Neue Details zur Bluttat des Polizisten: Erst einen Tag nachdem er seine Freundin erschossen hatte, erwürgte er den kleinen Sohn. Und Daniel L. gestand nun auch: "Ja, ich hatte eine Geliebte."
Vergangener Donnerstag, 13 Uhr, im Halbgesperre des Wiener Landesgerichts. Daniel L., jener 23-jährige Polizist, der vor drei Wochen seine schwangere Lebensgefährtin Claudia K. (25) und den 20 Monate alten Sohn Noah getötet hat, wird von mehreren Justizwachebeamten in einen Vernehmungsraum gebracht. Gleich nachdem er an dem Tisch in der Mitte des kleinen Zimmers Platz genommen hat, beginnen drei Fahnder, ihn mit neuen Ermittlungsergebnissen zu konfrontieren.
Mit belastenden Zeugenaussagen, gerichtsmedizinischen Befunden, Handy-Auswertungen und Tatortanalysen. Es sind Fakten, die Daniel L.s bisheriges Geständnis und damit auch die von ihm angegebenen Gründe für seine Wahnsinnstat in Zweifel stellen.
"Da war große Wut und Hass in mir"
Immerzu, hatte der gebürtige Steirer bis jetzt in Verhören berichtet, habe ihn Claudia K. "malträtiert". Beschimpft, geschlagen, rund um die Uhr kontrolliert, wie einen Leibeigenen behandelt. Und dann, am 2. Oktober, sei es in der gemeinsamen Wohnung in Wien-Margareten "wieder einmal zu einem argen Streit" zwischen ihm und seiner Freundin gekommen, und da sei er "plötzlich irgendwie durchgedreht".
"Ich spürte mit einem Mal eine große Wut und einen Hass in mir. Und ich erschoss Claudia mit meiner Dienstwaffe, als sie gerade am Bett saß und mich laut anschrie." Im Schock über sein Verbrechen habe er bald darauf Noah erwürgt, die Frau und den Buben als vermisst gemeldet und ihre Leichen später mit seinem Renault Clio in seinen Heimatort Trofaiach gebracht. Wo er bei seiner Familie untertauchte. Bis er am 7. Oktober verhaftet wurde.
Geliebte: "Ich habe oft bei Daniel geschlafen"
Herr L., wir wissen, dass Sie eine Beziehung mit einer anderen Frau hatten ...
Diese "andere Frau": Anna W., 29 Jahre alt, zweifache Mutter, Alleinerzieherin. Am 26. Juni 2016 hatte der Täter sie über ein Internet-Datingportal kennengelernt. "Schon am Tag darauf trafen wir einander in einem Lokal", gab die Kellnerin mittlerweile der Kripo zu Protokoll, und dass sie in der Folge regelmäßig, "zwei- bis dreimal pro Woche", in Daniel L.s Wohnung übernachtet habe: "Er hat mir erzählt, er wäre von Claudia seit zehn Monaten getrennt, nur selten würde sie ihn mit Noah besuchen. Was ich ihm glaubte. Denn nie habe ich bei ihm zu Hause irgendwo Spuren von ihr gesehen. Keine Kosmetika, keine Kleidungsstücke ..."
Tatsache ist: Claudia K. verbrachte den Sommer beinahe durchgehend mit dem kleinen Sohn bei ihren Eltern in Kärnten. Anna W.: "Er sprach viel darüber, wie sehr ihn seine Ex aus der Ferne mit Vorwürfen und Selbstmorddrohungen quälte."
Auszug aus einer WhatsApp-Kommunikation des Liebespaars vom 20. September:
Daniel L.: Claudia hat voll durchdreht, weil ich ihr von dir erzählt hab. Bah, mein Kopf explodiert gleich.
Anna W.: War also schon wieder was.
Daniel L.: Die Alte ist abnormal. Mehr hassen kann man einen gar nicht.
Anna W., sie war voll des Mitgefühls: "Daniel tat mir leid. Ich wollte ihm dabei helfen, aus dem dauernden Drama mit Claudia rauszukommen, und gab ihm Ratschläge, wie er vielleicht die Obsorge für sein geliebtes Kind bekommen könnte."
