Während die Bundesregierung nach dem großen Krach vom Dienstag "weitermachen" will (siehe Video oben), orten die Opposition und Insider nun endgültig das Ende der rot-schwarzen Koalition und glauben an baldige Neuwahlen. Und das, obwohl SPÖ und ÖVP am Mittwoch bei Verhandlungen über die geplante Adaptierung des Regierungsprogramms demonstrativ bemüht waren, die Wogen wieder zu glätten.
Allerdings war bei Bundeskanzler Christian Kern die Verstimmung über das Klima in der Koalition zu spüren. Am Rande eines Medientermins in einer Wiener Schule meinte der SPÖ-Chef, dass es "viel Stoff" gebe, den man gemeinsam umsetzen könne. Es gehe ihm auch nicht darum, dass sich die SPÖ durchsetzt, sondern um ein gemeinsames Programm für Österreich, so Kern, der die Zusammenarbeit mit Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner lobte.
Kern "nicht bereit, jeden Umgangston zu akzeptieren"
Kritisch äußerte sich der Kanzler aber erneut zu den Äußerungen von VP-Familienministerin Sophie Karmasin, die Kern vorgeworfen hatte, dieser stelle "Inszenierung vor die Arbeit", weshalb seitens der SPÖ eine vorgezogene Neuwahl "in der Luft liegt". Kern sprach am Mittwoch von einer "Inszenierung" seitens der ÖVP: "Ich bin nicht bereit, jeden Umgangston zu akzeptieren."
Video: Kern kritisiert den Umgangston in der Regierung
Die Lage in der Koalition soll sich inzwischen aber wieder etwas beruhigt haben: Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) meinte am Mittwoch am Rande der Verhandlungen über das Regierungsprogramm auf die Frage, ob es Neuwahlen gebe, knapp: "Nein." Das Gespräch sei "gut wie immer" gelaufen.
FPÖ-Chef Strache fordert rasche Neuwahlen
Ganz anders sieht das naturgemäß die Opposition: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fordert wegen des jüngsten Regierungskrachs rasche Neuwahlen. "Rot und Schwarz belauern sich nur mehr gegenseitig und richten sich über die Medien grobe Unfreundlichkeiten aus", so Strache am Mittwoch in einer Aussendung. Dabei bleibe die Arbeit für Österreich und seine Menschen auf der Strecke. Die Koalition sei "nach zehn Jahren gemeinsamen unverantwortlichen Handelns am Ende angelangt, der einzige echte Neustart wären Neuwahlen".
Grüne sprechen von Arbeitsverweigerung
Die Grünen werfen SPÖ und ÖVP nach den aktuellen Verwerfungen in der Regierung Arbeitsverweigerung vor. "Bei mir löst das hohe Irritation und Kritik aus", sagte Parteichefin Eva Glawischnig am Mittwoch. "Das ist alles nur mehr Inszenierung und Außenarbeit, aber keine Sacharbeit. Das ist auch mein Vorwurf an Christian Kern", so Glawischnig in Richtung des Bundeskanzlers.
"Das Parlament ist de facto lahmgelegt"
Seit der Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember hätte für die Regierung "die Chance bestanden, ernsthaft in einen Arbeitsmodus zu kommen", erklärte die grüne Bundessprecherin. "Das hat man nicht geschafft." Im Gegenteil - von neuer Kultur oder neuem Stil sei "bisher nichts spürbar". Das gelte auch für die Arbeit im Parlament und die Zusammenarbeit mit der Opposition. "Das Parlament ist de facto lahmgelegt", sagte Glawischnig, und für die Plenarsitzungen in der kommenden Woche gebe es so gut wie keine Themen.
NEOS für eine breite Allianz im Parlament
NEOS-Generalsekretär Nikola Donig meinte, der viel gepriesene "Neustart der Regierung" sei schon wieder vorbei, noch bevor er richtig begonnen hat. Aus seiner Sicht gibt es nur noch einen Weg, wie ein Neustart gelingen könne: "Die Koalition muss die Hilfe und Unterstützung der Opposition in Anspruch nehmen und im Parlament eine breite Allianz für die dringendsten Probleme schmieden. Alleine werden SPÖ und ÖVP das nicht mehr schaffen."
