Für eine konsequente Vorgangsweise Europas gegenüber der türkischen Regierung tritt Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) im "Krone"-Interview am Samstag ein. Nach der jüngsten politischen Eskalation in der Türkei bringt es Kern auf eine klare Formel: "Kein Flüchtlingsabkommen, kein Geld."
Der Kanzler lässt in der Schärfe seiner Tonwahl keine Zweifel an seiner Haltung gegenüber der Türkei aufkommen. Die Regierung in Ankara suche seiner Meinung nach "ganz bewusst die Zuspitzung, bei der es nicht mehr ausreicht, rote Linien zu setzen". Nach den dramatischen Vorgängen in der Türkei, unter anderem mit der Verhaftung führender Oppositionspolitiker, müsse sich "Europa jetzt auf die nächsten Schritte in der Politik gegenüber der Türkei vorbereiten", so Christian Kern. Der SPÖ- und Regierungschef sagt, dass die Türkei die "menschenrechtlichen Standards mit Füßen tritt". Angesichts dieser Entwicklung müsse man mit weiteren Aktionen der türkischen Regierung rechnen.
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Europa registriert bereits seit einigen Tagen klare politische Signale, dass die Türkei schon demnächst das Flüchtlingsabkommen platzen lassen könnte. Der seit dem 20. März geltende Deal beinhaltet unter anderem, dass Flüchtlinge, die illegal nach Griechenland kommen, in die Türkei zurückgebracht werden. Dieser Mechanismus hat dazu geführt, dass die türkischen Sicherheitsbehörden die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer massiv gedrosselt haben. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse der vergangenen Wochen zeigen, dass die Türkei (noch) immer deutliche Anstrengungen unternimmt, dass es zu keinem Anstieg der Flüchtlingszahlen in Europa kommt.
Noch 2,5 Milliarden Euro an Ankara zu bezahlen
Im Gegenzug hat die Türkei bereits viel Geld erhalten, weitere finanzielle Zusagen sind offen. Laut Kanzler Kern wären "derzeit noch rund 2,5 Milliarden Euro an die Türkei" zu zahlen. "Aber es würde kein Bürger mehr verstehen, wenn wir diesen Zahlungen nachkommen würden, obwohl sich die Türkei nicht mehr an das Flüchtlingsabkommen hält", erklärt Kern gegenüber der "Krone" die Absicht, "den Geldhahn zuzudrehen" für den Fall, dass der Deal platzen sollte.
Die direkten Gespräche mit der Führungsspitze in Ankara sollen sich laut Informationen aus dem Kanzleramt mehr als schwierig gestalten. Die Führung rund um Präsident Recep Tayyip Erdogan ist noch immer beleidigt, weil Kern einen EU-Beitritt der Türkei ausgeschlossen hat.
"Appeasementpolitik funktioniert nicht"
"Das Setzen von roten Linien bringt uns nicht weiter, aber Europa hat mit den Zahlungen an die Türkei einen wirtschaftlichen Hebel", so Kern. Jetzt müssten jedenfalls die politisch-moralischen Überlegungen vor wirtschaftliche Interessen gestellt werden, betont der Kanzler. Man habe gesehen, dass eine Politik des "Appeasements mit der Türkei nicht funktioniert", so Kern.
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