Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) tritt dafür ein, EU-Gelder an die Türkei vorerst einmal nicht auszuzahlen. Demnach sprach sich der Kanzler am Rande des EU-Brexit-Sondergipfels in Brüssel dafür aus, "die Vorbeitrittshilfen der EU in Höhe von rund 4,5 Milliarden Euro einzufrieren". Diese Summe ist von 2014 bis 2020 eingeplant.
"Wir brauchen jetzt sehr rasch eine Lösung und keine Rechthaberei", wurde Kern am Samstag im "Kurier" zitiert. Der Kanzler verwies darauf, dass er bereits im August vergangenen Jahres den Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und eine Neuordnung der Beziehungen zu Ankara gefordert habe. "Das ist heute Regierungsposition."
Auch Kurz für Streichung der EU-Gelder für die Türkei
Mit dem Verfassungsreferendum des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei einen neuen Tiefstand erreicht. Zahlreiche EU-Politiker - unter anderem Außenminister Sebastian Kurz - fordern einen Abbruch der seit 2005 laufenden Gespräche und somit auch die Streichung der sogenannten Heranführungshilfen - immerhin 4,5 Milliarden Euro.
Kern: "Entwicklung in der Türkei inakzeptabel"
Kern untermauerte seine Haltung gegenüber Ankara mit einem Argument: "Die demokratiepolitische Entwicklung der Türkei ist inakzeptabel. Der Bruch rechtsstaatlicher Prinzipien, die Verfolgung von Journalisten, kann bei einem Beitrittskandidaten nicht hingenommen werden." Er verlangte rasch eine Antwort der EU auf die neue Lage nach dem Verfassungsreferendum. "Spätestens bis zum Türkei-Gipfel vor dem Sommer muss es eine Lösung für die künftige Kooperation zwischen der EU und der Türkei geben. Es geht schließlich um die Glaubwürdigkeit der EU." Dazu gehöre auch, dass die EU mit ihrem Budget verantwortungsvoll umgehe.
Kern warnte aber davor, die Türkei-Diskussion emotional zuzuspitzen und zu einem Konflikt auswachsen zu lassen. Dass es Kooperationsmöglichkeiten gebe, zeige das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei. Der Pakt funktioniere ja, betonte der Kanzler. Jetzt sei für ihn jedenfalls "der richtige Zeitpunkt, eine klare Haltung gegenüber der türkischen Regierung einzunehmen".
Bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum am 16. April war über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei abgestimmt worden, das Erdogan deutlich mehr Macht verschafft. Das Ja-Lager hat die Abstimmung knapp gewonnen, die Opposition hält sie für manipuliert.
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