ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz hat seine Fans nun auch offiziell auf die Intensivphase des Wahlkampfs eingeschworen. Vor rund 10.000 Gästen in der Wiener Stadthalle wiederholte der Außenminister seine Forderungen und hob dabei einen Punkt besonders hervor: den Ausbau der Befugnisse des Bundeskanzlers. So will Kurz, wie in Deutschland, den Kanzler mit einer Richtlinienkompetenz ausstatten, um die Machtposition eines künftigen Regierungschefs massiv zu stärken.
Unter dem Motto "Es geht los" hatte die ÖVP in die Stadthalle geladen. Schon vor dem offiziellen Veranstaltungsbeginn um 13.30 Uhr führte Peter L. Eppinger, der der Liste Kurz angehört, durch das Programm. Der Einzug in die Halle erfolgte schließlich in Begleitung einer Blasmusikkapelle. Freiwillige und Kandidaten kamen zu Wort. Auch die Testimonials der ÖVP-Wahlplakate wurden vorgestellt. Im Publikum waren auch frühere Parteigranden wie Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, Josef Pröll und Michael Spindelegger zu sehen.
Hier sehen Sie den gesamten Auftakt der ÖVP in der Stadthalle:
"Bald werden wir zusammen einen Marathon laufen"
Danach hatte Generalsekretärin Elisabeth Köstinger die Volkspartei auf das Wahlkampffinale eingeschworen: "Mein großes Ziel war es, einen Halbmarathon zu laufen - und das hab' ich geschafft. Aber bald werden wir alle zusammen einen Marathon laufen." Im Publikum saßen sowohl Kurz' Eltern als auch seine Freundin Susanne, die sich selten mit dem ÖVP-Parteichef in der Öffentlichkeit zeigt.
"Größter Wahlkampfauftakt, den Österreich je gesehen hat"
Schließlich trat Kurz gegen 15 Uhr auf die Bühne. Es sei eine "große Ehre", vor so vielen Menschen zu sprechen, erklärte Kurz. Er begrüßte die aus den diversen Bundesländern angereisten Anhänger und bedanke sich für die Unterstützung: "Das ist der größte Wahlkampfauftakt, den Österreich je gesehen hat." Außerdem dankte er seinen Eltern, die ihn "immer unterstützt hätten". Besonders am Anfang sei der Gegenwind "eisig" gewesen.
Kurz will mehr Macht für den Bundeskanzler
Anschließend wiederholte er seine Forderungen, die er umzusetzen gedenkt, sollte die ÖVP Teil der nächsten Bundesregierung sein. So sprach sich Kurz für eine Richtlinienkompetenz für den Bundeskanzler aus, wie sie in Deutschland Anwendung findet: "Machen wir's wie die Deutschen!" Damit würde einem künftigen Regierungschef mehr oder weniger alleine überlassen bleiben, mit wem er eine Koalition bildet.
Das Verhältnis zwischen Richtlinienkompetenz und Kabinettsprinzip ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bundeskanzler bei Ersterem die Richtlinien der Politik bestimmt. Besonders bei Streitigkeiten zwischen Ressorts und Ministern könnte der Kanzler dann eingreifen. Bei Abstimmungen im Kabinett entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Bundeskanzlers. Außerdem bestimmt er beispielsweise die Tagesordnungen der Kabinettssitzungen und kann sogar die Vorlage gewisser Themen verhindern.
Unterstützung für diesen Vorschlag kam später von Innenminister Wolfgang Sobotka. Im Gegensatz zu Herbst 2016, als er sich noch dagegen ausgesprochen hatte, gehe es nun darum, den "Veränderungswillen durchzubringen", erklärte Sobotka nach dem ÖVP-Wahlkampfauftakt am Samstag. Zwar müsse man zuerst wissen, wie die Richtlinienkompetenz ausgestattet sei, heute gebe es aber dazu ein klares Commitment von ihm, so der niederösterreichische Spitzenkandidat.
"Nicht mehr Menschen aufnehmen, als wir integrieren können"
Neben einer Schuldenbremse in der Verfassung will Kurz auch eine Bildungspflicht sowie eine Steuersenkung umsetzen. Außerdem sprach er sich erneut für einen Grundkonsens zur Zuwanderung aus: "Wir dürfen nicht mehr Menschen aufnehmen, als wir integrieren können." Schutz für die Sozialsysteme und ein klares Bekenntnis zur EU waren ebenso auf der Wunschliste des ÖVP-Spitzenkandidaten.
Die Menschen hätten keine unbegründeten Ängste, sondern berechtigte Sorgen, die man als Politiker nachvollziehen solle. Er habe eine Bäuerin getroffen, die nicht verstehe, warum sie nach einem Leben körperlich schwere Arbeit mit ihrer Pension kaum über die Runden komme, nicht verstehe, warum ein Flüchtling die volle Mindestsicherung bekommt, so Kurz.
"Vergesst die Umfragen"
Was die Umfragen angeht - in denen Kurz überall auf Platz eins liegt - beschwor er seine Anhänger, nicht an diese zu denken. "Das einzige Ergebnis, das zählt, ist jenes am 15. Oktober." Und: "Wir wollen nicht nur die Wahl gewinnen, sondern auch das Match für Österreich zurück an die Spitze."
Die Menschen hätten das gegenseitige Anpatzen satt: "Viele sind der Meinung, dass sich in Österreich nichts verändern wird, weil sie immer wieder Politiker erleben, die sich drehen wie ein Windrad." Die Österreicher hätten genug davon, dass die Probleme nicht mehr angesprochen würden, so Kurz: "Aber wir haben den Willen zur Veränderung und wir kennen die Herausforderungen, die vor uns liegen."
Häupl über Kurz: "So etwas Dummes noch nie gehört"
Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) reagierte am Samstag erbost auf die Attacken von Kurz. "Was soll das?", fragte er zur Aussage, Menschen in Wien würden wegen der Flüchtlinge wegziehen wollen. Die Bundeshauptstadt sei im Gegenteil sehr begehrt und wachse. "So etwas Dummes habe ich überhaupt noch nie gehört", meinte Häupl daher.
Kurz' Rede in der Wiener Stadthalle sei genau das gewesen, was er erwartet habe, so der SP-Landesparteichef: "Eine Aneinanderreihung von Plattitüden, kaum etwas Inhaltliches." Von jemandem, der Kanzler werden wolle, könne man wohl erwarten, dass er erkläre, wie er 14 oder 15 Milliarden Euro an versprochenen Steuersenkungen hereinbekommen wolle. Dass Kurz auch ihn selbst wegen seines seinerzeitigen Lehrerarbeitszeit-Sagers aufs Korn genommen hatte, nahm Häupl gelassen. "Es ist mir eigentlich wurscht, was ein humorloser Mensch sagt", beschied er.
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