Jugendkriminalität

Ermittler: “Räuber sind meist keine Österreicher”

Österreich
05.02.2017 20:40

Prügelvideos, Massenschlägereien, betrunkene Flüchtlinge: Jugendbanden sorgen bei der Bevölkerung für Unbehagen. Obwohl die Kriminalitätsrate sinkt. Im Interview mit krone.at spricht Oberstleutnant Robert Klug, Ermittler beim Landeskriminalamt Wien mit Schwerpunkt Jugendkriminalität, über vermeintliche Banden, bedingte Urteile, Massenschlägereien und Hotspots.

Kurz vor zehn Uhr: Im Polizeigebäude auf der Rossauer Lände haben Oberstleutnant Robert Klug und sein Ermittlerteam ihr Büro. Nach einem Kaffee mit Blick auf die Donau die erste Frage: Herrscht in Österreichs Großstädten wirklich ein Bandenproblem? Banden: nein. Problem: ja. Sagt Oberstleutnant Robert Klug. Der Ermittler verfolgt eine Vielfalt von Straftaten, ob Massenschlägereien oder Handydiebstähle. Beim Großteil der Täter könne von Banden aber nicht die Rede sein, betont Klug, die Delikte ergäben sich meist ohne Vorsatz: "Das sind Gruppierungen, die sich in der Freizeit an öffentlichen Orten treffen, und dann begehen sie zusammen manchmal strafbare Handlungen, wie eben Raubüberfälle."

Oberstleutnant Robert Klug (Bild: krone.at)
Oberstleutnant Robert Klug

Territoriale und kulturelle Streitpunkte
Die aktuellen Schlagzeilen vermitteln ein anderes Bild: Ein junges Mädchen wird von Jugendlichen brutal geschlagen, die Peiniger zeichnen ihre Tat auf Video auf und verbreiten es in den sozialen Medien. Junge Männer brechen einem Bratschisten den Finger, weil er sie auf das Rauchverbot in der Wiener U-Bahn-Station Karlsplatz aufmerksam gemacht hat. Sogenannte Sittenwächter sorgen in Einkaufszentren für "Ordnung". Schlägereien zwischen Afghanen und Tschetschenen. Klug: "Gerade im Straßenraubsektor - der aber im Moment auf sehr geringem Niveau ist - verzeichnen wir tatsächlich Überfälle, die von Jugendlichen begangen werden, deren Staatsbürgerschaft in den meisten Fällen nicht die österreichische ist."

Massenschlägereien lassen sich laut dem Fahnder leicht erklären. Sie seien ein Beispiel für territoriale und kulturelle Streitpunkte unter den Jugendlichen: "Früher haben mitunter junge Russen Gebiete für sich beansprucht. Nun sind viele afghanische Jugendliche in Österreich. Und sie beanspruchen dieselben Gebiete. Daher ergeben sich natürlich Konflikte und Spannungen, die sich dann im Extremfall so entwickeln, dass es dann zu täglichen Auseinandersetzungen kommt wie am Westbahnhof kurz vor Weihnachten."

(Bild: krone.at)

Afghanen und Massenschlägereien
Jugendliche aus Afghanistan treten auffälliger als andere in Erscheinung, einfach deshalb, weil sie sich an stark frequentierten und bewachten Plätzen treffen: "Es mag vielleicht den Anschein haben, dass Afghanen geneigter sind, strafbare Handlungen zu begehen als österreichische Jugendliche. Das wird sicherlich stimmen, Untersuchungen dazu sind mir nicht bekannt, ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen. Aber man darf nicht vergessen, es sind ganz einfach mehr afghanische Jugendliche in Ballungszentren und werden dort kontrolliert."

Und was ist mit den Massenschlägereien? Hier sollen Zaungäste oft die Polizei bei ihren Einsätzen behindern. "Oft wird von der außenstehenden Bevölkerung eine Gruppe von 50 Personen wahrgenommen, und tatsächlich sind an einem solchen Fall fünf bis sieben Personen beteiligt und der Rest sind Zuseher. Die Ermittlungen erschwert es insofern, als durch diese häufig den Tätern die Gelegenheit geboten wird, in der Menge zu verschwinden. Die Auskunftsfreudigkeit der Zuseher hält sich leider sehr in Grenzen, und wenn es auch offensichtlich ist, dass die dort anwesenden Personen die Täter kennen, sei es auch nur mit dem Vornamen, stoßen wir oft auf eine Mauer des Schweigens."

(Bild: krone.at)

Bedingte Urteile
Ein weiteres Problem: lediglich Urteile mit bedingten Strafen für die mutmaßlichen Täter und in der Folge Unmut in der Bevölkerung. Auf die Frage, ob sie vorbestraft seien, antworten viele der Jugendlichen in den Einvernahmen mit einem selbstbewussten "Nein". Das Strafregister entlarvt sie schlussendlich: "Ich gebe ihnen Recht, dass die derzeitige Form der Pönalisierung vielleicht nicht unbedingt die richtige ist. Dass ein Jugendlicher, der eine bedingte Haftstrafe bekommt, sich der Tragweite dieser Maßnahme gar nicht bewusst ist, halte ich sehr wohl für möglich. Ich gebe aber zu bedenken, dass eine Haftstrafe und ein Eintrag ins Strafregister sicherlich nicht förderlich sind, den Jugendlichen zu integrieren."

Erhöhtes Risiko an Hotspots
Stark besuchte Plätze stellen nach Aussage des Kriminalbeamten ein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar: "Wenn ich als Jugendlicher alleine am Praterstern bin oder durch die Venediger Au gehe, dann muss mir natürlich gewärtig sein, dass ich von einer Gruppe umringt werde, und da könnte es auch sein, dass ich Opfer eines Raubüberfalls werde. Gewisse Situationen sind einfach gefahrengeneigter als andere."

(Bild: APA/Robert Jäger)

Wien trotzdem eine der sichersten Städte
Oberstleutnant Klug bleibt dabei, dass Wien trotz vieler Probleme eine der sichersten Städte Europas ist: "Auch wenn ich kein Polizist wäre - würde ich durch jeden Park in Wien gehen, ohne mich davor zu fürchten, Opfer eines Verbrechens zu werden."

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