Ein Gastronom packt aus, und eine ganze Branche applaudiert. Mit Conny Bischofberger sprach "Wutwirt" Günter Hager ("Fucking Gastro") über Schikanen, Selbstmorde und die letzten Dinosaurier.
Seine Augen können zornig funkeln, seine Hände fuchteln, wenn er vom "täglichen Wahnsinn" in der Gastronomie spricht. Der Linzer Gastronom Günter Hager, seit 45 Jahren im Geschäft, hat über die Hintergründe des Wirtesterbens in Österreich jetzt auch ein Buch geschrieben. Derber Titel: "Fucking Gastro". "Ein Kraftausdruck, der meine Wut über die Zustände am besten auf den Punkt bringt", stellt der streitbare Gastronom klar, "oder hätte ich etwa "Anekdoten aus der liebenswertesten Branche der Welt" drüberschreiben sollen?"
Symbolischer Treffpunkt für das "Krone"-Interview: Der urige "Bamkraxler" in der Wiener Kahlenberger Straße, dessen Betreiber Sabine und Daniel Vozicky Mitte Oktober - wie viele Wirte, nicht nur in Wien - entnervt das Handtuch geworfen haben. Die letzte Chance, das legendäre Gulasch des Edelheurigen zu kosten. "Unsere Henkersmahlzeit", grinst der 61-Jährige und nimmt einen Schluck vom Salzburger Augustinerbier. An seiner Seite: Kommerzialrat Peter Dobcak von der Wiener Wirtschaftskammer. Der Obmann der Fachgruppe Gastronomie will in den kommenden Monaten Lesungen des Wutwirtes organisieren und so die Branche mobilisieren.
"Krone": Herr Hager, Wirte leben ja davon, zu ihren Gästen freundlich und höflich zu sein. Warum sind Sie jetzt ausgezuckt?
Günter Hager: Sie sagen es: Der Job der Wirte sollte es eigentlich sein, sich um das Wohl ihrer Gäste zu kümmern. Aber mit jeder neuen Verordnung, mit jeder zusätzlichen Auflage, mit jeder neuen Schikane tritt diese Aufgabe noch mehr in den Hintergrund. Die Wirte kämpfen mittlerweile ums nackte Überleben, da musste ich ein Zeichen setzen.
Sprechen Sie von Registrierkassen, Rauchverbot und Allergenverordnung?
Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Gegen Registrierkassen hab' ich gar nichts, außer dass viele kleine Wirte - Mama, Papa, Kind - sich die Umrüstung nicht leisten können. Das Rauchverbot bedauere ich. Wir hatten 25 Jahre lang einen Zigarrenclub, den ich jetzt verliere - und damit auch die Zigarrenraucher, diese liebenswürdigen, relaxten Gäste. Bei den Allergenen, die übrigens keinen Gast interessieren, habe ich von Strafen bis zu 20.000 Euro gehört. Aber wie gesagt, die gesamte Bürokratie ist mittlerweile der absolute Wahnsinn. Ich habe ausgerechnet, dass man bei der neuen Schanigarten-Verordnung in Wien 1350 Kaffees à 4,50 Euro mehr verkaufen müsste, damit was übrig bleibt. Es ist die Summe der Zustände. Die permanenten Kontrollen. Wenn ich einen Sessel zufällig so stehen habe, dass der Fluchtweg versperrt ist, zahle ich schon. Meine Putzfrau hat einmal die Tür zwischen Raucher- und Nichtraucherbereich um vier Uhr morgens einen Spalt offen gelassen. Schon wieder habe ich gezahlt. Und dann sind noch private Rauchersheriffs und Hobbypolizisten unterwegs.
Ruiniert der Staat seine Wirte?
Ja, das tut er. Mir bleibt zum Beispiel unterm Strich bei einem Umsatz von knapp vier Millionen Euro gerade mal 1,4 Prozent übrig. Mich wird es nicht mehr umbringen, denn ich gehe in vier Jahren in Pension. Aber meinem Sohn, der in unserem Betrieb mitarbeitet, müsste ich eigentlich raten: "Lass die Finger davon!" Da ist diese permanente Angst, der wahnsinnige Druck, genug Geschäft zu machen, dass es sich am Ende ausgeht. Denn auch die Auflagen für Kredite werden immer strenger.
Bekommt man noch Personal für die Gastronomie?
Es gibt 450.000 Arbeitslose in Österreich, aber wir kriegen praktisch keine Leute. Von 43 Bewerbungen über das AMS kommen im Durchschnitt gerade einmal 17 zum Vorstellungsgespräch. Ich würde denen an diesem Tag keine Arbeitslose zahlen, denn das sind unsere Steuern!
Der Grund ist doch auch, dass man in der Gastronomie hart arbeiten muss für ein relativ bescheidenes Gehalt.
