Schlechte Nachrichten aus Brüssel für Österreich und Kanzler Christian Kern (SPÖ) in Sachen Flüchtlings-Umverteilung: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch mitgeteilt, dass Österreich dazu "verpflichtet" sei, bis September insgesamt 1900 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Kern hatte die EU-Kommission vor einer Woche in einem Schreiben darum gebeten, für Österreich eine Ausnahmeregelung in Erwägung zu ziehen.
"Österreich ist gesetzlich zur Umverteilung verpflichtet, und ich erwarte persönlich von Österreich, dass es dieser Verpflichtung nachkommt", schrieb Juncker daraufhin in einem Brief an Kern. Im Rahmen des Programms hatte sich Österreich 2015 dazu verpflichtet, Flüchtlinge zu übernehmen. Wegen des hohen Flüchtlingszustroms in Österreich selbst hatte man aber eine Ausnahme bis März 2017 erwirkt.
Juncker: "Anzahl der Asylanträge in Österreich zurückgegangen"
Es sei ihm bewusst, dass Österreich in den vergangenen beiden Jahren "einer der wichtigsten Vertreter und Unterstützer für eine umfassende europäische Migrationspolitik war" - die Situation habe sich im Vergleich zu den Jahren 2015 und 2016 aber erheblich verändert, so Juncker nun. Eine europäische Grenz- und Küstenwache sei aufgebaut worden, die Hotspots in Italien und Griechenland seien voll funktionsfähig, die Anzahl der Asylanträge in Österreich sei zurückgegangen.
"Umverteilung ist ein Ausdruck von Solidarität"
Italien und Griechenland stünden aber nach wie vor unter Druck und bräuchten die zugesagte Entlastung. "Umverteilung ist ein Ausdruck von Solidarität und gerechter Aufteilung der Verantwortung. Dafür ist das aktive Mitwirken aller Mitgliedsstaaten erforderlich. Uns steht nur noch wenig Zeit zur Verfügung. Es wäre kein gutes Zeichen, wenn es uns gemeinsam nicht gelänge, alle derzeit in Italien und Griechenland in Betracht kommenden Personen bis September 2017 zu verteilen."
Die aktuelle Lage in Österreich kann laut Juncker nicht als "plötzlicher Zustrom" von Drittstaatsangehörigen charakterisiert werden, der eine weitere Aussetzung aus den Ratsbeschlüssen rechtfertigen würde. Die EU-Kommission stehe laut Juncker für Gespräche bereit, "um zu erörtern, wie wir die österreichischen Behörden dabei unterstützen können, ihren rechtlichen Verpflichtungen schrittweise nachzukommen".
Kern: "Juncker-Brief gute Basis für weitere Gespräche"
Kanzler Kern sieht den Brief Junckers als gute Basis für weitere Gespräche beim Flüchtlings-Umverteilungsprogramm. Dass Österreich seinen Verpflichtungen grundsätzlich nachkommen müsse, sei aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar, zugleich signalisiere Juncker in seinem Brief aber auch Entgegenkommen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Dort sieht man etwa noch "Spielraum" bei Zahl und Zeitraum der Umverteilungs-Verpflichtungen.
Dass Juncker in seinem Brief an Kern erklärt, dass die EU-Kommission Österreichs Behörden dabei unterstützen werde, ihren rechtlichen Verpflichtungen "schrittweise" nachzukommen, und man dabei "natürlich" auch die Solidarität berücksichtigen werde, die Österreich in der Vergangenheit bewiesen hat, wird in Kerns Umfeld jedenfalls als Signal in diese Richtung gedeutet.
Sobotka will "demnächst" mit Umverteilung beginnen
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hingegen teilte am Mittwoch mit, mit dem Umverteilungs-Programm "demnächst" beginnen zu wollen. "Wir sind rechtlich verpflichtet, das umzusetzen, und werden den Prozess jetzt starten", sagte ein Sprecher Sobotkas. Wann genau das Programm nun tatsächlich gestartet wird und mit wie vielen Personen, ist noch offen.
Wie reagiert Doskozil auf Junckers Brief?
Bleibt noch abzuwarten, wie Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) auf Junckers Brief reagiert. Doskozil hatte in der Vorwoche bekanntlich den Ausstieg Österreichs aus dem Umverteilungsprogramm gefordert. "Österreich soll aus dem ohnehin im September 2017 auslaufenden Programm aussteigen, weil es eines der am stärksten belasteten Länder ist. Und weil ich der Meinung bin, dass Österreich einen ausreichend humanitären Beitrag geleistet hat", sagte er.
In Sachen Flüchtlings-Umverteilung hatte es in der Vorwoche einen heftigen Streit zwischen den Regierungsparteien gegeben. Dass Österreich eine entsprechende Ausnahmeregelung nicht rechtzeitig verlängert hatte, bezeichnete Kern als "Versäumnis" des Innenministeriums. Der angegriffene Ressortchef Sobotka wehrte sich und sprach von "Unterstellungen".
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