Viele Einheimische gibt es nicht mehr unter Innsbrucks Obdachlosen. Albert B. ist einer von ihnen. Seit er delogiert wurde, lebt er auf der Straße. Der "Krone" schildert er seine Schicksalsschläge, seine Erfahrungen in Obdachlosenheimen und was er vom angedachten Nächtigungsverbot in der Altstadt hält.
10 Uhr Vormittag, Maria-Theresien-Straße: Inmitten der Touristenmassen hat Ali auf einer Bank Platz genommen. Diese hat die Stadt als konsumfreie Zone aufgestellt. Überall sonst sind Gastgärten und Cafés, und die kann sich ein Obdachloser sowieso nicht leisten. Vor ihm steht ein Koffer. Sein ganzes Hab und Gut ist darin verpackt. Einen Großteil des Platzes nimmt ein Schlafsack ein. Der ist überlebensnotwendig für Ali, seit ihn die Stadt aus der Wohnung geworfen hat. Delogiert - und auf drei Jahre gesperrt.
Wegen unleidlichen Verhaltens delogiert
Delogierung wegen unleidlichen Verhaltens, so die offizielle Begründung. Das Verfahren ist durch, damit ist er gleichzeitig für drei Jahre von der Wohnungsvergabe ausgeschlossen. "Brutal ist das", findet Ali. Er erzählt seine Version der Geschichte: "Wegen eines längeren Klinikaufenthaltes - ich musste wegen einer Entzündung am Bein operiert werden - konnte ich mich nicht um die Bezahlung der Miete kümmern", sagt er. Dass ihn die Stadt rausgeworfen habe, sei unfair. "Und niemand kümmert sich darum. Im Rathaus erfahre ich nur Ablehnung. Es ist zum Verzweifeln", sagt er mit Tränen in den Augen. "Ich hätt so gern a Dahaom. Ich bin ja schon seit zwölf Jahren hier in Innsbruck."
99 Prozent Ausländer in Obdachlosenheimen
Ein Obdachlosenheim sei keine Option. "Dort leben zu 99 Prozent Ausländer. Da wird gesoffen und gerauft, das ist nichts für mich. Da leb ich lieber auf der Straße, schlafe unter freiem Himmel." Ali ist also einer von jenen, wegen denen die Stadt ein Nächtigungsverbot in der Altstadt erlassen wollte. "Das wäre ja ein schöner Blödsinn. Mich haben Geschäftsinhaber schon gefragt, ob ich bitte vor ihrem Fenster liegen könnte. Dann wird dort nicht so leicht eingebrochen!"
Dass der Österreicher Ali, geboren 1959 in Salzburg und jahrelang beschäftigt in den verschiedensten Berufen - er war Metzger, Tischler, bei einem Containerdienst, Gipsplattenverleger, Abwäscher etc. - noch immer keine Wohnung hat, ist eigentlich unverständlich. Wohnungsstadtrat Andreas Wanker sagt dazu: "Es gab zwingende Gründe für die Delogierung, die andernfalls gar nicht möglich gewesen wäre. Nun ist eine Sperre von drei Jahren aufrecht. Ich werde aber den Wohnungsausschuss mit dem Fall befassen. Dieser tagt im Herbst das nächste Mal."
Für Ali bleibt zu hoffen, dass sich die Stadt für eine Kulanzlösung erwärmt. "Eine Wohnung ist mein sehnlichster Wunsch. Ich brauche endlich für mich ein Dahoam!"
Philipp Neuner, Kronen Zeitung
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