Nach Doskozil-Kritik

Kanzler Kern verteidigt Merkels Flüchtlingspolitik

Österreich
27.08.2016 14:11

"Ich bin nicht der Meinung, dass Frau Merkel unverantwortlich gehandelt hat." Das stellte Bundeskanzler Christian Kern am Samstag vor einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin in Berlin klar. Ein "Störfeuer" seitens seines SPÖ-Parteikollegen Hans Peter Doskozil, der Merkels Flüchtlingspolitik "unverantwortlich" genannt hatte, wollte Kern aber nicht sehen.

Inhaltlich seien die Aussagen des Verteidigungsministers sehr "realitätsnah" gewesen, so der Kanzler. Auch in dem Nachbarland Österreichs habe sich die Situation seit dem Vorjahr verändert. Die aktuellen Fragen seien nun auch in Deutschland, wie man die Flüchtlingszahlen begrenzen und die Integration vorantreiben kann, erklärte Kern auf dem Weg nach Berlin. Auch dort seien bereits Maßnahmen zur Begrenzung der Zuwanderung vorgenommen worden.

Harsche Doskozil-Kritik an Merkel
Doskozil hatte am Donnerstag mit harscher Kritik an der deutschen Kanzlerin auf sich aufmerksam gemacht. "Die 'Wir schaffen das'-Politik ist unverantwortlich", sagte er zur "Krone". Merkel hatte diesen Satz kurz vor der Grenzöffnung am 31. August 2015 gesagt, um ihren Landsleuten Mut zur Aufnahme von Flüchtlingen zu machen. Für Doskozil habe diese Aussage - und ihre mehrfache Wiederholung seitdem - jedoch dafür gesorgt, dass ein neuer "Anziehungsfaktor für Fluchtbewegungen nach Europa entsteht", wie er gegenüber der "Krone" erklärte.

Verteidigungsminister Doskozil im "Krone"-Talk:

Im Interview mit der deutschen "Bild"-Zeitung erklärte Doskozil zudem: "Wir werden es nicht hinnehmen, dass Österreich durch diese Ermunterung in eine Position kommt, dass dann wieder vermehrt Flüchtlinge von Italien über Österreich nach Deutschland wollen und gleichzeitig Deutschland die Grenzen schließt." Ein Durchwinken sei nicht mehr möglich. Das Boulevardblatt titelte: "Ösis stänkern gegen Merkel".

Kern: "Zahl der Flüchtlinge muss begrenzt werden"
Kern wollte am Samstag regierungsinterne Diskussionen und Querschüsse nicht überbewerten, räumte aber ein: "Ich beobachte auch, was da auf ÖVP-Seite passiert. Wenn es uns nicht gelingt, politische Veränderungen vorzunehmen, haben wir ein größeres Problem." Wichtig sei: "Wie sieht es mit der Beschäftigung aus, mit Wirtschaftsthemen, Bildung?" Ziel müsse es natürlich sein, die Flüchtlingszahlen durch den Schutz der EU-Außengrenzen zu begrenzen - dabei dürften aber humanitäre Aspekte nicht außer Acht gelassen werden.

Boot mit Migranten (Archivbild) (Bild: AP)
Boot mit Migranten (Archivbild)

Kanzler für Aufnahmezentren in Nordafrika
"Wir können nicht eine Festung Europa bauen und sonst bezüglich der Probleme in den Herkunftsländern wegschauen", sagte der Kanzler und nannte Beispiele wie die Agrarpolitik oder die "Überfischung der Ozeane". Es müssten etwa Hilfsprogramme für Afrika vorangetrieben werden. Kern trat auch für Aufnahmezentren in Nordafrika ein, immer jedoch unter Einhaltung der Menschenrechte: "Das ist auch eine sicherheitspolitische Herausforderung."

Hochrangiges Treffen auf Schloss nahe Berlin
Allerdings müssten auch die Auswirkungen des Flüchtlingszustroms auf den Arbeitsmarkt beachtet werden, so der Bundeskanzler. Dieser werde EU-intern auch durch Entsendungen aus Osteuropa belastet. Daher könne es in Österreich zu einer Diskussion über die Personenfreizügigkeit kommen. Diese spielte auch beim EU-Austrittsvotum der Briten eine wichtige Rolle, weshalb der Brexit neben anderen Themen am Samstag bei einem gemeinsamen Mittagessen auf Schloss Meseberg nahe Berlin thematisiert wurde.

Merkel begrüßt Kern auf Schloss Meseberg (Bild: APA/BKA/ANDY WENZEL)
Merkel begrüßt Kern auf Schloss Meseberg

Außer Merkel und Kern nahmen daran noch die Amtskollegen aus Bulgarien, Bojko Borissow, Slowenien, Miro Cerar, und Kroatien, Tihomir Oreskovic, teil.

Kern, Cerar, Merkel, Oreskovic und Borissow (v.l.n.r.) (Bild: APA/dpa/Guido Bergmann)
Kern, Cerar, Merkel, Oreskovic und Borissow (v.l.n.r.)

Merkel kommt im Vorfeld des informellen EU-Gipfels am 16. September in Bratislava mit Staats- und Regierungschefs aus allen EU-Ländern zu Beratungen zusammen. Sie vertritt die Meinung, dass sich die EU wegen des Brexit grundlegend neu aufstellen muss. Die Union werde eine "neue Balance" finden müssen, weil ein Land mit immerhin 15 Prozent der EU-Wirtschaftskraft austrete, so die Kanzlerin.

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