Mehrheit für FPÖ-ÖVP

Nur noch 11 Prozent der Wähler für große Koalition

Österreich
24.10.2016 06:19

Die rot-schwarze Koalition streitet mehr, als sie arbeitet. Diesen Eindruck hat man, wenn man die täglichen gegenseitigen Attacken beobachtet. Die Liste der Streitpunkte ist lang, so mancher Beobachter hält Neuwahlen im kommenden Jahr für realistisch. Vielen Österreichern scheint auch die Lust auf die SPÖ-ÖVP-Regierung vergangen zu sein. Laut dem Nachrichtenmagazin "profil" sprechen sich nur noch elf Prozent der Wähler für eine große Koalition aus. 21 Prozent wünschen sich hingegen eine Regierungszusammenarbeit von ÖVP und FPÖ.

Laut der vom Meinungsforschungsinstitut Unique Research durchgeführten Umfrage für "profil" würden 14 Prozent eine Regierung aus SPÖ, Grünen und NEOS bevorzugen. Elf Prozent sprechen sich für eine Koalition von SPÖ und ÖVP aus, acht Prozent für ein Bündnis von SPÖ und FPÖ. Fünf Prozent bevorzugen eine Regierung aus ÖVP, Grünen und NEOS, 21 Prozent wünschen sich andere Konstellationen. 20 Prozent machten keine Angaben. 500 Menschen wurden zu diesem Thema befragt.

Scharfe Auseinandersetzung während Budgetdebatte
Wie schlecht muss es um die Koalition bestellt sein, wenn nicht einmal in öffentlichen Plenarsitzungen des Nationalrats von Gehässigkeiten abgesehen wird? Zuletzt geschehen bei der Budgetdebatte: Der Auftritt des Finanzministers, normalerweise ein Routinevorgang mit weitgehender koalitionärer Einigkeit, wurde zu einer scharfen politischen Auseinandersetzung zwischen SPÖ und ÖVP um die grundsätzliche Regierungslinie.

(Bild: Unique Research/profil)

Nachdem Minister Hans Jörg Schelling (ÖVP) in der Budgetrede von "keinen neuen Schulden" sprach, vonseiten der Volkspartei auch die ÖBB als Kostentreiber ins Spiel gebracht wurden, entgegnete Bundeskanzler Christian Kern mit einer Textstelle von Elvis Presley: "A little less conversation, a little more action." Sinngemäß übersetzt: Ein bisserl weniger reden, dafür aber ein bisserl mehr tun. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wirkte angesichts der Kanzler-Rede verblüfft: "Bei allem Respekt, Herr Bundeskanzler: Das war keine Darstellung, was das Budget anlangt, sondern eine Standpauke." Dass Mitterlehner in seiner eigenen Partei einen schweren Stand hat und Außenminister Sebastian Kurz seit Monaten als möglicher Nachfolger und Kanzlerkandidat gehandelt wird, vereinfacht die Situation auch nicht unbedingt.

(Bild: APA/GEORG HOCHMUTH, APA/HELMUT FOHRINGER)

Chaos bei Mindestsicherung
Das derzeit am heftigsten diskutierte Thema ist die Reform der Mindestsicherung. Im Großen und Ganzen geht es darum, die Höhe der Mindestsicherung mit maximal 1500 Euro zu deckeln. Zusätzlich gibt es grundsätzliche Fragen - etwa dass es statt direkter Geldzahlungen mehr Sachleistungen gibt. Nachdem es nach wie vor nicht danach aussieht, dass sich Rot und Schwarz auf eine bundesweit einheitlich geregelte Form der Sozialhilfe einigen könnten, hat nun auch Wien Einschränkungen angekündigt. Die Bundeshauptstadt hat die höchsten Ausgaben für die Mindestsicherung. Sozialstadträtin Sonja Wehsely kann sich eine Wartefrist für neu hinzugezogene Menschen vorstellen, bevor diese überhaupt einen Antrag stellen können. Mit diesem Vorstoß hat sich Wehsely wiederum den Ärger von Grünen-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zugezogen, die diesen "Alleingang" ablehnt.

Vizebürgermeisterin Vassilakou gefällt der "Alleingang" von Sozialstadträtin Wehsely gar nicht. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Vizebürgermeisterin Vassilakou gefällt der "Alleingang" von Sozialstadträtin Wehsely gar nicht.

Die Zeit drängt, denn sollte bis Ende des Jahres keine Einigung auf Bundesebene erzielt werden, drohen in den Ländern neun unterschiedliche Regelungen der Sozialhilfe. In Oberösterreich gibt es bereits seit dem Sommer Einschränkungen. In Niederösterreich soll am 17. November eine solche vom Landtag beschlossen werden und mit 1. Jänner in Kraft treten. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hält beide Regelungen für verfassungswidrig.

Sozialminister Stöger hat keine Handhabe gegen das eigenmächtige Vorgehen der Länder. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Sozialminister Stöger hat keine Handhabe gegen das eigenmächtige Vorgehen der Länder.

Wird Asyl-Obergrenze heuer erreicht?
Auch beim Flüchtlingsthema offenbaren sich die Gräben zwischen den Koalitionspartnern. Nach der Einigung über eine gemeinsame Regierungsvorlage zur geplanten Asyl-Notverordnung herrscht nach wie vor Uneinigkeit, wann die Obergrenze von 37.500 Asylanträgen erreicht wird. Während Verteididungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) davon ausgeht, dass diese Zahl heuer nicht mehr erreicht wird, glaubt Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), dass die Notverordnung sehr wohl noch 2016 kommen wird. Unterstützung erhielt Sobotka unlängst von Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl, der in einem Schreiben ans Innenministerium den Erlass der Notverordnung "ausdrücklich" begrüßte.

Wenn es nach Niessl und Sobotka geht, soll die Verordnung bald kommen. Kern möchte abwarten. (Bild: Jürgen Radspieler, APA)
Wenn es nach Niessl und Sobotka geht, soll die Verordnung bald kommen. Kern möchte abwarten.

Rettet Kerns "Startpaket" die Koalition?
Von dem "Startpaket", das die Regierung retten soll, wie es Kanzler Kern vor einigen Wochen noch angekündigt hatte, ist noch nicht vieles ins Trockene gebracht worden. Neben der Mindestsicherung beinhaltet das Paket, das der Regierungschef bis Jahresende abarbeiten will, den Finanzausgleich mit den Bundesländern, das Thema Integration inklusive der Frage nach der entsprechenden Entlohnung für Flüchtlinge (Stichwort 2,50 Euro oder fünf Euro pro Stunde) und die Pensionsreform. Im kommenden Jahr wird es für die Regierung nicht einfacher: Die steigende Inflation und die hohe Arbeitslosigkeit werden zu einem wahren Härtetest für Rot-Schwarz.

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