Insgesamt elf Männer und drei Frauen - fast alle stammen aus Ex-Jugoslawien - sind bei Anti-Terror-Razzien am Donnerstag in Wien und Graz festgenommen worden: Damit dürfte die vom zu 20 Jahren Haft verurteilten Hassprediger und IS-Rekrutierer Mirsad O. aufgebaute Terrorzelle endgültig zerschlagen worden sein. Bei einer Pressekonferenz am Abend ließ Justizsektionschef Christian Pilnacek dann mit einem brisanten Ermittlungsstand aufhorchen: Die Festgenommen planten möglicherweise einen Gottesstaat in Österreich.
Es werde nun nicht nur wegen Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung, sondern auch wegen Zugehörigkeit zu einer staatsfeindlichen Verbindung ermittelt, so Pilnacek in der Pressekonferenz mit Innenminister Wolfgang Sobotka.
Die Festnahmen erfolgten nicht, weil unmittelbar ein Terroranschlag vermutet wurde, betonte der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler. Details über sichergestellte Gegenstände werden aus Ermittlungsgründen noch nicht verraten. Es war nur zu erfahren, dass zahlreiche elektronische Geräte und 140 Datenträger sichergestellt wurden. Unter den Festgenommenen sind auch zwei bis drei salafistische Prediger, sagte Kogler.
Sobotka spricht von "vollem Erfolg"
Sobotka lobte - ebenso wie Pilnacek - die "hervorragende" Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz. Damit sei ein "voller Erfolg" in der Verhinderung von Straftaten gelungen. Für den Innenminister zeigte diese Aktion, dass ein "zeitgemäßer Rechtsrahmen" mit ausreichend Instrumenten für die Polizei nötig ist. Er sprach damit das "Sicherheitspaket" mit den bekannten ÖVP-Forderungen nach Fußfesseln für Gefährder, mehr Videoüberwachung oder einer Nachfolgeregelung für die Vorratsdatenspeicherung an - und verließ die Pressekonferenz noch vor Schluss für eine Verhandlungsrunde darüber im Zuge der laufenden Gespräche zum Update des Regierungsprogrammes.
Video: Die Pressekonferenz von Innenminister Sobotka
800 Beamte bei Zugriffen im Einsatz
Die Aktion, an der rund 800 Beamte, beteiligt waren, war von langer Hand geplant und gezielt auf das Umfeld von Mirsad O. ausgelegt. Der Bosnier sitzt derzeit in der Justizanstalt Graz-Jakomini seine Haftstrafe ab.
Am Donnerstag in den frühen Morgenstunden stürmten aufgrund von mehreren aufrechten Haftbefehlen gegen Sympathisanten der IS-Terrorbande Spezialkräfte in Wien und Graz insgesamt zwölf Wohnungen sowie zwei Hinterhof-Moscheen.
"Unheimlich, dass das gleich neben uns passiert"
Zahlreiche Grazer rund um die Bezirke Lend und Eggenberg wurden aus dem Schlaf gerissen, einige berichten von einem lauten Knall (laut Zeugenaussagen wurde die Tür zu einer Moschee gesprengt), andere von etlichen Polizeiautos und schwer bewaffneten Polizisten im Dunkel der Nacht. "Gegen 5.30 Uhr sind viele Polizeiautos zu uns in die Siedlung gekommen. Ein Pärchen, sie war voll vermummt, er mit Vollbart, wurde abgeführt", erzählt Ernst T. aus Graz-Eggenberg, "unheimlich, dass das gleich neben uns passiert."
Verdächtige Substanzen bei 25-Jährigem gefunden
Szenenwechsel: Praktisch zeitgleich stürmten Anti-Terror-Einheiten vier Wohnungen in der Bundeshauptstadt, darunter ein betreutes Wohnheim für wohnungslose Menschen in Floridsdorf. Dort soll einer der Verdächtigen schon länger eine Bleibe gefunden haben. Bei dem Mann soll es sich um einen 25-Jährigen handeln, dessen Zimmer schon vor zwei Monaten durchsucht worden war. Der junge Mann soll streng religiös sein und regelmäßig eine überwachte Moschee besucht haben. Laut Bewohner habe der 25-Jährige sehr zurückgezogen gelebt.
Bei der Durchsuchung seines Zimmers sollen verschiedene Flaschen mit flüssigen und pulverförmigen Substanzen sichergestellt worden sein. Eine davon soll sogar ein metallisches Pulver enthalten. Der Verdächtige soll behauptet haben, es handle sich hier um ein medizinisches Produkt. Das Innenministerium hält sich diesbezüglich aber bedeckt.
"Tür wurde eingeschlagen und Mann abgeführt"
Dafür berichtet ein Nachbar gegenüber der "Krone" über die Geschehnisse von vergangener Nacht: "Ich habe gehört, wie die Polizei gegen die Tür geschlagen hat. Nachdem niemand geöffnet hat, wurde die Tür eingeschlagen und der Mann abgeführt", so Wolfgang F.
Der Hauptverdächtige der gesamten Aktion wurde übrigens in einem Gemeindebau in Wien-Ottakring gefasst - wie auch sein großes Vorbild Abu Tejma alias Mirsad O. Der lebte mit seiner Frau und sechs Kindern bis zur Festnahme in Wien-Donaustadt. Von Sozialhilfe.
Kronen Zeitung/krone.at
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.