Der gebürtige Türke Efgani Dönmez (40) zieht mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz in den Wahlkampf! Mit Conny Bischofberger spricht der streitlustige Ex-Grüne über seinen Kampf gegen den politischen Islam, die umstrittene Studie über islamische Kindergärten und ein Leben unter Polizeischutz.
Im Pavillon des Wiener Volksgartens stehen noch die Mikrophone der Pressekonferenz. Es ist Freitagmittag, eineinhalb Stunden nachdem die ÖVP ihren Joker für den Wahlkampf präsentiert hat: Den ehemaligen grünen Bundesrat Efgani Dönmez als Experte für Asyl und Integration.
Dönmez sitzt im Garten vor einem großen Soda-Zitron, die ersten zwei Knöpfe seines weißen Hemdes hat er geöffnet. 32 Grad. Am Nebentisch tollen kleine Kinder herum, den 40-Jährigen stören sie nicht im Geringsten. Er trägt - vielleicht in Abstimmung mit dem Dresscode des ÖVP-Chefs? - KEINE Krawatte zum dunkelblauen Anzug.
Mit am Tisch: Pressesprecher Johannes Frischmann und der Obmann der Türkischen Kulturgemeinde in Österreich, Birol Kilic.
"Krone": Herr Dönmez, haben Sie schon ein ÖVP-Parteibuch?
Efgani Dönmez: Nein. Das habe ich schon im Vorfeld klargestellt. Ich habe immer gesagt, dass ich keiner Partei mehr beitreten werde. Ich war nie ein klassischer Parteisoldat und werde auch nie einer werden.
Trotzdem: Wie können Sie den Wechsel zur Liste von Sebastian Kurz als ehemaliger Grüner und Freigeist mit Ihren Überzeugungen vereinbaren?
Sehr gut. Weil ich Werte und Haltungen habe, für die ich unabhängig von einer bestimmten Parteifarbe eintrete. Diese Haltungen sind bei den Grünen leider nicht wertgeschätzt worden, bei der Bewegung von Sebastian Kurz aber sehr wohl. Deswegen freue ich mich, Teil dieser Bewegung zu sein. Weil ich hier meine Themen - vor allem den politischen Einfluss des Islam - glaubwürdig vertreten kann.
Wäre die Liste Pilz da nicht naheliegender gewesen?
Ich schätze Peter Pilz, und ich werde mit allen, die den Kampf gegen den politischen Islam auf ihre Fahnen geheftet haben, zusammenarbeiten.
Das war jetzt keine Antwort auf meine Frage. Wenn Sie ganz ehrlich sind, haben Sie nicht mit der Liste Pilz geliebäugelt?
Ich versuche immer, ganz ehrlich zu sein. ich schätze ihn, aber es ist Zeit für Neues. Dass dieser Zustand bei den Grünen eingetreten ist, wundert mich ehrlich gesagt überhaupt nicht. Ich habe seinerzeit - wie Peter Pilz - viele Themen angesprochen, die man einfach nicht hören wollte. Man hat das beschwichtig und unter den Teppich gekehrt. Aber irgendwann kann man den Deckel auf einem Druckkochtopf nicht mehr halten, irgendwann geht alles in die Luft. Ich finde es persönlich schade, aber es ist letztendlich die Entscheidung der grünen Mandatare und Mandatarinnen des Bundeskongresses, sie haben diese Entscheidung getroffen, Peter Pilz nicht auf den vierten Listenplatz zu wählen, und sie müssen auch die Konsequenzen tragen. Die Grünen sollten halt nicht so naiv sein zu glauben, dass sich ein Kaliber wie Peter Pilz dann in den Wald zurückzieht, um Schwammerl zu suchen.
Also hatten Sie kein Angebot von Pilz?
Nein.
Warum gerade Kurz? Weil Sie hier einen sicheren Listenplatz haben? Und nach der Wahl vielleicht Integrationsminister werden könnten?
Nein, weil über die Jahre hinweg zwischen uns ein Vertrauen entstanden ist, das die Basis für eine wirklich gute Zusammenarbeit sein wird.
Wie muss man sich diese Annäherung vorstellen?
Sebastian Kurz ist das erste Mal 2013 auf mich zugekommen, da war er Integrations-Staatssekretär. Viele Themen, die er in seiner Funktion angesprochen hat, sind auch seit vielen Jahren meine Themen gewesen: Dass wir uns der Türken annehmen müssen und sie nicht dem Einfluss des Auslandes überlassen dürfen zum Beispiel! Wir haben uns sehr oft am Handy ausgetauscht, oder auf ein Bier getroffen. Ich schätze seinen Mut, sehr heikle Dinge anzusprechen. Das ist ein Wert, der gerade in Zeiten wie diesen sehr wichtig ist.
Wie viel Prozent werden Sie der ÖVP bringen?
Ich glaube, meine Zugänge werden der Bewegung einen zusätzlichen Schub verleihen. Über Prozentzahlen habe ich mir wirklich keine Gedanken gemacht. Es geht hier nicht um mein Ego, ich bin nur ein Teil einer Bewegung.