Lugar spricht von "unerträglichem Hickhack"
Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar sprach von einem "unerträglichen Hickhack" zwischen SPÖ und ÖVP. "Diese Koalition soll endlich das machen, wofür Kanzler, Vizekanzler und die Minister gutes Geld bekommen: Sie sollen für die Menschen, für das Land arbeiten. Wenn sie das nicht können, müssen sie den Weg für Neuwahlen freimachen", so Lugar. Kern und Mitterlehner sollten überlegen, "Störenfriede in den eigenen Reihen zu entfernen".
Koalition berät über Regierungsprogramm
Die Regierungsspitzen haben am Mittwoch das Gespräch über die Adaptierung des Regierungsprogramms im Bundeskanzleramt aufgenommen. Die SPÖ-Seite ist durch Kanzler Kern, Klubchef Andreas Schieder und Kanzleramtsminister Thomas Drozda vertreten, die ÖVP-Seite durch Vizekanzler Mitterlehner, Finanzminister Schelling sowie Staatssekretär und Regierungskoordinator Harald Mahrer.
In der Runde, die am frühen Nachmittag unterbrochen wurde, habe man sich auf die weitere Vorgangsweise verständigt, hieß es. Die Verhandlung sollen am Abend fortgesetzt werden. Am Donnerstag nach der Angelobung des Bundespräsidenten werde es weitere Verhandlungen geben, dann soll die Sechser-Runde auch mit Fachministern zusammentreffen.
Der Regierungskrach in Zitaten
"Die Freiheitlichen und wir sind die einzigen Parteien, die Veränderungen in Österreich wollen." - Kanzler Kern trifft einen Nerv beim Koalitionspartner ÖVP.
"Man spürt, die Inszenierung steht vor der Sacharbeit. Als Wahlbeobachterin und Meinungsforscherin empfinde ich diese Inszenierung wie einen Vorwahlkampf." - Die ÖVP schickt Familienministerin Karmasin vor, um einen Nerv bei Kern zu treffen.
"Es liegt ein bisschen in der Luft. Ich spüre, dass die SPÖ in diese Richtung arbeitet." - Karmasin ortet in der SPÖ und bei Kanzler Kern Neuwahlgelüste.
"Wir sind willig." - An der ÖVP liegt es laut Vizekanzler und ÖVP-Chef Mitterlehner nicht.
"Das ist schlechter Stil und belastet die Verhandlungen zweifellos." - SPÖ-Regierungskoordinator Drozda antwortet Karmasin.
"Wir müssen Ergebnisse auf den Tisch legen, sonst braucht es diese Regierung nicht mehr." - Auch Kern lässt seinem Ärger freien Lauf.
"Wir brauchen diese Klarheit. Ich bin sehr unzufrieden mit dem, was vorliegt. Unsere Hand ist ausgestreckt, die ÖVP muss entscheiden, ob sie das will." - Und Kern stellt der ÖVP ein Ultimatum bis Freitag.
"Der Kanzler hat die Hand gereicht. Ich schlage ein." - Mitterlehner glaubt weiter an gemeinsame Lösungen.
"Ich hoffe sehr, dass es den beiden gelingt." - Außenminister und ÖVP-Zukunftshoffnung Sebastian Kurz setzt bei der Lösung der Irritationen in der Regierung ganz auf Kern und Mitterlehner.
"Dass wir uns gegenseitig Ultimaten stellen, halte ich für einigermaßen übertrieben." - Mitterlehner plädiert unterdessen für das Arbeiten ...
"Wenn die Koalition Probleme nicht löst, wird man nicht mit der Ansage zum Wähler gehen können, bitte gebt uns eure Stimme, wir lösen das, was wir bis jetzt nicht zustande gebracht haben." - ... und hält wenig von Neuwahlen.
"Ich bin nicht bereit, jeden Umgangston zu akzeptieren." - Kern ist auch nach einer Nacht drüber schlafen noch über die ÖVP verärgert ...
"Noten vergeben zum Glück nur die Lehrer." - ... und will der Koalition derzeit besser keine Noten geben.
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