Geht nun auch Bundeskanzler Christian Kern vor der Türkei in die Knie? Beim EU-Gipfeltreffen in Pressburg ist er laut eines Medienberichts nämlich von seiner Forderung abgerückt, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. "Es ist jetzt nicht die beste Zeit, um einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen zu verlangen", sagte Kern der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zufolge, die sich auf übereinstimmende Angaben aus Teilnehmerkreisen berief. Kern habe demnach im Kreis der europäischen Kollegen einen "realistischen" Umgang mit Ankara angemahnt - das entspreche dem Konsens der Regierungschefs.
Zudem habe sich Kern ausdrücklich dafür ausgesprochen, das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu erfüllen. Damit habe Kern Äußerungen von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) kassiert, der eine einseitige Kündigung des Pakts durch die Europäer ins Gespräch gebracht hatte.
Von sozialdemokratischen Regierungschefs unter Druck gesetzt?
Angeblich sei Kern vonseiten der sozialdemokratischen Partei- und Regierungschefs unter Druck gesetzt worden, seine Position zu ändern. Anfang August hatte Kern im österreichischen Fernsehen noch angekündigt, er werde in Bratislava "den Abbruch der Beitrittsverhandlungen" mit der Türkei "zur Diskussion stellen und ein alternatives Konzept verlangen". Auch wenn es weiterhin enge Beziehungen zu Türkei brauche, sei ein eventueller Beitritt zur Union lediglich eine "diplomatische Fiktion", sagte Kern damals.
Aus anderen EU-Staaten gab es großen Widerspruch, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bezeichnete einen möglichen Abbruch als "schwerwiegenden außenpolitischen Fehler". Kern räumte am Freitag ein, dass die Gespräche wohl fortgesetzt werden.
Kanzleramt bestreitet Medienbericht
Das Kanzleramt bestreitet den aktuellen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", wonach Kern im Kreise seiner EU-Amtskollegen bei seiner Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei eine Kehrtwende vollzogen hätte. Kern halte an der Forderung nach einem Abbruch fest, sagte seine Sprecherin Susannika Glötzl der am Samstag. Ihr zufolge habe es auch keinerlei Druck von EU-Parteikollegen zu einer Kehrtwende gegeben.
Am Freitagabend sagte Kern in der "ZiB2", dass er von einer Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgehe. "Sie werden wohl fortgesetzt werden", so Kern in einer Liveschaltung vom EU-Gipfel in Pressburg. Dass andere EU-Staaten keinen Abbruch wollten, erklärte der SPÖ-Chef mit "großen Sorgen, dass die Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei nicht hält". "In der Analyse" erfahre die österreichische Position zu den Türkei-Beitrittsverhandlungen durchaus Zustimmung, sagte Kern mit Blick auf die wirtschaftliche und demokratische Entwicklung des Kandidatenlandes. "Ich bin ganz fest überzeugt, dass die Türkei, so wie sie dasteht, nicht der EU beitreten wird."
Unter dem Flüchtlingsabkommen nimmt die Türkei seit April auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtlinge zurück. Dabei wurde ein besonderer Mechanismus für die Schutzsuchenden aus Syrien vereinbart: Für jeden zurückgeführten Syrer sollen die EU-Staaten einen syrischen Flüchtling aus der Türkei aufnehmen. Seither ist die Zahl der Flüchtlinge, die über das Meer in Griechenland ankommen, stark gesunken.
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