Alles begann mit einem Vortrag im Gymnasium der Herz-Jesu-Missionare in Salzburg: Atomgegner Thomas Neff hielt vor den Schülern ein Referat zum Thema Radioaktivität: "Dazu hatte ich eine alte Herrenarmbanduhr aus den Sechzigerjahren mitgebracht, bei der das Zifferblatt nachts so schön leuchtet." Neffs Geigerzähler zeigte 1200 Impulse pro Minute - das 20-Fache des Umgebungswertes. "Die Uhr ist verschlossen, da entweicht nichts - kein Problem." Danach ging man in die Mineraliensammlung des Hauses ...
Und dort entdeckte man altes Uraninit-Gestein. Der Geigerzähler "explodierte" förmlich: 102.000 Ausschläge pro Minute - ein extremer Wert. Rechnet man die nicht messbare Alphastrahlung mit ein, dürfte die tatsächliche Strahlenbelastung bei mindestens 250.000 Ausschlägen pro Minute liegen.
"Wir wollten keine Panik erzeugen", so Thomas Neff, "zumal hier, wie übrigens an allen anderen Schulen auch, der Abstand zu den vorhandenen Aufenthaltsplätzen ohnehin weit größer war, als er bei einem dauernden 40-Stunden-Aufenthalt pro Woche notwendig wäre."
Allen Beteiligten war aber auch klar: Dieses Problem ist nicht auf das Herz-Jesu-Gymnasium beschränkt. "Also sind wir zu Landes-Umweltmediziner Gerd Oberfeld gegangen, und der hat das Radiologische Messlabor des Landes mit der Untersuchung beauftragt." Der Experte Peter Machart hat im Rahmen seines Dissertationsprojektes dann die Messung der radioaktiven Gesteinsproben durchgeführt.
"Gesteinsprobe mit 24 Mikrosievert"
"Bei einer Gesteinsprobe hatten wir 24 Mikrosievert", so Neff: " Hätte man diesen Stein 24 Stunden am Tag und auch das ganze Jahr über in der Tasche, bekäme man etwa 210 Millisievert an Belastung ab. Die Strahlenbelastung aus natürlichen Quellen liegt in Österreich aber nur bei 2,8 Millisievert im Jahr", so der Mitstreiter der PLAGE (Plattform gegen Atomgefahren).
38 Uranit-Gesteinsproben in elf Schulen
373 Salzburger Salzburger Schulen wurden daraufhin kontaktiert und auf das Problem aufmerksam gemacht. 336 Schulen (90 Prozent) wurden mittlerweile durchkämmt und in elf von ihnen wurde man fündig: Hier standen insgesamt 38 Stück Uranit-Gestein - auch Pechblenden genannt - in den Schaukästen. Im Bericht des Radiologischen Messlabors heißt es dazu: "Mit Ausnahme einer Schule war den Lehrern das Vorhandensein radioaktiver Gesteinsproben in geologischen Sammlungen nicht einmal bekannt. Das Radioaktivitäts-Screening und die Risikoabschätzung zeigten aber ein grundsätzliches Gefährdungspotential an Salzburger Schulen bei unsachgemäßer Lagerung auf."
Wie kam das "strahlende" Material an die Schulen? "Die meisten Proben stammen aus dem tschechischen Sankt Joachimstal, wo ab dem 19. Jahrhundert Uranerz für die Farben bei der Porzellanmalerei gewonnen wurde", so Thomas Neff: "Im Prinzip aber ist es das gleiche Material, wie man es auch zur Herstellung von Atombomben verwendet."
Alle radioaktiven Gesteinsproben befinden sich zurzeit im Radiologischen Labor an der NAWI. Mit einer Ausnahme: Im Biologie-Raum am Bundesrealgymnasium an der Akademiestraße darf das schwach radioaktive, uralte Fischfossil weiterhin in der versperrten Vitrine gezeigt werden.
Jetzt österreichweite Suche
Thomas Neff hat seit der Explosion des Atomreaktors von Tschernobyl im Jahr 1986 rund 10.000 Messungen mit dem Geigerzähler im ganzen Land gemacht. Eine Gefährdung durch die radioaktiven, uranhältigen Steine bestand jedoch nicht: Der Stellenwert der Geologie im Lehrplan für Biologie und Umweltkunde ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen, was dazu führte, dass Schüler wie Lehrer derartige Sammlerstücke nur noch äußerst selten in die Hand bekamen. Dennoch will man nun österreichweit in Schulen auf die Suche gehen.
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