Asyl-Missstände

Doskozil: “90 Prozent können wir nicht abschieben”

Österreich
19.10.2016 12:53

Bis zu 90 Prozent der abgelehnten Asylwerber können in Österreich nicht abgeschoben werden - mit dieser Zahl hat Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Wien aufhorchen lassen. Grund dafür seien fehlende Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsstaaten, so Doskozil. Im Innenministerium wollte man das am Mittwoch so nicht bestätigen.

Weil Rücknahmeabkommen fehlen, können viele Migranten auch nach einem negativen Asylbescheid oft nicht abgeschoben werden. "Aktuell ist es nicht wesentlich, ob jemand ins Asylverfahren kommt, weil wir unsere Entscheidungen bis zu einem hohen Grad - 80 bis 90 Prozent - nicht umsetzen", sagte der Verteidigungsminister. Dies zu ändern sei zentral, auch weil Afrika laut Schätzungen "bis 2050 seine Bevölkerung verdoppeln wird".

Innenminister Wolfgang Sobotka (Bild: APA/Roland Schlager)
Innenminister Wolfgang Sobotka

Innenministerium: "35 Prozent, nicht 90"
Im Innenministerium verstehe man die hohe Prozentzahl nicht, hieß es auf "Krone"-Nachfrage am Mittwoch. Allein von Jänner bis September 2016 habe es 11.500 negative Asylbescheide gegeben, 7800 Personen seien außer Landes gebracht worden. Darunter auch jene, die freiwillig zurückkehrten - insgesamt blieben also 3700. "Das sind 35 Prozent und nicht 90", hieß es aus dem Ministerium.

Sobotka für Auswahl der Flüchtlinge schon in Lagern vor Ort
Sobotka machte sich hingegen am Dienstagabend erneut für einen noch von seiner Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) stammenden Vorschlag stark, wonach die Auswahl von in Europa aufenthaltsberechtigten Flüchtlingen schon in UNHCR-Flüchtlingslagern in den Konfliktregionen erfolgen soll. Man müsse "jene holen, die Schutz am dringendsten brauchen bzw. die wir am meisten brauchen", sagte Sobotka unter Verweis darauf, dass der Großteil der ankommenden Flüchtlinge nicht über die nötigen Qualifikationen für den österreichischen Arbeitsmarkt verfügt.

Das Flüchtlingslager Zaatari (Jordanien) hat rund 80.000 Bewohner und wird von der UNO betrieben. (Bild: AFP)
Das Flüchtlingslager Zaatari (Jordanien) hat rund 80.000 Bewohner und wird von der UNO betrieben.

Australien, USA und Kanada praktizieren Resettlement
Das von Sobotka angesprochene Modell ist als Resettlement bekannt und wird in großem Ausmaß etwa von Australien, den USA und Kanada betrieben, die jährlich Tausende Menschen auf diesem Weg aufnehmen. Auch die EU-Mitgliedsstaaten einigten sich im Juli 2015 darauf, binnen zwei Jahren 22.000 Flüchtlinge direkt aus Konfliktgebieten umzusiedeln. Österreich sagte damals 400 zusätzliche Aufnahmen zu, von denen bisher noch keine einzige Person in Österreich ankam. Allerdings werden auch bereits zuvor getätigte Verpflichtungen in Höhe von 1500 Menschen angerechnet, weshalb Österreich in EU-Statistiken aktuell auf 1453 aufgenommene Flüchtlinge kommt.

Boot mit Migranten (Archivbild) (Bild: AP)
Boot mit Migranten (Archivbild)

Spindelegger: "Migrationspartnerschaften" nur langfristig wirksam
Initiiert hatte das österreichische Resettlement-Programm, das anfangs vorrangig Christen zum Ziel hatte, 2013 der damalige Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP). Auch er nahm am Dienstag an der Podiumsdiskussion im Rahmen einer Migrationskonferenz der Ludwig Boltzmann Gesellschaft teil: in seiner aktuellen Funktion als Vorsitzender des Internationalen Zentrums für Migrationspolitikentwicklung. Die nun von der EU umgesetzten "Migrationspartnerschaften" in afrikanischen Ländern, die zu Investitionen, einer Verbesserung der Lebensumstände und damit zu einer Verringerung der Fluchtursachen führen sollen, würden nur langfristig Wirkung zeigen, sagte er: "Das dauert mindestens zehn Jahre."

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