Ich würde meinen Mitarbeitern gerne mehr zahlen, wenn mir vom Gewinn etwas übrig bleiben würde. Ich denke, das gilt für die meisten Wirte, die brav ihre Steuern und Abgaben zahlen. Wenn du dich an die gesetzliche Arbeitszeit hältst, dann kannst du gleich zusperren. Unsere Arbeitszeiten richten sich nach dem Wetter, nach Saison, nach einer Hochzeit oder einer Taufe. Da werden es halt einmal mehr Stunden. Aber das ist eigentlich verboten! Jeder Mitarbeiter muss nach vier Stunden eine Pause machen, geht sich das nicht aus, kann er dich anzeigen. So bist du den Mitarbeitern permanent ausgeliefert. Die spielen mit dieser Waffe und liefern dich ans Messer, wenn ihnen etwas nicht passt. Und in den Sozialen Medien machen dich die Gäste beim kleinsten Fehler fertig.
Worüber sind Sie am meisten enttäuscht?
Wirte sollten eigentlich die Speerspitze der Mittelbetriebe sein, der Kern des Wirtschaftswunders Österreich. Stattdessen stehst du als Wirt mit einem Fuß immer im Gefängnis, es wird uns ja auf Punkt und Beistrich alles vorgeschrieben. Da gibt es Null Vertrauen!. Und auch keine Wertschätzung für unsere gesellschaftspolitische Funktion. Wirtshäuser sind gerade für alte Menschen sehr oft der einzige Ort, an dem sie soziale Kontakte pflegen können. Ich sage immer: Die Leut' wollen eine Hand spüren! Das müsste eigentlich einen hohen Wert haben. Hat es aber nicht. Während eine jahrhundertealte Kultur ausstirbt wie die Dinosaurier, werden Fastfood-Ketten, diese weltumspannend agierenden Fressfabriken, und die sogenannte Event-Gastronomie hofiert.
Fühlen Sie sich von der ÖVP im Stich gelassen?
Zu 100 Prozent. Mein Vater war immer ein "Schwarzer", auch ich habe lange auf die ÖVP gesetzt. Das Rauchergesetz war Reinhold Mitterlehner aber offenbar so wichtig, dass er es sofort durchsetzen musste. Wir waren einmal in Wien beim Wirtschaftsminister, sieben Gastro-Rebellen, und haben ihm unsere Meinung gesagt. Nicht überraschend verspricht jetzt die FPÖ: "Wenn ihr uns wählt, dann dürft ihr wieder rauchen." Aber abseits der Parteipolitik müsste man mit den vielen Ungerechtigkeiten einmal aufräumen.
Warum haben Sie trotzdem nie aufgegeben?
Weil ich immer eine wahnsinnige - im wahrsten Sinn des Wortes - Begeisterung für diesen Beruf verspürt habe. Wenn man seinen Beruf nicht gerne hat, drückt man das nicht durch.
Sie singen hier das Todeslied einer Branche, aber was müsste passieren, damit sich etwas ändert?
Apropos Todeslied: In den letzten drei Monaten gab es drei Selbstmorde von Wirten in Oberösterreich. Natürlich kann man nicht sagen, dass die Politik daran schuld ist. Aber wenn ich als Chef meine Mitarbeiter so hetze, dass sie Burnout bekommen, dann trage ich eine Mitschuld. Was passieren müsste? (er denkt nach und nennt dann drei Punkte) Erstens: Die Regierung soll Klein- und Mittelbetriebe - nicht nur Wirte - nicht mehr länger quälen. Zweitens: Sie soll Bedingungen schaffen, unter denen Wirte noch was verdienen können. Drittens: Sie soll die Gasthäuser als Kulturgut anerkennen und auch so behandeln!
Wird Ihr Buch, das ziemlich schonungslos Missstände aufzeigt, etwas ändern?
Mein Vater hat immer gesagt: "Bua, sei grod und ehrlich!" Das bin ich in diesem Buch. Ich habe im Urlaub einfach alles niedergeschrieben, was mir auf dem Herzen gelegen ist. Ob es was ändern wird, gute Frage. Vom Dalai Lama, den ich sehr verehre, stammt der Satz: "Falls du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, dann versuche einmal zu schlafen, wenn eine Mücke im Raum ist." Ich will dieser lästige Moskito sein.
Zur Person:
Geboren am 29. August 1955 in Wels, aufgewachsen im Almtal in Oberösterreich. Seit 1981 ist Hager Wirt; einer der ersten Haubenköche Österreichs. Zehn Jahre führte er das "Allegro" in Linz, seit 1997 ist er Chef des Stadtbräu "Josef". Der streitbare Gastronom gründete auch zwei Waisenhäuser und ein Altersheim für Bergnomaden in Tibet. Verheiratet mit der Bankerin Monika. Das Paar hat einen 34-jährigen Sohn (Michael) und drei Enkelkinder.
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