Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern will nach der Neuwahlansage von Außenminister und ÖVP-Hoffnung Sebastian Kurz mit wechselnden Mehrheiten weiterregieren und droht der ÖVP das Ende der rot-schwarzen Zusammenarbeit für "sehr lange Zeit" an. Zugleich fordert der Kanzler eine Entschuldigung von Kurz und ÖVP. ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer schloss indessen am Freitagabend einen Rückzug der Minister seiner Partei aus der Regierung vor Wahlen aus.
"Wir wollen keine Neuwahlen, wir werden weiter versuchen, im Parlament sachpolitische Lösungen zu erzielen - und das auch, falls nötig, mit wechselnden Mehrheiten", so Kern gegenüber der Tageszeitung "Die Presse". Dies sei allerdings keine Minderheitsregierung, wie es zunächst in dem Bericht hieß. Dort war zunächst davon die Rede, dass sich Kern eine solche Option offen halte. Im Kanzleramt sprach man von einem Missverständnis. Kern: "Wenn uns die ÖVP den Stuhl vor die Tür stellt, bedeutet das auch das Ende für eine rot-schwarze Zusammenarbeit für sehr lange Zeit."
Kern verlangt darüber hinaus eine Entschuldigung von Kurz und der ÖVP. Er sei im Zusammenhang mit seinem Angebot einer "Reformpartnerschaft" der Unehrlichkeit bezichtigt worden, das lasse er sich nicht bieten. Und Kern warnte Kurz davor, seine Familie in die politische Auseinandersetzung zu ziehen. Hintergrund: Die ÖVP hatte Kerns Sohn Niko heftig kritisiert, weil dieser Kurz in einem später gelöschten Tweet mit dem ugandischen Diktator und Massenmörder Idi Amin verglichen hatte.
"Die Presse" zitierte darüber hinaus ein hochrangiges SPÖ-Regierungsmitglied, das den Außenminister im Namen von Kern zum Rücktritt auffordert: "Wenn er nicht will, soll er sofort zurücktreten. Wir haben noch Optionen."
Kern empfing Glawischnig
Kern hatte am Freitag im Schatten der aktuellen Regierungskrise seine Gespräche mit der Opposition fortgesetzt, bei denen er offenbar mögliche alternative Mehrheiten für Umsetzungen aus dem Regierungsprogramm auslotet. Am Freitagnachmittag empfing der Regierungschef Grünen-Chefin Eva Glawischnig. "Die Grünen sind bereit, zu arbeiten", versicherte Glawischnig. Kern hatte sich zuvor bereits mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und NEOS-Chef Matthias Strolz zu Gesprächen getroffen.
Damit sich im Parlament eine Mehrheit ausgeht, müssten allerdings die Mandatare anderer Parteien Kerns Plänen zustimmen - mindestens 92 Mandate sind notwendig, wie die "Krone" errechnet hat.
Sieht man sich die Wortmeldungen der Opposition von Freitag an, kann man aber gut erkennen, welch anstrengenden Job Kern fortan haben wird, wenn er Mehrheiten sucht.
Mahrer: Kein Rückzug der ÖVP-Minister
Einen Rückzug der Minister seiner Partei aus der Regierung vor Wahlen schloss ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer am Freitag aus. In einer Sonder-ZiB begründete Mahrer dies mit "staatspolitischer Verantwortung". Es brauche Kontinuität in der Regierung, vor allem auch um die EU-Ratspräsidentschaft vorzubereiten. Auf die Frage, was die ÖVP machen werde, wenn sie keine Mehrheit für einen Neuwahlantrag bekommen sollte, wollte Mahrer nicht eingehen. Das werde man sehen, wenn es so weit sein sollte. Man werde dann über die Brücke gehen, wenn man dort ist.
Der ÖVP-Regierungskoordinator appellierte zudem, die Emotionen herunterzufahren. Die Aussage von Kern, dass es nun für lange Zeit keine Zusammenarbeit von Rot und Schwarz geben werde, wies Mahrer als "Drohung" zurück. Der mögliche Wahltermin hänge davon ab, wie man sich mit der SPÖ oder der Opposition einige.
Doskozil: Auch späterer Wahltermin möglich
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hält es indessen durchaus für möglich, dass Neuwahlen nicht so bald kommen und die Regierung noch länger im Amt sein könnte. In der Sonder-"ZiB" meinte Doskozil am Freitagabend, wenn es eine Mehrheit für einen Neuwahlantrag gebe, müsse die SPÖ das zur Kenntnis nehmen. Wenn nicht, werde die SPÖ aber die ÖVP auffordern, an den Regierungstisch zurückzukehren.
Insofern hält es Doskozil einerseits für möglich, dass im September gewählt wird. Es wäre aber auch ein späterer Termin möglich. Es könnte sein, dass die Regierung noch länger arbeite, wenn es keine Mehrheit für Neuwahlen geben sollte. Eine Minderheitsregierung beurteilte Doskozil "eher kritisch". Aber ein freies Spiel der Kräfte im Parlament kann er sich sehr wohl vorstellen.
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