Mittelmeerroute-Aus

Kern: Kurz-Forderung ist “wie Freibier für alle”

Österreich
19.06.2017 22:50

Die Diskussion, ob eine Schließung der Mittelmeerroute für Flüchtlinge möglich ist, geht in die nächste Runde. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bereut seinen "Vollholler"-Sager keineswegs - und bringt neuen Zündstoff in die Debatte: Die Schließung der Route zu fordern, wie es Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) tut, sei wie "Freibier für alle" zu versprechen, erklärte der Kanzler. Am Rande eines Pressetermins am Montag sprach er sich zudem dafür aus, Lösungen statt nur Schlagzeilen zu produzieren. Neben Kern übt übrigens auch die FPÖ Kritik an den Aussagen von Kurz.

Der Schlagabtausch zwischen Kern und Kurz hatte mit einem Sager des Kanzlers begonnen, in dem er die Schließung des Fluchtwegs als "politischen Vollholler" bezeichnete - das sei eine Ankündigung ohne konkrete Vorstellung.

Der Kanzler stimmte der Veröffentlichung eines eigentlich vertraulichen Gesprächs mit Journalisten am Wochenende zu, in dem er seine Kritik untermauert hatte. Laut Transkript sagte Kern: "Ich bin dafür, dass wir die Mittelmeerroute schließen, ich bin für Freibier für alle und die Lohn- und Einkommenssteuer halbieren - wenn wir wissen, wie wir das funktionierend hinkriegen." In diesem Hintergrundgespräch wies er vor allem auf die Probleme bei der Schließung der Mittelmeerroute hin - wie etwa hohe Kosten, Terrorgefahr oder eine mögliche Destabilisierung Nordafrikas durch Flüchtlingszentren.

Bootsflüchtlinge in Italien (Bild: AFP)
Bootsflüchtlinge in Italien

Kern: "Lösungen statt Schlagzeilen produzieren"
Auch am Rande eines Pressegesprächs am Montag ging es um den "Vollholler"-Sager. Auf Nachfrage, ob er diesen bereuen würde, teilte Kern mit: "Nein, nicht im Geringsten." Er verwies auf ein Zitat von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), wonach Wahlkampf-Zeiten jene der "fokussierten Unintelligenz" seien. Dies wolle er nicht so halten, sagte Kern. "Ich schlage vor, dass wir es anders probieren und die Österreicher ehrlich über die Möglichkeiten, über die Probleme informieren - und dass wir wirklich Lösungen produzieren." Das Produzieren von Schlagzeilen würde "weder unseren Kindern helfen, noch die Immigrationsfrage lösen", meinte der SPÖ-Chef.

Kurz verweist auf Schließung der Westbalkanroute
Unterdessen kündigte Kurz an, das Gespräch mit Kern suchen zu wollen. Wie sein Vorschlag konkret in die Praxis umsetzbar wäre, ließ der Außenminister allerdings weiter offen. Kurz verwies am Montag in Luxemburg im Vorfeld eines EU-Außenministertreffens aber auf die Diskussion vor der Schließung der Westbalkanroute. In dieser Phase hätten fast alle die Schließung für unmöglich gehalten oder sie für rechtswidrig oder unmenschlich befunden, sagte Kurz am Montag. Die Schließung der Westbalkanroute sei aber ein Erfolg gewesen, dies sei auch in der EU mittlerweile "common sense".

Eine Rettungsaktion für Flüchtlinge (Bild: ANDREAS SOLARO/AFP)
Eine Rettungsaktion für Flüchtlinge

"Sobald man nach der Rettung die Menschen an der Außengrenze stoppt, versorgt und die Rückstellung organisiert, ab diesem Zeitpunkt werden sich kaum noch Menschen auf den Weg machen. Insofern ist unsere Haltung klar. Die werden wir weiterhin auf europäischer Ebene vertreten", unterstrich der Außenminister, der nicht konkret auf die Kritikpunkte von Kanzler Kern an seiner Linie einging. Kurz betonte, er sei in der Frage der Mittelmeerroute gut mit dem Innen- und dem Verteidigungsminister abgestimmt. Und: "Ich ich bin überzeugt davon, dass dies am Ende des Tages die Linie der Europäischen Union sein wird."

FPÖ kritisiert Kurz: "Üble Mogelpackung"
Neben Bundeskanzler Kern kritisierte auch die FPÖ Kurz' Aussagen zur Schließung der Mittelmeerroute. Es handle sich um eine "üble Mogelpackung", teilte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl am Montag in einer Aussendung mit.

"In Kenntnis der handelnden Personen ist nämlich klar, wohin die Reise geht: Aus zigtausenden illegalen Migranten werden unter dem Deckmantel des Asyls zigtausende legale Migranten gemacht, die dann direkt in Afrika abgeholt werden, um in Europa verteilt und angesiedelt zu werden", so Kickl. Er warf dem Außenminister vor, nicht zwischen Zuwanderung und Asyl zu differenzieren. "Die einzig ehrliche Lösung, um die Migration zu stoppen, ist die Einrichtung der 'innerkontinentalen Fluchtalternative', damit bekämen jene, die wirklich Flüchtlinge sind, den Schutz, den sie brauchen."

Van der Bellen: "Wünschen kann ich mir viel"
Bundespräsident Alexander Van der Bellen will in der Auseinandersetzung zwischen Kurz und Kern zwar nicht Partei ergreifen, aber er hält die Schließung dieser Route bzw. Rückstellung aufgegriffener Flüchtlinge nach Nordafrika für nicht leicht umsetzbar. "Wünschen kann ich mir viel", war Montag in der "ZiB2" sein nüchterner Kommentar zu der Debatte. Wenn man das fordere, müsse man sich der Situation in Libyen bewusst sein.

Die Macht der dortigen Zentralregierung sei "sehr beschränkt, um es vornehm auszudrücken", mehrere "Stämme" und Gruppen hätten in verschiedenen Landesteilen das Sagen - und somit sei nicht klar, mit wem man über die Rücknahme von Flüchtlingen verhandeln könnte. Sinnvoller wäre es, wenn man die Migrationsursachen in den Herkunftsländern untersucht und versucht, mit diesen Regierungen Maßnahmen zu ergreifen, um die Abwanderung zu stoppen, meinte Van der Bellen.

(Bild: AP/Antonio Calanni (Symbolbild))

Deutschlands Außenminister Gabriel skeptisch
Nach den Beratungen der EU-Außenminister in Luxemburg meldete sich dann auch noch der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel zu Wort und widersprach seinem österreichischen Kollegen Kurz: Nur die Außenminister von Österreich und Ungarn hätten die Frage von Hotspots außerhalb Europas angesprochen, so Gabriel am späten Montagnachmittag.

"Ich habe dem gemeinsam mit vielen anderen widersprochen. Sie können in Libyen in einer Situation, wo es keinen Staat gibt, wo Menschenschlepper die Herrschaft über solche Flüchtlingslager haben, wo Vergewaltigung, Totschlag und finstere Lebensbedingungen am Tag herrschen, nicht ohne Sicherheit Menschen zurückbringen", sagte Gabriel. "Jetzt in diese finsteren Zustände Auffanglager für Flüchtlinge zu bringen, das hält die überwiegende Mehrheit für falsch."

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