Eigentlich ziehen sie in der Flüchtlingspolitik an einem Strang, doch jetzt gibt es erstmals Spannungen zwischen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Grund ist eine Einigung zwischen Sobotka und seinem italienischen Amtskollegen, wonach Österreich Asylwerber aus Italien übernehmen soll. "Solange die illegale, unkontrollierte Zuwanderung weiter existiert und Österreich derart stark belastet ist, nehmen wir sicher keine zusätzlichen Flüchtlinge aus Italien auf", erteilte Doskozil am Donnerstag dem Plan eine Absage. Das Innenministerium konterte und verwies darauf, dass selbst SPÖ-Kanzler Christian Kern seine Zustimmung für das Umsiedlungsprogramm gegeben hatte.
Das österreichische Innenministerium hatte am Mittwoch Aussagen des italienischen Innenministers Marco Minniti bestätigt, wonach Asylwerber von Italien nach Österreich kommen sollen. Die genaue Zahl sei noch Gegenstand von Diskussionen, aber es werde sich ausschließlich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge handeln, deren Chancen auf einen positiven Bescheid sehr gut stünden.
Flüchtlingsaufnahme im Rahmen des EU-Umverteilungsprogramms
Bei der Einigung handelt es sich laut dem Innenministerium um das EU- Umverteilungsprogramm, das bereits 2015 beschlossen worden war. Damit sollen hauptsächlich Italien und Griechenland entlastet werden. Deutschland hat sich laut Angaben von Minniti verpflichtet, 500 Personen pro Monat aufzunehmen. "Jetzt haben auch Österreich und die Schweiz versprochen, bedeutende Quoten von Migranten aufzunehmen", so Minniti, der am Montag im Rahmen des Flüchtlingsgipfels in Rom seinen österreichischen Amtskollegen getroffen hatte.
Die Einigung kommt doch etwas überraschend, gab Sobotka doch in dieser Woche bekannt, dass mehr Flüchtlinge zur freiwilligen Rückkehr in ihr Heimatland bewegt werden sollen. Die ersten 1000 Freiwilligen sollen demnach mit jeweils 1000 Euro unterstützt werden.
"Österreich bei Asylverfahren doppelt so hoch belastet wie Italien"
Die Einigung mit Italien treibt Doskozil die Zornesröte ins Gesicht: "Ich bin derzeit dagegen, dass wir diesen legalen Weg für Asylwerber öffnen", sagte der SPÖ-Politiker. Man müsse sich die Verhältnisse ansehen: Österreich sei laut Eurostat 2016 mit rund 36.000 Asylverfahren konfrontiert gewesen, Italien mit rund 120.000 - bei der Bevölkerungszahl betrage das Verhältnis zwischen Österreich und Italien 1:7, bei den Asylverfahren dagegen 1:3. "Das zeigt: Österreich ist in weit größerem Ausmaß belastet als Italien, nämlich doppelt so hoch."
Doskozil pocht auf Verfahrenszentren außerhalb Europas
Vielmehr gehe es darum, Verfahrenszentren außerhalb Europas einzurichten, bekräftigte der Verteidigungsminister seine Forderung. Diese Verfahrenszentren würden einen legalen Weg nach Europa eröffnen, allerdings "unter der strikten Voraussetzung, dass es keine illegale Zuwanderung geben darf". Eingerichtet werden sollten derartige Verfahrenszentren in Ländern mit stabilen Verhältnissen, vorstellbar sei beispielsweise die afrikanische Republik Niger, sagte Doskozil. Die Verfahrenszentren außerhalb Europas würden auch Griechenland und Italien entlasten, argumentiert der Minister.
Sobotka: "Auch Kanzler Kern stimmte für Umsiedlungsprogramm"
Sobotka wies Doskozils Kritik zurück. Der entsprechende Beschluss der Innenminister der EU sei 2015, also noch vor seiner Amtszeit, getroffen worden. Beschlüsse seien aber ungeachtet dessen dazu da, sich an diese zu halten. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass auch Kanzler Christian Kern (SPÖ) im Vorjahr im Rahmen des europäischen Rats dreimal für das Programm gestimmt hatte. Ohnehin gehe es bei dem Umsiedlungsprogramm nur um Personen mit sehr hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit, dabei oft um Kinder. Statt sich gegen dieses Programm zu wenden, sollte man lieber alle Anstrengungen gegen illegale Wirtschaftsmigration unternehmen, heißt es aus dem Büro Sobotka.
Für Minniti sei das EU-Umverteilungsprogramm ein wichtiger Schritt zur Stärkung der europäischen Kooperation im Umgang mit der Flüchtlingskrise. "Es geht darum, Egoismen und Abschottung im Namen eines Europa beiseitezulegen, das nie so wie heute infrage gestellt wurde", sagte der Minister. Europa müsse eine konkrete Lösung für die Flüchtlingsproblematik finden, um Populismus und ausländerfeindliche Rechtsbewegungen zu stoppen. "Wir müssen den Elan finden und wieder in die Zukunft blicken", so Minniti.
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