Joker der ÖVP, schmeichelt Ihnen das gar nicht?
Ein Joker wird beim Kartenspielen eingesetzt. Ich bin kein Spieler und möchte meine Arbeit nicht als Spiel verstanden wissen. Deshalb wäre es übertrieben, wenn ich mich geschmeichelt fühlen würde. Im Übrigen ist es mir aber ziemlich Wurscht, welche Etikettierungen mir umgehängt werden. Ich weiß, wofür ich stehe und was ich kann. Dieses Wissen werde ich einbringen.
Als Experte für Asyl und Integration: Was muss sich da in Österreich ändern?
Das Wichtigste ist, Klarheit zu schaffen. In unserem Land gibt es für Migranten viele Chancen und Möglichkeiten, aber auch eine Verantwortung, sich einzubringen und Teil dieser Gesellschaft zu werden. Unsere Demokratie, der Rechtsstaat, die Gleichstellung von Mann und Frau: Das wurde alles hart erkämpft. Ich sehe das durch radikale Strömungen und reaktionäre Verbände in Gefahr.
Sie sind doch selber Muslim. Wird da nicht eine Religion als ganzes verunglimpft?
Nein, da geht es nicht darum, Angehörige einer Religion oder Herkunft in Geiselhaft zu nehmen, sondern die Spreu vom Weizen zu trennen. Es gibt leider einen massiven Einfluss vom Ausland - aus Saudi-Arabien, aus Katar, der Türkei, aus dem Balkan, aus Tschetschenien - der die Werte einer offenen Gesellschaft bedroht. Man sieht das am besten an der Stellung der Frau. Ich möchte nicht, dass schon kleine Kinder sexualisiert werden und sich deshalb verhüllen müssen. Wir dürfen unsere Kinder, die unsere Zukunft sind, nicht diesen Netzwerken und islamistischen Gruppierungen überlassen. Das ist die politische Instrumentalisierung einer Religion. Leider ist gerade die Wertevermittlung in Kindergärten fast nur in die Hände von diesen Gruppierungen gelegt worden.
Schickt alle Demonstranten für Erdogan mit einem One-Way-Ticket heim. Mit dieser Aussage haben Sie 2015 für Aufsehen gesorgt. Würden Sie es nochmal sagen?
Hinter dieser Aussage stehe ich nach wie vor, da gibt es auch gar nichts zu diskutieren. Wer auf Wiens Straßen skandiert, dass er ein Soldat Erdogans ist, der soll ein One-Way-Ticket in die Türkei lösen. Meine klare Antwort.
Gehört der Islam zu Österreich?
Die Muslime gehören zu Österreich, genauso wie alle anderen, die sich zu unserem Rechtsstaat bekennen - unabhängig von ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit. Diesen Menschen müssen wir signalisieren: Ihr seid Teil unserer Gesellschaft! Ich werde ihnen auch allen die Hand reichen. Wir haben in Österreich aber auch mächtige Ableger des politischen Islam. Sie sind Gift für unsere Gesellschaft und eine Gefahr für die Demokratie. Ich werde auch in Zukunft ganz entschieden gegen jene Leute auftreten, die eine Religion missbrauchen, um ihre eigene Agenda zu implementieren.
Herr Dönmez, Sebastian Kurz ist unter Druck geraten, weil es Vorwürfe gibt, die Islamkindergarten-Studie sei von Beamten seines Ministeriums abgeändert worden. Hat Sie's gerissen, als Sie die Titelstory im "Falter" gelesen haben?
Nein. Ednan Aslan, der Studienautor, hat ja gesagt, dass er hinter jeder Aussage in dieser Studie steht. Und mit Verlaub: Ich brauche keine Studie, wo mir erklärt wird, welche Geisteshaltung von Seiten islamistischer Gruppierungen wie Milli Görüs, Moslembruderschaft und AKP-nahen Gruppierungen gelebt wird, welche Werte und Haltungen die vermitteln.
Aber hier steht der Verdacht der Zuspitzung und Manipulation im Raum.
Die Uni Wien prüft ja jetzt die Studie … Und ich vertraue Ednan Aslan. Er sagt, dass alles von ihm kommt. Er legt den Finger auf die wunden Punkte, die viele schönreden wollen. Im Übrigen hat er seither auch kein sorgenfreies Leben mehr.
Alle Islamkindergärten schließen, ist das nicht übertrieben?
Man soll all jene jedenfalls schließen, die bedenkliche Werte vermitteln. Wir haben Kindergärten, die im Dunstkreis der Muslimbruderschaft betrieben werden und wo sich im Kindesalter bereits Parallelgesellschaften entwickeln. Wir haben andere Einrichtungen, die von der ATIB betrieben werden. Wir wissen alle, dass die ATIB unter Direktive der türkischen Diyanet ist. Wir wissen, dass in den 1990er Jahren das Credo herausgegeben worden ist, eine tiefreligiöse Jugend zu erziehen. Das ist eine Agenda auch von Erdogan, die er selber mehrmals kommuniziert hat, das ist alles belegbar. Er versucht das nicht nur in der Türkei zu implementieren, sondern auch hier in Österreich. Nicht nur über die Kindergarteneben, sondern auch über islamisch-religiöse Imam-Hatip-Schulen. Wir müssen die Kinder aus den Fängen dieser Gruppierungen befreien, wir dürfen denen nicht unter dem Deckmantel von Multikulti und Toleranz auch noch die Kinderbetreuung überlassen.
