Völlig unverständliche Milde hat ein Senat des Obersten Gerichtshofes im Fall jenes Irakers (20) walten lassen, der im Wiener Theresienbad einen zehnjährigen Buben vergewaltigt hatte: Die Strafe wurde von sieben auf nur vier Jahre gesenkt! "Man darf das Augenmaß nicht verlieren", sagt der Vorsitzende. Der Täter, der bereits einen beträchtlichen Teil seiner Strafe abgesessen hat, dürfte damit in Kürze aus der Haft entlassen werden.
Der Iraker war im Herbst 2015 aus rein finanziellen Gründen über die Balkanroute nach Wien gekommen. Dass er in der Heimat verfolgt würde, behauptet nicht einmal er selbst. Am 2. Dezember 2015 vergewaltigte er dann bei einem Besuch des Theresienbades in Wien-Meidling in der Garderobe einen zehnjährigen Buben.
Der Iraker packte den Buben an der Hand, zerrte den Zehnjährigen in eine WC-Kabine, verriegelte die Tür und verging sich an dem Kind. Er wurde noch im Hallenbad festgenommen. Der missbrauchte Bub hatte sich an den Bademeister gewandt, der die Polizei verständigte. Beamte der ums Eck gelegenen Polizeiinspektion Hufelandgasse führten den Verdächtigen wenig später beim Springen vom Dreimeterbrett ab.
In seiner polizeilichen Erstbefragung belastete der 20-jährige Iraker zunächst einen 15-jährigen Bekannten fälschlicherweise der Anstiftung zur Tat. Dann legte er jedoch ein Geständnis ab und erklärte laut Einvernahmeprotokoll, er sei seinen "Gelüsten nachgegangen". "Ich hatte seit vier Monaten keinen Sex", begründete der Angeklagte seine widerliche Tat vor Gericht - die ihm auch durchaus als strafbar bewusst war. "Das ist in jedem Land der Welt verboten", erklärte er beim Prozess.
Verteidiger: "Drakonisches Urteil"
In einem ersten Verfahren war Amir A. zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, nach der Aufhebung in einem zweiten Durchgang zu sieben, was der Verteidiger des Mannes, Roland Kier, nun im Justizpalast als "drakonisches Urteil für einen jungen Erwachsenen" bezeichnete. Das Erstgericht habe die Strafe "exzessiv ausgemessen", kritisierte Kier. Dies sahen die OGH-Richter offenbar ähnlich.
Dass das Erstgericht die "Schwere der Verbrechen" und die "nicht absehbaren Folgen" beim Betroffenen ausdrücklich als erschwerend gewichtet hatte, ließ der OGH nicht gelten. Diesbezüglich mangle es an "konkreten Feststellungen", sagte Senatspräsident Thomas Philipp. Was die von der ersten Instanz herangezogenen möglichen zukünftigen Folgen für das Opfer betrifft, "kann es auch sein, dass es sie überhaupt nicht gibt".
"Vier Jahre sind hier angemessen"
"Vier Jahre sind hier angemessen", so Philipp in seiner ausführlichen Begründung im Justizpalast. Es habe sich um einen "einmaligen Vorfall" und nicht "jahrelange Missbrauchshandlungen im Familienkreis mit oft gravierenden Folgen" gehandelt, mit denen die Strafjustiz regelmäßig zu tun habe.
"Man darf hier nicht das Augenmaß verlieren", gab Philipp zu bedenken. Bei der Strafbemessung müssten das reumütige Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten und der Umstand berücksichtigt werden, dass dieser im Tatzeitraum noch keine 21 Jahre alt war.
Urteil mit OGH-Entscheidung rechtskräftig
Das Opfer des Irakers leidet indessen noch heute an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dessen ungeachtet ist mit der nunmehrigen Entscheidung des OGH der innerstaatliche Instanzenzug erschöpft. Das Urteil ist - was Schuld und Strafe betrifft - rechtskräftig.
Kronen Zeitung/krone.at
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