Die österreichische Bundesregierung hat unter den EU-Staaten offenbar keinen deklarierten Verbündeten für die Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Außenminister Sebastian Kurz bekräftigte die Position am Freitag bei einem informellen Außenministerrat in Bratislava, erntete aber durchwegs ablehnende Reaktionen durch seine Amtskollegen.
Die Entwicklungen in der Türkei nach dem Putschversuch seien sehr negativ, sagte der Außenminister. Der Putsch sei klar zu verurteilen, "aber Säuberungswellen und der Versuch, Andersdenkende mundtot zu machen, das halten wir für den falschen Weg. Hier muss die Europäische Union meiner Meinung nach klar Haltung zeigen."
Hahn: Gesprächsbereitschaft als "österreichische Tradition"
Der zuständige EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn - ebenso wie Kurz ÖVP-Politiker - sieht eine Mehrheit der EU-Staaten gegen den von Österreich verlangten Stopp der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. "Wir haben gegenwärtig wichtigere Gesprächsthemen mit der Türkei als die Beitrittsverhandlungen. Da wird zum Teil eine artifizielle Diskussion kreiert", sagte er. "Im Gespräch zu bleiben ist beste österreichische Tradition, und so wird das auch in Zukunft sein."
Slowakei: "Beitrittsprozess bester Hebel für Reformen"
Auch der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak, dessen Land gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sagte: "Ich bin persönlich nicht dafür. Der Beitrittsprozess ist der beste Hebel, den die EU hat, wenn wir den Prozess in Kandidatenländern beeinflussen wollen."
Ähnlich äußerten sich auch andere EU-Außenminister. "Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist", sagte der italienische Ressortchef Paolo Gentiloni zur Frage eines Abbruchs der Beitrittsgespräche. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte davor, dass dann die EU dann keinen Einfluss mehr auf die Türkei hätte. Man habe am Beispiel der türkischen Diskussion zur Todesstrafe gesehen, "wie zurückgerudert wurde" auf Druck der EU. "Wir sollten versuchen die Botschaft zu geben, dass wir dem Tauwetter eine Chance geben."
Ungarn: "Sicherheit Europas fängt mit Stabilität der Türkei an"
Ungarn Außenminister Peter Szijjarto stimmte ebenfalls in den Chor der Abbruch-Gegner ein: "Es wäre eine sehr schlechte Botschaft, wenn die Beitrittsverhandlungen jetzt gestoppt würden. Wir sehen keinen Grund dazu. Die Sicherheit Europas fängt mit der Stabilität der Türkei an. Wer die Stabilität der Türkei angreift, greift die Sicherheit Europas an, weil derzeit ist es die Türkei, die den Migrationsfluss zurückhält. Wenn die Türkei instabil wird, werden wir denselben oder sogar einen noch ernsteren Migrationsstrom aus dem Süden sehen wie letztes Jahr."
Am Samstag wollen die EU-Außenminister mit dem türkischen Europaminister Ömer Celik die jüngsten Ereignisse in der Türkei diskutieren.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.