Der permanente Krach in der Koalition hat einen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Mit einer heftigen SPÖ-Angriffsserie wurde am Dienstag Außenminister Sebastian Kurz der Urheberschaft der jüngsten Turbulenzen sowohl in der Regierung als auch in seiner ÖVP bezichtigt. Kurz erklärte dazu lediglich, dass er sich "an diesem Theater" nicht beteilige. Nach Gerüchten über einen möglichen Rücktritt von VP-Obmann Reinhold Mitterlehner und auf die Frage, ob er die Partei jetzt übernehmen wolle, erwiderte Kurz, dass er nicht glaube, "dass der Job des ÖVP-Chefs so attraktiv ist".
Am Montag hatten Gerüchte über einen möglichen Rücktritt von Mitterlehner die Runde gemacht und in der Volkspartei für heftige interne Aufregung gesorgt. In der ÖVP ortet man den Ursprung dieser Gerüchte inzwischen in einer Wiener SPÖ-Sektion mit guten Verbindungen ins Bundeskanzleramt. Die SPÖ bestreitet das, Infrastrukturminister Jörg Leichtfried bezeichnete den Vorwurf als "absolut abstrus".
Kurz erklärte am Dienstag im ORF-Radio, er habe von keinen Rücktrittsdrohungen Mitterlehners gehört. Für den Außenminister stelle sich daher die Frage der Übernahme der ÖVP-Spitze derzeit nicht: "Reinhold Mitterlehner ist der Parteiobmann. Er hat meine Unterstützung." Auf die Frage, ob er die ÖVP in ihrem derzeitigen Zustand überhaupt übernehmen wolle, meinte der Minister: "Ich glaube nicht, dass das so attraktiv ist, den Job des ÖVP-Obmanns anzustreben."
"In diesem Zustand übernehme ich die Partei nicht"
"Presse" und "Kurier" berichteten am Dienstag in ihren Online-Ausgaben, dass Kurz bereits am Montagabend Landesparteiobleute und Bünde-Chefs darüber informiert habe, derzeit nicht für das Amt des Parteichefs zur Verfügung zu stehen. "In diesem Zustand übernehme ich die Partei nicht", soll seine abendliche Telefon-Botschaft gelautet haben.
Mitterlehner erklärte nach dem Ministerrat am Dienstag, Gerüchte über seine mögliche Ablöse als Parteichef seien lediglich Gerüchte - "Fakten und Wahrheit sind was anderes". Und er stellte klar: "Ich bin Parteichef", und als solcher sei er jedenfalls für vier Jahre gewählt und werde selbst entscheiden, ob er danach noch einmal antritt.
Angesichts der ganzen Aufregung kamen auch Ordnungsrufe aus den ÖVP-Bundesländern: So forderte etwa Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer von seiner Bundespartei "Beruhigung" und ordentliche Regierungsarbeit. Zugleich betonte er aber auch, dass er keine Angst vor Neuwahlen habe: "Wir haben ein attraktives Angebot bei der Spitzenkandidatur und eine funktionierende Parteistruktur."
Unmut über Sobotka als Störenfried wächst
Daran allerdings lässt sich zweifeln. Vor allem Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sorgt mit seinen ständigen Querschüssen für gehörigen Unmut nicht nur beim Koalitionspartner SPÖ, sondern auch in den eigenen Reihen. So bezeichnete Mitterlehner Sobotkas scharfe Kritik an Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern als "nicht hilfreich" und "nicht zweckdienlich". Daraufhin gelobte Sobotka in einer Aussendung am Dienstagnachmittag: "Ich will meine Wortwahl künftig verbessern."
Ob das die Gemüter innerhalb der ÖVP und der Regierung beruhigen kann, ist jedoch fraglich. So erfuhr die "Krone", dass Kern und Mitterlehner bereits über die Entlassung von Sobotka aus der Regierung beraten haben sollen. Diese Überlegungen sollen schon so weit fortgeschritten gewesen sein, dass darüber auch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen gesprochen worden sein soll. Aus der Hofburg hieß es dazu lediglich: "Vertraulich stattfindende Gespräche werden von uns nicht kommentiert."
Van der Bellen: "Schadet dem Ansehen der Politik"
Van der Bellen rief die Regierung angesichts der ständigen Streitereien jedenfalls zur Sachlichkeit auf. "Sich wechselseitig Unfreundlichkeiten über die Medien auszurichten, wie das in diesen Tagen wieder besonders auffällig zu beobachten ist, das schadet dem Ansehen der Politik und bringt uns den Lösungen nicht näher und unser Land nicht weiter", sagte er am Dienstag in der Hofburg. "Ich glaube, dass die Bevölkerung erwartet, dass die Politik Probleme löst. Dafür ist sie gewählt und dafür soll die Koalition auch arbeiten."
Video: Van der Bellen mahnt Sachlichkeit ein
krone.at/Kronen Zeitung
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