Die ÖVP eröffnet am Sonntagabend mit ihrem Parteivorstand die entscheidenden Tage der Regierung. Personelle Fragen stehen nicht an, es geht um die inhaltliche Abstimmung und die Arbeitslinie für dieses Jahr. Hinter den Kulissen werden aber wohl auch die ständigen Zwischenrufer zurückgepfiffen.
Um 18 Uhr trifft sich der ÖVP-Vorstand in der Politischen Akademie in Wien-Penzing. "Wir wollen die Regierungsarbeit forcieren, uns aber auch klar von allen anderen Parteien abgrenzen", so Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der nun wieder deutlich fester im Sattel sitzt als noch in den vergangenen Monaten. Die einst angedachte Regierungsumbildung - als Ablösekandidaten gelten immer wieder Familienministerin Sophie Karmasin, Umweltminister Andrä Rupprechter und Justizminister Wolfgang Brandstetter - findet nicht statt.
Weitere Personaldebatten derzeit unerwünscht
Sehr wohl dürfte es aber eine saftige Ermahnung an alle internen Ratgeber, die nun die Personaldebatte wieder von Neuem anheizen, geben. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl forderte eine Aussprache zwischen Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz. "In Wahrheit wünschen sich das viele von uns", so Leitl. Auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter meldete sich mit einem guten Tipp zu Wort: Sein Rat sei, dass Mitterlehner und Kurz einen gemeinsamen Weg gehen. "Kein Kommentar", verlautet es dazu aus dem Vizekanzlerbüro. Und Minister Kurz meint: "Ich verstehe diese Diskussion nicht, es stehen keine Wahlen an."
Wirtschaft, Arbeitsplätze und Sicherheit im Fokus der ÖVP
Inhaltlich lauten die großen Schlagwörter beim ÖVP-Vorstand: Wirtschaft, Arbeitsplätze und Sicherheit. Die Schwarzen drängen auf flexiblere Arbeitszeiten und auf die Abschaffung der kalten Progression, also die Anpassung der Tarifstufen an die Inflation. Bei beiden Punkten gibt es tatsächlich recht große Chancen, dass die Regierung zu einer Einigung findet. Mitterlehner pocht außerdem auf eine Senkung der Körperschaftssteuer.
Kommenden Mittwoch wird dann Bundeskanzler Christian Kern seine generellen Ideen und Steuerideen im Besonderen vorstellen. "Wir werden etwas vorlegen, womit man arbeiten kann, auch mit der ÖVP", heißt es aus dem Kanzleramt.
Kommentar: Schwarzer Ärger und roter Spagat
Die Polit-Ferien sind vorbei, mit Vorstandssitzungen, Klausuren und großen Reden erscheint die Regierung wieder auf der öffentlichen Bildfläche. Und stellt dabei die Weichen für die Zukunft - die eigene, aber auch die des Landes.
Die ÖVP startet mit eher schlechter Stimmung in diese Schicksalstage. Grund dafür sind Einflüsterer und Ratgeber aus den eigenen Reihen, die der Parteispitze ausrichten, was diese zu tun habe. Eine offizielle Rüge für Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl und Tirols Landeshauptmann Günther Platter, die Parteichef Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz zu einer Aussprache bzw. einem gemeinsamen Marschieren auffordern, gibt es zwar nicht - aber hinter den Kulissen ist der Ärger groß. Ein ÖVP-Insider und Vertrauter der schwarzen Zukunftshoffnung Kurz sagt: "Kurz wird die Partei mit diesen Strukturen, die sie unführbar machen, sowieso nicht übernehmen."
Auch die SPÖ hat unliebsame Gute-Tipps-Geber. Bundeskanzler Christian Kern hat sie ignoriert und sich auf die Vorbereitung seiner Grundsatz-Rede am kommenden Mittwoch in Wels konzentriert. Dabei wird ihm ein heikler Spagat gelingen müssen - zwischen Schärfung des eigenen Profils und Motivierung der roten Basis auf der einen Seite und einem annehmbaren Angebot an den Regierungspartner. Es wird sich rasch zeigen, ob die Regierung ihre letzte Chance nutzt.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung
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