Streit mit Italien

Kern ermahnt Kurz: “So geht es einfach nicht”

Österreich
22.07.2017 15:57

Während die Kritik aus Italien an Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) immer schärfer wird - zuletzt bezeichnete der italienische Vize-Außenminister Kurz und Ungarns Premier Viktor Orban als die "neuen Helden der nationalistischen Rechten" -, hat sich jetzt auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in die Sache eingeschaltet: Er ermahnte Kurz, es im Streit mit Italien in der Flüchtlingspolitik nicht zu weit zu treiben: "So geht es einfach nicht. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht gegen Italien positionieren", sagte Kern in einem Interview.

Kern forderte in einem Gespräch mit der "Presse am Sonntag" "mehr Sensibilität mit Italien" - unter anderem mit Blick auf die Schutzmachtfunktion Österreichs für Südtirol. Hinsichtlich des Flüchtlingsstroms über die Balkanroute vor zwei Jahren sagte der Kanzler: "Stellen wir uns einfach vor, wie es 2015 gewesen wäre, wenn unsere Nachbarstaaten sich in einer ganz ähnlichen Situation gegen uns gestellt hätten. Diese Art von Problemstellung lässt sich nur gemeinsam lösen." Und weiter: "In einer Situation, in der unser Nachbarland die Unterstützung Europas braucht, sich gegen Italien zu stellen, stößt natürlich auf Enttäuschung."

Kanzler Kern, Außenminister Kurz (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER, APA/HERBERT NEUBAUER)
Kanzler Kern, Außenminister Kurz

Neonazi-Vergleich für Kern "völlig inakzeptabel"
Kern sprach sich dafür aus, das Thema künftig aus der Öffentlichkeit und dem Wahlkampf in Österreich herauszuhalten: "Die Außenpolitik Österreichs muss seriös hinter verschlossenen Türen und durch Diplomatie geführt werden - und nicht im Wahlkampf." Zugleich verurteilte Kern überzogene Kritik: Kurz mit einem "Neonazi" in Verbindung zu bringen, wie das der Bürgermeister der Insel Lampedusa, Salvatore Martello, getan hat, sei völlig inakzeptabel, sagte der SPÖ-Chef.

Im Allgemeinen zum außenpolitischen Kurs Österreichs mahnte Kern: "Wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns außenpolitisch nicht in einer Gruppe mit Viktor Orban und der Lega Nord wiederfinden." Das habe auch etwas mit Erfahrung zu tun. "Man kann sich nicht immer gegen alle stellen. Da bleibt man allein übrig. Und nur, um einen guten Wahlkampf zu führen, das Ansehen Österreichs zu gefährden, ist ein viel zu hoher Preis."

Außenminister Sebastian Kurz im Gespräch mit seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano (Bild: APA/BMEIA/DRAGAN TATIC)
Außenminister Sebastian Kurz im Gespräch mit seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano

Brenner-Drohung für Kern "Notstand-Inszenierung"
Kern erteilte zudem Drohungen, die Brenner-Grenze zu schließen, eine Absage. "Hier wird ein Notstand inszeniert, den es so nicht gibt. Über die Balkanroute kommen selbst heute noch mehr Asylwerber als über den Brenner. Natürlich müssen wir uns auf alle Szenarien vorbereiten, aber in aller Ruhe und möglichst diskret. Von einer Schließung der Brenner-Grenze wäre schließlich Südtirol hauptbetroffen", so der Kanzler.

Aus Italien kam auch am Samstag scharfe Kritik an Kurz. Der italienische Vize-Außenminister Benedetto Della Vedova bezeichnte Kurz und Orban als "neue Helden der nationalistischen Rechten in Italien". "Wenn sie die Migranten ins Meer werfen wollen, sollen sie es offen sagen", erklärte Della Vedova auf seiner Facebook-Seite.

"Orban und Kurz wissen kaum was von Meer und Häfen, doch sie erteilen Lehren, wen man retten soll und wen nicht, als wären internationales Recht und Konventionen zur Flüchtlingsrettung eine Sache, wo man wählen könnte", machte Della Vedova auf Facebook seinem Ärger Luft.

"Kurz hat vorgeschlagen, Flüchtlinge auf Lampedusa zu bringen und sie dort zu belassen. Das ist eine riesige politische Absurdität, die auch populistisch und grausam ist. Kurz beschreitet Orbans autoritären Weg. Er vertritt ein Europa, das sich verschließt, ein reaktionäres Europa des Vaterlandes gegen das Europa der Integration", schrieb der Vize-Außenminister.

Kurz und Ungarns Premier Orban (Bild: APA/ÖVP/JAKOB GLASER)
Kurz und Ungarns Premier Orban

Anderer Ansicht ist der Präsident der Region Lombardei und Spitzenpolitiker der Lega Nord, Roberto Maroni, der die italienische Regierung zu einer Hafensperre drängt. "Österreich und Frankreich schließen ihre Grenzen. Italien kann nicht nur in Europa um Solidarität bitten, es muss handeln. Die Regierung will die Notstandslage nicht einsehen", kritisierte Maroni.

Auch Italiens Zeitungen nehmen Kurz ins Visier
Auch Italiens Zeitungen befassten sich am Samstag ausgiebig mit den Spannungen zwischen Italien und Österreich in der Flüchtlingsfrage und mit Außenminister Kurz. So schrieb etwa die renommierte "La Repubblica" aus Rom: "Sebastian (Kurz): Der Macron der Rechten, der Rom attackiert, um sich Österreich zu holen. Es ist eine Tatsache, dass Kurz heute der beliebteste Politiker in Österreich und einer der umstrittensten, wenn nicht gar gefürchtetsten, in Europa ist."

Hinter der wiederholten Drohung, den Brenner zu schließen, stecke Kurz, heißt es in dem Bericht weiter. "Und er war es auch, der vorgeschlagen hat, Migranten auf Lampedusa festzuhalten. Der Bürgermeister der sizilianischen Insel hat ihm Nazi-Rhetorik vorgeworfen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass Kurz das stören wird. Denn in Wien heißt es, dass seine dröhnenden Botschaften vor allem an seine Wähler gerichtet sind."

(Bild: APA/EXPA/Jakob Gruber, APA/Dragan Tatic, krone.at-Grafik)

Der "Corriere della Sera" in Mailand schreibt über den Streit zwischen Italien und Österreich: "Der ehrgeizige Kurz ist zu allem bereit, um in der Partie um das Wiener Kanzleramt zu gewinnen. Gut hat Premier (Paolo) Gentiloni daran getan, mit vehementen Tönen Kurz' Worte zum Thema Migranten abzulehnen und zu unterstreichen, dass Italien keine 'Lehren' von anderen europäischen Ländern akzeptiert."

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