Nachdem Österreich wegen der Flüchtlingskrise den Druck auf die EU erhöht hat, schießt nun der aus Italien stammende EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani scharf gegen die geplanten Grenzschutzmaßnahmen am Brenner: "Die Entsendung von Soldaten an die Brenner-Grenze ist inakzeptabel", sagte Tajani im Interview mit der Tageszeitung "Quotidiano Nazionale" am Mittwoch. Der österreichische Botschafter in Rom wurde unterdessen ins italienische Außenministerium zitiert.
Italien hatte zuletzt harsche Kritik an den Vorbereitungen Österreichs für einen möglichen Grenzschutzeinsatz am Brenner geübt und sogar mit einem EU-Verfahren gedroht. Der EU-Parlamentschef will die Asylkrise anders lösen. Laut Tajani muss die EU die afrikanischen Herkunftsländer der Migranten stark unterstützen. "Wir haben vorgeschlagen, dass 6,4 Milliarden Euro, die in diesem Jahr nicht ausgegeben wurden, zu diesem Zweck verwendet werden", so Tajani.
"Heer am Brenner ist keine Lösung"
Kritisch gegenüber Österreich zeigte sich auch der Staatssekretär im italienischen Verteidigungsministerium, Domenico Rossi. "Das Heer am Brenner ist keine konkrete Lösung für das Migrationsphänomen, das nicht nur Italien, sondern ganz Europa betrifft. Österreichs Verhalten widerspricht der zunehmenden Integration zwischen Italien und Österreich im europäischen Rahmen", so Rossi.
Nach den vom Verteidigungsministerium eingeleiteten Vorbereitungen war der österreichische Vertreter in Rom, Rene Pollitzer, zu einem Gespräch gebeten worden. Italien habe sich dabei "enttäuscht über die Maßnahmen Österreichs gezeigt", erklärte ein Sprecher von Außenminister Sebastian Kurz. Pollitzer hatte bei dem Gespräch die Position Österreichs verteidigt, dass es sich bei den Maßnahmen am Brenner "um Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen für einen Ernstfall handelt".
Kern: "Derzeit keine Brenner-Kontrollen"
Unterdessen versucht Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zu beschwichtigen. Er stellte am Mittwoch klar, dass Österreich derzeit keine Grenzkontrollen am Brenner durchführen wird und auch kein Einsatz des Bundesheeres unmittelbar bevorsteht. Derzeit gebe es keine Truppen und kein militärisches Gerät am Brenner. Österreich habe aber für einen möglichen Bedarfsfall einen Notfallplan beschlossen. Kern versicherte, dass sich trotz der hohen Zahl an Flüchtlingen in Italien in den letzten Wochen die Zahl der Aufgriffe in Österreich kaum verändert habe. Dies zeige die exzellente Arbeit der italienischen Behörden und die gute Kooperation mit Italien.
Lunacek: "Panzer-Minister zurückpfeifen"
Kritik an den geplanten Maßnahmen kam von den Grünen."Die offene Brenner-Grenze ist die Erfolgsgeschichte des europäischen Friedensprozesses. Nordtirol und Südtirol nach vielen Jahrzehnten der Teilung unter der EU-Fahne wieder vereint ist das Symbol des europäischen Miteinanders schlechthin. Wer das, was zusammengehört, wieder in Frage stellt, wer Tirol mit Zäunen und Panzern wieder trennt, hat aus den vor allem für die Tirolerinnen und Tirolern bitteren Erfahrungen des vorigen Jahrhunderts nichts gelernt", empörte sich die EU-Abgeordnete und grüne Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl, Ulrike Lunacek, am Mittwoch.
Deswegen fordere sie Kern auf, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) unmissverständlich in die Schranken zu weisen. Es könne nicht sein, dass ein von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz wegen dessen Flüchtlings-Eskalationsspirale getriebener "Panzer-Minister" Italien brüskiert.
Wallner: "2015 darf sich nicht wiederholen"
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hingegen unterstützt die vom Verteidigungs- und Innenministerium getroffenen Vorbereitungen für mögliche Grenzkontrollen am Brenner. "2015 darf sich nicht wiederholen", stellte er am Mittwoch im Vorarlberger Landtag fest. Die Integration der schon im Land befindlichen Flüchtlinge müsse vorangetrieben werden.
Migration an sich kein offizieller Kontrollgrund
Angesichts des Schengener Grenzkodex ist eine Schließung des Brenners alles andere als einfach. Denn unter den Mitgliedern des Schengen-Raums, zu dem Österreich und Italien gehören, gilt Reisefreiheit. Eine Aussetzung der Regelung braucht die Billigung der EU-Kommission und der Partnerstaaten. Migration an sich gilt offiziell nicht als Kontrollgrund.
Ein "Ausnahmezustand" rund um die Flüchtlingskrise besteht aber bereits seit Herbst 2015. Im Zuge der starken Flüchtlingsbewegung über den Balkan Richtung West-, Mittel- und Nordeuropa führten fünf Länder - neben Österreich auch Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen - Grenzkontrollen ein. Für Österreich gilt die Sonderregelung allerdings ausschließlich für die Grenze zu Ungarn und Slowenien. Mitte Mai war sie noch einmal um weitere sechs Monate verlängert worden. Laut Schengen-Kodex war es aber die letzte mögliche Verlängerung - und die anderen EU-Staaten wollen die Kontrollen nun auch auslaufen lassen.
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