ich ja lebenslang! Ich hab alle Zustände bekommen. Ich hab einfach keinen Weg gefunden, die Sache zu beenden.
Sie haben sich niemandem anvertraut?
Keinem Menschen. Mein Anwalt sagt, wieso hast du nicht wenigstens den Bundespräsidenten angerufen!
Wieso musste es eigentlich die "Saliera" sein?
Mir wäre jedes Kunstwerk recht gewesen. Aber die meisten Bilder sind sehr sperrig. Die Saliera ist so schön handlich...
Wussten Sie, was Sie da stehlen?
Ich kannte die "Saliera" von einer Führung im Kunsthistorischen. Aber ich hatte keine Ahnung, was für einen Wert sie hat. So ungesichert, wie sie dort stand - hinter normalem Glas, mit einem völlig veralteten Bewegungsmelder, die Fenster frei begehbar -, konnte man das auch nicht annehmen.
Jetzt spricht der Alarmexperte aus Ihnen. Lag da Ihr Motiv?
Meine Idee war, dieses Alarmsystem zu knacken. Ich verspürte da eine ungeheure Versuchung. Als ich wieder einmal am Baugerüst vor dem Museum vorbeiging, unbewacht natürlich, hab ich dieser Versuchung nachgegeben. Es war eine Schnapsidee.
Sie waren betrunken?
Ich kam von der Disco "Titanic" und hatte fünf kleine Biere und zwei Tequilas getrunken. Schätzungsweise 1,5 Promille . . .
In diesem Zustand sind Sie ein Gerüst hinaufgeklettert?
Geklettert? Das war eine bequeme Hendlstiege mit Geländer! Da hätten Sie auch raufspazieren können.
Und dann sind Sie noch einmal runtergestiegen, um ein Messer zu holen.
Die Jalousie hat geklemmt. Aber dann ging alles reibungslos. Auch die Scheibe konnte ich mit zwei Hieben einschlagen. Und die "Saliera" ganz in Ruhe einpacken.
Ganz in Ruhe?
Ich wusste, dass die Wächter von dort, wo sie postiert waren, viel zu lang gebraucht hätten, um mich noch anzutreffen.
Und dann führten Sie "Sally" nach Hause.
Ja, in einem Plastiksackerl, um 3.55 Uhr in der Früh. Dort hab ich sie in meinen schönen grünen Samsonite-Koffer gepackt und unters Bett gestellt. Ich habe die "Saliera" wie einen Schatz behandelt.
Aber nicht lange.
Weil ich es nicht ausgehalten habe! Ich wollte sie weghaben. Deshalb brachte ich sie ins Waldviertel.
Warum ins Wochenendhaus?
Weil mir dieser Schatz eine immer größere Last geworden ist. Der Druck war so groß, dass ich die "Saliera", eingewickelt in zwei weiße Leintücher, drüber schwarze Müllsäcke, schließlich in eine wunderschöne blaue Metallbox gelegt und mit Silikon verschlossen. Dann hab ich den Schatz eingegraben.
Fühlen Sie sich als Held oder doch als Verbrecher?
Weder noch. Ich will sicher kein Held sein, dazu tut mir das viel zu Leid. Aber ich bin auch kein Schwerverbrecher. Niemand ist bei dieser Geschichte zu Schaden gekommen.
Nur die "Saliera".
Ein kleiner Kratzer! Alles andere waren Vorschäden, von denen jetzt keiner was wissen will. Ich hab wirklich gut auf die "Saliera" aufgepasst, mir war die Rückgabe jedenfalls wichtiger als dem Herrn Seipel.
Wie kommen Sie darauf?
Der Herr Direktor hat es nicht einmal der Mühe wert gefunden, dabei zu sein, als sie ausgepackt wurde! Er hat zwei Stellvertreter geschickt.
Herr Mang, warum haben Sie sich eigentlich sofort gemeldet, als die Polizei das Fahndungsfoto veröffentlicht hat?
Weil ich wusste, dass es eng wird. Und dass ich die Chance, mich zu stellen, verpasst hatte.
Sie haben sogar noch den Erpresser gespielt.
Eine Kurzschlusshandlung. Die Verlockung, die "Saliera" endgültig loszuwerden, hat mich wieder gepackt. Aber mir ist alles über den Kopf gewachsen, meine Nerven haben nicht mehr mitgespielt.
Wenn Sie sich jetzt etwas wünschen könnten...
... dann möchte ich meinen Kindern sagen, dass sie sich nicht zu fürchten brauchen und mir schreiben sollen. Und ich würde wahnsinnig gern in mein Leben zurückkehren.
Wie viele Jahre Haft geben Sie sich?
Bitte, fragen Sie mich so was nicht. Mir fehlt einfach die Kraft, darüber nachzudenken.
Von Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
Fotos (c) Andi Schiel
Anm. d. Red.: Dieses Interview wurde nicht persönlich geführt. Die Fragen (und Nachfragen) der "Krone" stellte Rechtsanwalt Dr. Gerald Albrecht seinem Mandanten in U-Haft.
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