Das Personalkarussell in der zerstrittenen Wiener SPÖ hat sich am Freitagvormittag zu drehen begonnen: Die angezählte Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely verlässt die Politik. Sie steht vor einem Wechsel nach Deutschland in die Privatwirtschaft, wo sie die Führung der Siemens Healthcare GmbH in Erlangen verstärken soll. Wehsely bestätigte in einer Pressekonferenz ihren Rücktritt (Video oben).
Die 46-Jährige war zehn Jahre lang Gesundheits- und Sozialstadträtin, davor war sie für Integration und Frauen zuständig gewesen. Die dem linken Flügel zugeordnete Politikerin galt in den vergangenen Wochen als Ablösekandidatin Nummer eins unter den Wiener SPÖ-Stadträten. Zuletzt hatten sich die Probleme in ihrem Ressort gehäuft - unter anderem mit der Kostenexplosion im Krankenhaus Nord und der Aufregung um die Gangbetten in städtischen Krankenhäusern.
Die Entscheidung, dem Rathaus den Rücken zu kehren, habe sie schon vor Monaten getroffen, sagte Wehsely. Nach 20 Jahren in der Politik sei es an der Zeit gewesen, über Veränderung nachzudenken. Ihr Motto sei stets gewesen: "Stillstand bedeutet Rückschritt, und die einzige Kontinuität ist die Veränderung." Sie habe schon zu Beginn des vergangenen Jahres begonnen, darüber nachzudenken, was der nächste Schritt sei. Vor einigen Monaten sei dann das Engagement beim deutschen Konzern konkreter geworden.
Häupl erst am Rücktrittstag informiert
Der Vertrag bei Siemens sei am Donnerstag unterzeichnet worden, Bürgermeister Michael Häupl wurde laut Wehsely erst am Freitag, unmittelbar vor der Verkündung des Rücktritts, von ihr persönlich informiert. Er habe ihr versichert, dass nicht geplant gewesen sei, sie demnächst von ihrem Posten abzuberufen.
Häupl selbst sagte am Freitag, er habe "vollstes Verständnis für die Entscheidung, nach 13 Jahren in der Wiener Stadtpolitik neue Herausforderungen in der Privatwirtschaft anzunehmen". "Ich bedanke mich bei Sonja Wehsely für ihre engagierte Arbeit und wünsche ihr alles Gute für ihren weiteren Weg", so Häupl weiter. Über die Nachfolge im Gesundheitsressort wird laut dem Stadtchef bei der Vorstandstagung der Wiener SPÖ kommende Woche entschieden.
Auf Ederers Spuren
Wehselys Gang zu Siemens ist keine Premiere für eine Wiener Politikerin: So wechselte etwa Ex-Europastaatssekretärin Brigitte Ederer nach ihrem Abgang aus der Politik im Jahr 2000 zum Großkonzern, wo sie Mitglied im Vorstand wurde. Wehsely soll bei Siemens ab April "globale Wachstumsfelder in den Gesundheitsmärkten betreuen", wie "profil online" berichtete.
Häupl traf Ludwig: Brisante Vorstandssitzung vorbereitet
Aufregung herrschte am Freitag auch um ein Treffen von Häupl mit Wohnbaustadtrat Michael Ludwig unmittelbar nach Bekanntgabe des Wehsely-Rückzugs. Dabei wurden laut "Krone"-Infos jedoch keine weiteren Personalrochaden besprochen, sondern die mit Spannung erwartete Vorstandssitzung in einer Woche inhaltlich geplant.
Um Ludwig, der dem Realo-Flügel zugerechnet wird, war zuletzt wild spekuliert worden: Während einerseits gemunkelt wurde, dass er im Ausgleich für einen allfälligen - und mit Wehselys Rücktritt nun vollzogenen - Aderlass im linken Lager gehen müsse, wurde er andererseits als neuer Finanzstadtrat gehandelt: als Nachfolger der ebenfalls ins Gerede gekommenen Renate Brauner. Deren aktueller Kuba-Aufenthalt dürfte mitverantwortlich dafür sein, dass der kolportierte Großumbau der Stadtpartei vorerst nicht kommt und es die Sozialdemokraten beim Rücktritt Wehselys bewenden lassen dürften. Ludwig sollte jedenfalls allen Unkenrufen zum Trotz fest im Sattel sitzen.
Bundes-SPÖ zufrieden, "Rebellen" fordern mehr
Aus der Bundes-SPÖ war von Insidern zu hören, Wehselys Abgang sei ein "wichtiger Katalysator, um Kritiker zu besänftigen". Diesen parteiinternen Kritikern, gern auch als "Rebellen" bezeichnet, sei dieser Schritt jedoch noch "viel zu klein", hörte die "Krone" am Freitag.
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