Nach Türkei-Eklat

Kurz: “Kartenhaus falscher Asylpolitik stürzt ein”

Österreich
06.08.2016 13:29

Bundeskanzler Christian Kern hat am Freitagabend Unterstützung für seine Forderung erhalten, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf Eis zu legen - und zwar von Außenminister Sebastian Kurz. In der "ZiB 2" sagte Kurz, es sei angesichts der Lage in der Türkei "sinnvoll, kein neues Kapitel in den Verhandlungen zu eröffnen". Die Aussage des türkischen Außenministers Ahmet Cavusoglu, Österreich sei ein Hort des Rassismus, wies er scharf zurück. An der EU-Flüchtlingspolitik ließ Kurz kein gutes Haar: "Das Kartenhaus droht einzustürzen", sagte er.

Angesprochen auf Kerns Forderung nach einem Stopp der Beitrittsverhandlungen mit Ankara sagte Kurz: "Ich unterstütze den Bundeskanzler in seiner Aussage, dass es diese Diskussion braucht." Seiner Auffassung nach erfülle die Türkei weder die Auflagen für die Visaliberalisierung noch für die Fortsetzung der Beitrittsgespräche.

"Die EU kann nach den Vorkommnissen der vergangenen Wochen nicht zur Tagesordnung übergehen", sagte der Außenminister angesichts der Verhaftung Zehntausender nach dem Putschversuch durch das türkische Militär. "Wenn wir zu unseren europäischen Grundwerten noch stehen, können wir hier nur eine klare Meinung haben", so Kurz.

Kurz: "EU muss ihre Hausaufgaben machen." (Bild: ORF)
Kurz: "EU muss ihre Hausaufgaben machen."

"Flüchtlingsdeal wird nicht halten"
Es werde versucht, politisch Andersdenkende mundtot zu machen. "Wenn in einem Nachbarland Demokratie und Menschenrechte verletzt werden, dann muss man reagieren", so der Außenminister. Als Lösungsansatz des Problems sieht Kurz eine verstärkte Sicherung der Außengrenzen, um sich von der Türkei in Sachen Flüchtlingspolitik loszulösen. "Der Flüchtlingsdeal wird nicht halten", sagte Kurz und forderte, die EU müsse "ihre Hausaufgaben machen", um "unabhängig und nicht erpressbar" zu werden.

"Der Flüchtlingsdeal wird nicht halten", so Kurz in der "ZiB 2". (Bild: ORF)
"Der Flüchtlingsdeal wird nicht halten", so Kurz in der "ZiB 2".

"Es muss klar sein: Wer sich illegal auf den Weg nach Europa macht, der kommt nicht nach Mitteleuropa. Wenn wir das nicht schaffen, sind wir erpressbar", so Kurz. Ein Ende der Beitrittsverhandlungen hätte freilich unmittelbare Auswirkungen auf den Flüchtlingsdeal: "Viele haben Sorge, wenn man zu hart mit der Türkei diskutiert, gerät der Deal ins Wanken. Jetzt droht das Kartenhaus der verfehlten Flüchtlingspolitik in Europa einzustürzen."

Kurz kritisiert die "verfehlte Flüchtlingspolitik in Europa". (Bild: ORF)
Kurz kritisiert die "verfehlte Flüchtlingspolitik in Europa".

"Man muss deswegen kein EU-Mitglied sein"
Dennoch müsse man der Türkei unabhängig begegnen, auch was den Kampf gegen den Terrorismus angeht: "Es gibt viele Staaten, mit denen wir kooperieren, aber das heißt noch lange nicht, dass man deswegen Mitglied der EU sein muss." Am Ende des Tages werde es eine Einigung geben, aber "für die Eröffnung neuer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen braucht es Einigkeit und die sehe ich momentan nicht".

Die provokative Aussage des türkischen Außenministers, Österreich sei ein Hort des Rassismus, wies Kurz deutlich zurück: "Es ist notwendig, hier sachlich zu bleiben und die Diskussion nicht mit Schaum vor dem Mund zu führen." Der türkische Botschafter in Wien sei deshalb auch am Freitag ins Außenministerium einbestellt worden.

Keine Unterstützung aus Deutschland
Keine Zustimmung für seine Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fand Österreich am Freitag in Liechtenstein, wo Kurz mit seinen deutschsprachigen Kollegen zum alljährlichen Treffen zusammenkam. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der Schweizer Ressortchef Didier Burkhalter und auch ihr luxemburgischer Kollege Jean Asselborn sprachen sich ausdrücklich für einen Dialog mit der Türkei aus.

"Ich befürchte, das Problem, vor dem wir hier stehen, ist etwas größer als die Frage, wann, wie und in welcher Geschwindigkeit Beitrittsverhandlungen geführt werden", sagte Steinmeier. Auch Asselborn lehnte einen Stopp ab und verwies darauf, dass dies in der EU auch nicht durchsetzbar sei. Er räumte aber ein, dass "die Türkei derzeit sicher nicht der Rechtsstaat ist, den wir haben wollen". Burkhalter unterstrich ebenfalls, es sei wichtig, mit der Türkei direkt im Gespräch zu bleiben.

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