Claudia K. hatte Angst vor Lebensgefährten
Die Kellnerin kannte Noah: "Ich habe mit Daniel und dem Kleinen manchmal Ausflüge unternommen." Claudia K. vermutete bereits seit Juli, ihr Lebensgefährte würde sie betrügen. Wenn sie in Wien war, blieb er mitunter bis spätnachts aus. Und wie Handynachrichten zwischen der 25-Jährigen und ihrer Mutter belegen, fürchtete sie sich zunehmend vor ihm: "Er zittert, er hat Blackouts, im Schlaf hat er mich gewürgt und er sagte nachher, er könne sich daran nicht erinnern."
Die Angst der jungen Frau wurde noch größer, nachdem sie am 29. September unter ihrem Ehebett eine Axt gefunden hatte. In Panik brachte sie das Werkzeug in das Geschäft, in dem es von Daniel L. gekauft worden war, zurück: "Er sagt", schrieb sie danach in einer SMS an ihre Familie, "dass die Axt ein Geschenk für mich gewesen wäre. Was soll das?"
Auto von Freundin manipuliert?
Hat der Polizist sein Verbrechen eiskalt - und von langer Hand geplant? Ein weiteres Indiz spricht dafür: Als Claudia K. im August mit dem Familienauto, dem Renault Clio, in Kärnten auf einer Landstraße fuhr, brach der Wagen plötzlich aus. Mechaniker stellten in der Folge fest, dass an einem vorderen und einem hinteren Reifen Radmuttern gelockert bzw. entfernt worden waren.
Herr L., wann und wie haben Sie Claudia getötet?
"Am 2. Oktober zwischen 12 und 13 Uhr. Angefangen hat es damit, dass ich aufstand, die Wohnung zusammenräumte und Mittagessen kochte. Es gab faschierte Laibchen. Meine Freundin fing dann an, mich zu terrorisieren. Ich würde nichts machen, sagte sie. Ich fand das unfair, weil ich mich so ins Zeug legte. Ich habe ja den Haushalt fast alleine geschmissen." Es sei zu einem Streit gekommen, "der schlimmer und schlimmer wurde".
Daniel L.: "Daraufhin habe ich mit Claudia Schluss gemacht. Sie drohte mir damit, mir beruflich zu schaden, mich finanziell zu ruinieren, und sie schrie auch, dass ich unser Zwergi im Fall einer Trennung nie mehr wiedersehen würde."
"Ich hielt den Druck nicht mehr aus"
"Ich wollte die Wohnung verlassen, meine Freundin nahm mir meine Brieftasche, mein Handy und meine Schlüssel weg. Sie ging ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett und weinte. Ich folgte ihr, sie beschimpfte mich weiter. Ich hielt den Druck nicht mehr aus, nahm meine Dienstwaffe aus dem Kleiderschrank und setzte mich neben sie ans Bett. Ich hielt die Waffe an ihren Hinterkopf, machte meine Augen zu und drückte den Abzug. Unmittelbar nach dem Schuss holte ich einen Gürtel, legte ihn Claudia um den Hals und schloss ihn fest. Ich wollte damit verhindern, dass Blut aus ihrem Kopf kam. Dann brachte ich ihre Leiche ins Bad und habe im Schlafzimmer geputzt."
"Sorry, hat länger gedauert. Wegen Claudia"
Um 14.28 Uhr tippte Daniel L. eine SMS an Anna W. in sein Handy. Um die Mittagszeit wäre er für diesen Tag mit ihr verabredet gewesen: "Sorry, hat leider länger gedauert. Wegen Claudia." Aber nun, schrieb er weiter, seien sein Bub und er "ausgehbereit".
Um 15 Uhr trafen sich die Kellnerin und der Polizist in einem Vergnügungspark in Wien-Donaustadt: "Daniel hatte Noah dabei, ich meine zwei Kinder." Der Nachmittag sei den Angaben der Frau zufolge "sehr angenehm verlaufen, die Kinder vergnügten sich auf dem Spielplatz, wir aßen Zuckerwatte, später gingen wir noch alle zusammen in ein Fast-Food-Restaurant".
