Vier Monate vor den Nationalratswahlen stürzt die SPÖ in Turbulenzen. Auslöser für die teilweise heftig ausgetragenen Auseinandersetzungen in der von Bundeskanzler Christian Kern seit fast einem Jahr geführten Partei ist der weitere Umgang mit der FPÖ unter deren Chef Heinz-Christian Strache. Kern ist intern massiv unter Druck geraten. Er solle in der Frage über eine mögliche Regierungszusammenarbeit mit den Freiheitlichen unverzüglich eine unmissverständliche Entscheidung treffen, lautet die Forderung aus den Reihen seiner engsten Parteifreunde und Wegbegleiter.
Pikanterweise führt dazu ausgerechnet der Ex-Europaabgeordnete Hannes Swoboda das große Wort. Der Lebensgefährte der früheren SPÖ-Europastaatssekretärin und Siemens-Managerin Brigitte Ederer, die als wesentliche politische Förderin von Kern gilt, hatte am Samstag auf Twitter den Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden öffentlich zu einer deutlichen Erklärung aufgefordert: "Wann hört die SPÖ auf über die FPÖ zu reden und redet über sich und die eigenen Ziele. SPÖ-Chef Kern ist gefordert, sich klar zu äußern."
Kanzler hat Debatte selbst angeheizt
Die Ungeduld der SPÖ-Funktionäre liegt unter anderem daran, dass diese schwierige Debatte bereits seit Mai 2016 läuft. Zusätzlich angeheizt hatte die Diskussion über die weitere Positionierung der Sozialdemokraten gegenüber den Freiheitlichen vor allem Kern selbst mit einem Auftritt in der ORF-Radiosendung "Klartext".
Diskrete SPÖ-Treffen mit den Freiheitlichen
Damals hatte der Kanzler betont freundliche Signale an den FPÖ-Chef ausgesandt. Das war bereits im November 2016. Seitdem soll es immer wieder mehr oder weniger diskrete Zusammentreffen zwischen Kern und Strache im Kreis von Vertrauten und auch auf Initiative von österreichischen Unternehmern und Netzwerkern gegeben haben. Diese Gespräche sollen, wie Teilnehmer dieser Treffen berichten, in außerordentlich amikaler Atmosphäre geführt worden sein.
Spätestens Mittwoch Klarheit über die Linie?
Dennoch war Kern bisher zu keiner Festlegung bereit. In der FPÖ ist man darüber bereits zunehmend verärgert. Und auch in der SPÖ steigt der Unmut. Spätestens für den kommenden Mittwoch wird erwartet, dass der Parteichef auf Basis eines von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ausgearbeiteten "Kriterienkatalogs" erstmals Aufschluss über seine politische Linie gibt. Innerhalb der SPÖ laufen die Fronten allerdings kreuz und quer. Die Bandbreite reicht von den entschiedenen FPÖ-Gegnern wie Wiens Bürgermeister Michael Häupl bis zu den Kooperationswilligen wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl.
Spaltung zieht sich quer durch die Organisation
Auch die Gewerkschafter sind in der Haltung gegenüber den Freiheitlichen gespalten. Zudem hat der von Kern eingesetzte Partei-Denker, Steiermarks SPÖ-Chef Michael Schickhofer, mit der Forderung nach einer Abstimmung unter allen SPÖ-Mitgliedern über die Koalitionsfrage mit der FPÖ eine neue Komponente eingebracht.
"Die ÖVP und die FPÖ werden nicht warten"
Niessl fordert eine solche Mitgliederbefragung über die FPÖ-Frage jedenfalls noch vor den Nationalratswahlen im Oktober. "Die ÖVP und FPÖ warten nicht, welche Ergebnisse die SPÖ mit den Mitgliedern liefert, sondern da wird intensiv verhandelt", so Burgenlands Landeshauptmann am Samstag gegenüber dem ORF.
SPÖ in Umfrage klar auf dem zweiten Platz
Für zusätzliche Nervosität sorgen in der Kanzler-Partei die ernüchternden Umfragewerte. Erst am Freitag hatte der Privatsender ATV die SPÖ auf den zweiten Platz mit aktuell 26 Prozent verwiesen. Die von Kern geführten Sozialdemokraten liegen damit in der "Sonntagsfrage" nur knapp vor der FPÖ, die demnach bei 24 Prozent steht. Ganz eindeutig auf dem ersten Platz liegt in dieser Umfrage die von Außenminister Sebastian Kurz als Spitzenkandidat angeführte ÖVP mit 34 Prozent.
Seit Freitagmittag laufen nun im Kanzleramt und in der SPÖ-Zentrale hektische Strategiebesprechungen. In einer Blitzaktion soll nun mit dem Pressesprecher eines Mineralölkonzerns ein neuer Kommunikationschef bei Bundeskanzler Kern einrücken. Das Team wird jedoch zunehmend unübersichtlicher: neben SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler als Wahlkampfleiter gibt es auch den Wahlkampfberater von Ex-Bundespräsident Heinz Fischer als Kampagnenleiter.
Dazu kommen eine Werbeagentur, ein Hobby-Kabarettist als Spezialist für derbe Sprüche sowie der für seine hohen Honorare bekannte Sonderberater Tal Silberstein. Zusätzlich holt Kern regelmäßig den Rat des gescheiterten Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer ein.
Claus Pándi, Kronen Zeitung
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