209 Seiten sind es geworden, die Christian Kern am Donnerstag 300 SPÖ-Spitzenfunktionären in der Wiener Messe als Wahlprogramm vorlegen wird. Nach einigen Zwischenfällen und Kursänderungen hofft der amtierende SPÖ-Bundeskanzler, dass er mit dem umfangreichen Plan gegen den Herausforderer von der ÖVP, Sebastian Kurz, siegen kann. Auffallend: Das Thema Flüchtlingskrise steht ganz weit hinten im geheimen SPÖ-Programm.
Oft steht in der Wahlkampffibel des SPÖ-Chefs der Zusatz-Werbespruch: "Für gute Laune". Weit hinten, ab Seite 180, kommen die Kapitel Europa (Schlagwort "Neuropa!") und Flüchtlingskrise. Europa will die SPÖ zu einer "Werte- und Wohlstandsunion" umbauen. Zu Migration finden sich die Schlagworte "humanitär, solidarisch, konsequent". Es sei nicht auszuschließen, dass Italien "an Kapazitätsgrenzen stößt, Europa dann rasch handeln muss". Daher würden ein Außengrenzschutz und ein "Plan für Afrika" benötigt.
Programm deckt sich über weite Strecken mit Kerns "Plan A"
Das Wahlprogramm der SPÖ ist vom Bundeskanzler in den vergangenen Tagen noch mehrfach umgeschrieben und ergänzt worden. Die wesentlichen Teile des umfangreichen, fast sämtliche Lebensbereiche abdeckenden Programms basieren über weite Strecken auf dem "Plan A". Den hatte Kern im Jänner mit großem Aufwand in Wels vorgestellt. Diese Präsentation war damals bereits als erster Hinweis auf einen beginnenden Wahlkampf verstanden worden.
Kern im Jänner zu "Plan A": "Wir haben unbequeme Wahrheiten ignoriert"
Pensionsreform "mit Fingerspitzengefühl"
In dem der "Krone" vorliegenden, 209 Seiten umfassenden Entwurf des Wahlkampfprogramms (siehe Faksimiles unten) sind nun einige neue Schwerpunkte dazugekommen. Unter anderem wird - wie berichtet - im Kapitel "Gesundheit & Alter" eine behutsame Modernisierung des Pensionssystems angekündigt: "Reformen mit Fingerspitzengefühl" heißt das in dem Papier. Zugleich wird, wie es für ein umfangreiches Werbeprospekt im Wahlkampf üblich ist, versichert, dass "wir um unser Pensionssystem von vielen Ländern beneidet werden".
Zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich
Weit vorne, bereits auf Seite 30, wird dem Thema der Flexibilisierung der Arbeitszeit prominenter Raum gewidmet. Da heißt es zwar einerseits, dass "die Forderung eines generellen 12-Stundentags ein Rückschritt in das 18. Jahrhundert" wäre, 610.000 Arbeitnehmer "gerne ihre Arbeitszeit verkürzen würden", andererseits ist im SPÖ-Programm von einer Gleitzeit die Rede, die "zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich werden" lasse. Das jedoch nur, wenn "als Ausgleich länger zusammenhängende Freizeitblöcke genommen werden können".
"Vereinfachung der Regeln" als Ziel
Insgesamt nennt die SPÖ als Ziel, dass es "zu einer Vereinfachung der Regeln" kommen muss. Man brauche für die Arbeitszeit "Modelle, die auf beiden Seiten Flexibilität ermöglichen", so die wörtliche Formulierung im Entwurf zu dem Wahlprogramm von Kern.
Zentraler Slogan: "Ich hol mir, was mir zusteht"
Der zentrale Spruch, der sich durch die gesamte SPÖ-Kampagne bis zu den Nationalratswahlen am 15. Oktober durchziehen soll, lautet: "Ich hol mir, was mir zusteht." Der von den SPÖ-Werbern durchaus klassenkämpferisch angelegte Slogan wird sämtliche Bereiche abdecken - und reicht von Forderungen bzw. Plänen für die Pensionisten über Frauen und Familien bis zu jungen und auch älteren Arbeitnehmern.
Kommentar von Claus Pándi: Dickes Ding
Der alte Polithaudegen Peter Pilz meinte unlängst beim Frühstück im Wiener Café Eiles, dass von den Unmengen an Wahlkampfmaterial die Kugelschreiber und die Feuerzeuge sehr beliebt sind. Größter Renner bei den Grünen seien aber die Gratis-Präservative gewesen. Gleich begehrt sind nur die kleinen Packungen mit Knabbernüssen.
Die schlimmsten Ladenhüter seien hingegen stets die Wahlprogramme gewesen. Die müssten dann zu Tausenden im Altpapier entsorgt werden, nachdem man sie nicht beim Wähler entsorgen konnte, erzählte Pilz, der heuer vor seinem zehnten Wahlkampf steht. Seinem ersten mit einer eigenen Bewegung. Ein richtiges Wahlprogramm wird es bei ihm nicht geben, sondern Pilz und jeder seiner Abgeordnetenkandidaten werden mit eigenen Gesetzesinitiativen werben.
Traditioneller geht es da schon der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern an. Er wird am Donnerstag einen mehr als 200 Seiten umfassenden Plan vorlegen. Der basiert im Wesentlichen auf seinem bereits im Jänner präsentierten "Plan A", ergänzt um einige Themen wie Europa, Pensionen und die Migrationsfrage.
Lesen werden dieses dicke Ding wohl nur die überzeugtesten SPÖ-Anhänger mit ausreichend Tagesfreizeit. Umso mehr Respekt muss man Kern zollen, dass er und seine Leute sich bei der Hitze hingesetzt haben, um es zu schreiben. Und es ist nicht schlecht, wenn man weiß, was Kern gegen seinen Herausforderer und Führenden in allen Umfragen, Sebastian Kurz von der ÖVP, in die Waagschale zu werfen hat.
Kronen Zeitung/red
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