Werden Sie eigentlich oft als Nestbeschmutzer beschimpft?
Jene, die meine Haltungen und Werte vertreten, sind stolz auf mich und unterstützen mich. Aber jene, die aus diesem reaktionären, nationalistisch-islamistischen Lager kommen, die finden das natürlich nicht gut und versuchen, mich zu diffamieren. Das muss man aushalten. Weil es wichtig und richtig ist, zu seinen Haltungen und Werten zu stehen.
Stehen Sie eigentlich noch immer unter Polizeischutz?
Alle meine öffentlichen Auftritte sind gesichert. Da trete ich nur in Begleitung von Polizeischutz auf.
Haben Sie Angst?
Pass auf, dass wir dich nicht einmal von hinten niederstechen! Mit solchen Drohungen bin ich ständig konfrontiert. Ich habe keine Angst, weil das ist genau das, was diese Leute erreichen wollen. Aber da sind sie bei mir an der falschen Adresse. Die Bedeutung meines Nachnamens habe ich in meinem letzten Interview für die "Krone" schon gesagt: Dönmez bedeutet: Einer, der nicht vom Weg abkommt. Schon gar nicht durch Einschüchterungen oder Drohungen.
Was soll man in zehn Jahren einmal über Ihre Arbeit sagen?
Er hat konsequent daran gearbeitet, Österreich als offenes Land im Herzen von Europa zu etablieren.
Die Schließung der Mittelmeerroute, wie Sebastian Kurz sie fordert, klingt aber nicht danach.
Die Schließung der Mittelmeerroute ist richtig. Jedes Land hat seine Kapazitäten. Ich kann auch nicht in mein Glas, das ein Fassungsvermögen von 0,5 Liter hat, noch einen Liter Soda-Zitron dazuleeren, dann würde es hier eine kleine Überschwemmung geben. Ich glaube, dass wir 2015 teilweise an unsere Kapazitäten gelangt sind. Jetzt müssen wir schauen, dass wir die Flüchtlinge - vor allem Kleinkinder, Kinder und Jugendliche - bestmöglich unterstützen und begleiten, damit sie Teil dieser Gesellschaft werden.
Aber die Schließung der Mittelmeerroute löst nicht die Probleme in den Herkunftsländern der Geflüchteten.
Deswegen müssen wir weg von einer bevormundenden Entwicklungshilfe hin zu Wirtschaftskooperationen kommen. Wir müssen in diesen Ländern Infrastrukturen aufbauen, Korruption bekämpfen. Wir dürfen uns auch nicht wundern, wenn die Waffen, die wir aus Europa exportieren, dann auch eingesetzt werden und die Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Darüber hinaus wird der Klimawandel viele Regionen dieser Erde lebensfeindlich gestalten. Wir müssen uns also sehr, sehr vielen Herausforderungen stellen und es wird nicht eine Lösung geben. Diese Diskussionen müssen wir ehrlich und offen führen und ich werde sicher meinen Beitrag dazu leisten.
Was sagt eigentlich Ihre Frau zur Entscheidung, mit Kurz in den Wahlkampf zu ziehen?
Für sie ist mein politisches Engagement ja nichts Neues. Sie hat mich gefragt, ob ich jetzt noch weniger zuhause sein werde. Diese Balance zu halten ist natürlich ein Thema. Ich werde schauen, dass mir das auch in Zukunft gelingt.
Ihre beiden Töchter sind sieben und neun Jahre alt. Wäre es okay für Sie, wenn sie einmal Kopftuch tragen?
Das ist ihre Entscheidung. Ich glaube aber eher nicht, dass sie in diese Richtung tendieren werden.
Von den Grünen zu den Türkisen
Geboren am 30. Oktober 1976 in Kangal, Türkei. Sein Vater, der als Gastarbeiter nach Österreich kam, holt "Effi" und dessen Mutter nach, als der Sohn drei Monate alt ist. Dönmez macht eine Lehre als Installationstechniker. Nach dem Studium "Konfliktmanagement und Mediation" arbeitet er als Sozialarbeiter und Flüchtlingsbetreuer. 2000 geht er in die Politik, 2015 verbannen ihn die Grünen aus ihrer Partei. Am 4. Juli stellte Dönmez in Berlin die Bürger-Initiative "Stop Extremism" vor, er will eine Million Unterschriften sammeln, um eine europäische Richtlinie durchzusetzen, die einen effektiveren Schutz vor Extremismus sichern soll. Verheiratet, zwei Kinder (7 und 9 Jahre alt).
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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