Bei den Wahlkarten für die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl am 2. Oktober gibt es weiterhin Probleme. Der mehrfach aufgetauchte Klebefehler kann zeitverzögert auftreten, womit eine vermeintlich korrekt abgegebene Stimme ungültig wird - ein "neues Phänomen, mit dem wir seit Mittwochabend konfrontiert werden", teilte das Innenministerium am Donnerstag mit. Erste Verfassungsexperten plädieren schon für eine Verschiebung der Wahlwiederholung.
Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht laut "Standard" einen "möglichen Systemfehler" - und plädiert für einen späteren Wahltermin. Auch sein Kollege Theo Öhlinger kann sich eine Verschiebung vorstellen, Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht hingegen rechtliche Hindernisse.
Mayer: "Enormes Risiko für erneute Wahlanfechtung"
Mayer sagte gegenüber dem Blatt, er frage sich, "warum die Wahl nicht verschoben wird". Da die Annahme naheliege, dass noch mehr Wahlkartenkuverts Fehler aufweisen, "rennt man sehenden Auges in ein Riesenproblem - und das bedeutet ein enormes Risiko für eine erneute Wahlanfechtung".
Auch Öhlinger sprach gegenüber dem "Standard" von einer "fatalen Situation". Wenn die schadhaften Kuverts zahlenmäßig "in die Hunderte" gingen, müsse den betroffenen Wählern ein Tausch ermöglicht werden. Sollte der Schaden gar "in die Tausende" gehen, sei eine korrekte Wahl nicht durchführbar - und dann stünde auch für ihn eine Wahlverschiebung im Raum.
Funk: "Gesetzliche Grundlage fehlt"
Skeptisch hinsichtlich der rechtlichen Machbarkeit einer Verschiebung ist Verfassungsjurist Funk. Er verwies darauf, dass im Wahlrecht der "Grundsatz einer besonders strikten Legalität" gelte: Es dürfe nichts geschehen, was nicht im Gesetz "irgendeine Legitimation" findet. So sei es rechtlich nicht gedeckt, die Verordnung für den Termin der Wahl durch eine weitere Verordnung aufzuheben. Dafür müsste man erst eine gesetzliche Grundlage schaffen, dies sei aber nicht so einfach durchzuführen
Wahlkarte plötzlich "auf einer Seite offen"
Eine betroffene Wählerin schilderte das nun neu aufgetretene Problem. Ihre Wahlkarte wurde am Dienstag zugestellt. Wegen der bekannten Mängel überprüfte sie sorgfältig den Zustand der Kanten: "Sie waren okay," der Kleber hielt. Die Wienerin füllte den Wahlzettel aus, verschloss das Kuvert und unterschrieb es.
Am Mittwoch aber, als sie die Wahlkarte vor dem Gang zum Postkasten aus der Tasche nahm, war sie "auf einer Seite offen", schilderte die Frau aus dem Bezirk Ottakring. Donnerstagfrüh hatte sich auch die zweite Seite gelöst. Die Stimme der Wählerin ist somit verwirkt, denn laut Gesetz darf man seine Stimme nur einmal abgeben. Das hat die Frau getan, allerdings mit einer - wie sich erst nachträglich herausstellte - ungültigen Wahlkarte.
Das Problem: So kann praktisch kein Wähler sichergehen, dass seine Stimme auch wirklich bei der Stichwahl zählt. Selbst wenn die Karte in Ordnung ist, wenn man sie in den Briefkasten wirft oder bei der Wahlbehörde abgibt, könnte der Klebefehler danach offenbar noch immer auftreten.
Ratlosigkeit im Innenministerium
Im Innenministerium ist man angesichts dieser Entwicklung etwas ratlos. "Wenn ich als Wähler alles richtig gemacht habe, und die geht erst nachher auf - das gab es bisher nicht", sagte ein Sprecher. "Dafür hat auch der Gesetzgeber nichts vorgesehen, weil man damit nicht gerechnet hat." Dass Wähler im Ungewissen gelassen werden, ob sie überhaupt eine gültige Stimme abgegeben haben, "das kann's nicht sein."
Einzelfall ist die Dame in Wien nicht, seit Mittwochabend seien bereits mehrere solcher Fälle ans Innenministerium herangetragen worden. Man arbeite weiter gemeinsam mit der Druckerei "auf Hochdruck" an der Ursachenforschung, versicherte das Ministerium. Noch sei es "zu früh" für eine schlüssige Diagnose.
Schadhafte Wahlkarten auch in Salzburg
Auch im Bundesland Salzburg sind mittlerweile erste schadhafte Wahlkarten aufgetaucht. In Zell am See wurden offenbar zumindest drei Kuverts für Wahlkarten mit Mängeln ausgegeben. Eines wurde bereits zurückgegeben, die beiden anderen wurden Auslandsösterreichern zugestellt und seien bereits auf dem Postweg zurück in den Pinzgau, hieß es am Donnerstagnachmittag.
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