80 Fanatiker im Land

Terror-Razzien: Tür an Tür mit IS-Predigern

Österreich
27.01.2017 16:58

Tag eins nach der Islamisten-Großrazzia in Wien und Graz mit 14 Festnahmen: Die "Krone" sprach mit geschockten Nachbarn an Zugriffsorten, beleuchtet die Rolle der festgenommenen Frauen und befragte einen Terror-Experten der Uni Wien zur aktuellen Gefahrenlage. Am Wochenende stehen die Haftverhandlungen für die Verdächtigen an.

Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, dafür strahlender Sonnenschein am Freitagmorgen in Wien-Ottakring. In der Hasnerstraße erinnerte nichts daran, was sich dort am Donnerstag gegen 5.30 Uhr abgespielt hatte: Wie berichtet, standen 800 zum Teil schwer bewaffnete Beamte in Wien und Graz im Einsatz. In dem Gemeindebau hier in Ottakring klickten für einen hauptverdächtigen Hass-Prediger die Handschellen. Eine Wohnung in dem Gemeindebau soll als Dreh- und Angelpunkt für die Verbreitung von IS-Gedankengut gedient haben.

800 Einsatzkräfte rückten zum Anti-Terror-Einsatz in Wien und Graz aus. (Bild: thinkstockphotos.de, Elmar Gubisch)
800 Einsatzkräfte rückten zum Anti-Terror-Einsatz in Wien und Graz aus.

"Müssen mit solchen Sachen wohl leben"
"Die Entwicklung ist beängstigend, vor allem wenn es sich vor der eigenen Haustüre mit solchen Razzien abspielt", sagte Helga K. zur "Krone" - die Wienerin betreibt eine kleine Stickerei unmittelbar gegenüber des Gemeindebaus. Sie ist vor einem Jahr von der Thaliastraße hierher übersiedelt.

Helga K.: "Die Entwicklung ist beängstigend." (Bild: Andi Schiel)
Helga K.: "Die Entwicklung ist beängstigend."

Auch Harald S., dem Mitbetreiber des Wirtshauses "Zum Waldviertler" nebenan, geht die Anti-Terror-Razzia nahe. Er bereitete sich beim "Krone"-Besuch gerade auf das Mittagsgeschäft vor, füllte den Getränkebestand auf. Als Mittagsmenü kredenzte der erfahrene Gastronom seinen vielen Stammgästen aus dem Grätzl einen gebratenen Pangasius mit Kartoffelsalat oder Topfenpalatschinken in Vanillesauce. Er zuckte nur kurz mit den Schultern, meinte dann fast schon ein wenig resignierend zur Razzia: "Wie es zurzeit aussieht, müssen wir mit solchen Sachen leider Gottes in Zukunft wohl leben."

Wirt Harald S. kann nicht glauben, was sich des Nachts abgespielt hat. (Bild: Andi Schiel)
Wirt Harald S. kann nicht glauben, was sich des Nachts abgespielt hat.

Experte: "Bedrohung hat sich enorm erhöht"
Ist Österreich nach den aktuellsten Festnahmen von 14 Verdächtigen im Rahmen der Anti-Terror-Razzia gegen IS-Prediger samt Umfeld in Graz und Wien nun sicherer geworden? Dazu hat die "Krone" die Meinung eines Terrorismus-Experte von der Uni Wien eingeholt.

Nicolaus Stockhammer (Bild: Photo Simonis)
Nicolaus Stockhammer

Nicolaus Stockhammer: Bedingt sicherer, würde ich sagen. Aber die Terrorismus-Bekämpfung ist nunmal eine Stückwerk-Technik. Fakt ist, dass sich das Bedrohungspotenzial enorm erhöht hat. Die Rolle als langjähriger dschihadistischer Rückzugsort dürfte vorbei sein. Zudem strahlt Österreich aktuell mit dem OSZE-Vorsitz internationale, politische Aufmerksamkeit aus. Als Deutschland im Vorjahr diese Position innen hatte, kam es in Ansbach, Würzburg und Berlin zu drei Anschlägen.

Es wurden nun auch Frauen inhaftiert. Welche Rolle spielen sie?
Meist eine unterstützende Rolle, auch als Rekrutiererinnen.

Wie viele Mitglieder umfasst die IS-Szene in Österreich grob?
50 bis 80 brenngefährliche Fanatiker und rund 500 Unterstützer, würde ich meinen.

Wollten Gottestaat in Österreich errichten
Am Freitag waren die 14 Verdächtigen noch in Anhaltezentren - vier in Wien, zehn in Graz. Bis Samstagfrüh dürften sie in die jeweiligen Justizanstalten eingeliefert werden, schilderte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz den Ablauf. Gegen die Festgenommenen wird nicht nur wegen des Verdachts der terroristischen Vereinigung ermittelt, sondern auch wegen staatsfeindlicher Verbindung. Sie hatten offenbar den Plan, in Österreich einen Gottesstaat zu errichten.

Matthias Lassnig, Klaus Loibnegger und Florian Hitz, Kronen Zeitung

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