Und danach, Herr L.?
"Ich kam um etwa 22 Uhr heim. Ich gab Noah im Wohnzimmer was zu spielen. Ich reinigte dann das Ehebett vom Blut und entsorgte Pölster und Decken im Hausmüll, um Mitternacht legte ich mein Zwergi schlafen. Ich verbrachte die Nacht wach auf der Couch."
Der 20 Monate alte Bub sei gegen 7 Uhr munter geworden: "Ich wusch ihn, zog ihm einen Strampler an, bereitete ihm ein Frühstück zu. Mir gingen die ganze Zeit Gedanken durch den Kopf, wie es jetzt weitergehen soll. Noah muss ohne Mutter aufwachsen und sein Vater sitzt im Gefängnis. Dann, es muss ungefähr 9 Uhr gewesen sein, habe ich ihn von hinten erwürgt. Er spielte gerade. Ich habe beide Hände verwendet."
Daniel L. wickelte in der Folge "Claudias und Noahs Leichen in Folien, band sie mit Klebebändern zu, schleppte sie in mein Kellerabteil und reinigte dann nochmal mit einem gelben Spülmittel die Wohnung". Zwischendurch schrieb der Polizist am Mobiltelefon seiner toten Freundin Nachrichten an ihre Familie: "Ich will heute ein bisschen Ruhe haben und Zeit mit Daniel und Zwergi verbringen. Bussi. Eure Claudia."
Geliebte nach Mord in Wohnung eingeladeninnert sich die Frau: "Und auch Daniel war wie immer. Lieb, schüchtern, romantisch." Die Kellnerin übernachtete bei ihm.
Am 4. Oktober ging er bereits frühmorgens auf eine Einkaufstour: Er beschaffte eine Orchidee für seine Geliebte, er beschaffte Farbe. Er beschaffte extra-starke Müllsäcke - und einen großen Reisetrolley. Am Nachmittag verpackte er die zwei Toten in dickes schwarzes Plastik, legte Claudia K. in den Koffer und Noah in eine Reisetasche. Er malte seinen Keller aus, um Blutspuren unsichtbar zu machen. Und er erstattete eine Vermisstenanzeige: "Meine Freundin ist mit unserem Sohn nach einem Streit abgehauen." Und dann fuhr er, mit seinen Opfern im Kofferraum, in die Steiermark.
"Ich hatte immer Gefühle für Claudia"
"Ich hatte immer Gefühle für Claudia und ich habe sie immer noch", sagt Daniel L., und dass er Anna W. "nie geliebt" habe: "Ich wollte von ihr nur Sex." Was gab der Polizist seinen Ex-Kollegen am vergangenen Donnerstag noch zu Protokoll? "Ich war so erleichtert, als ich endlich aufflog und verhaftet wurde."
Herr L., was war Ihr wahrer Plan?
"Ich hatte keinen. Nie."
"Er versteht selbst nicht, wie er zum Täter werden konnte"
Daniel L. wird von dem erfahrenen Anwalt Ernst Schillhammer verteidigt. "Ich besuche meinen Klienten beinahe täglich in der Untersuchungshaft", sagt er. Der Täter wirke auf ihn "wie ein schüchterner Bub". Es sei schwierig, mit ihm über die Taten zu sprechen: "Er beginnt dann oft zu weinen. Ich habe den Eindruck, dass mein Mandant selbst nicht begreift, wie er zu solch einem schrecklichen Verbrechen fähig sein konnte. Er beteuert immer wieder seine Reue."
Dass der Polizist den Tod seiner Freundin und seines Sohns kaltblütig geplant haben könnte, hält Schillhammer für ausgeschlossen: "Er hatte kein Motiv." Vielleicht wollte er für seine Geliebte frei sein? "Der SMS-Verkehr zwischen Anna W. und Daniel L. belegt eindeutig, dass er jederzeit dazu bereit gewesen wäre, die Affäre zu beenden."
Laut seinem Anwalt befindet sich der 23-Jährige in einem "miserablen seelischen Zustand": "Er gilt nach wie vor als suizidgefährdet." Bereits demnächst soll der junge Mann von Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer ausgiebig untersucht werden.
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