Kein Ende der Gräuel

“Aleppo wird von Bomben und Lügen heimgesucht!”

Ausland
25.09.2016 19:55

Nach einer kurzen Unterbrechung hat das syrische Regime am Sonntagnachmittag seine Luftangriffe auf Rebellengebiete in der umkämpften Stadt Aleppo fortgesetzt. Dabei seien laut Aktivisten erneut Menschen getötet worden. Angesichts der Gräuel hat sich nun erstmals der melkitische griechisch-katholische Erzbischof von Aleppo zu Wort gemeldet und scharfe Kritik an den leeren Versprechen der "christlichen" Großmächte im Syrien-Konflikt geübt. Aleppo werde "von Bomben von Lügen heimgesucht", sagte Jean-Clement Jeanbart.

Im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR schilderte der Kirchenführer am Wochenende den Alltag in der umkämpften Stadt. "Wir leben unter der ständigen Bedrohung durch Bomben und Raketen", so Jeanbart. Die Menschen könnten keine Nacht ruhig schlafen. Es gebe wenig Wasser, vor allem fehle es an Strom. Man sei auf Generatoren angewiesen, aber die Menschen hätten kein Geld, um Diesel für deren Betrieb zu kaufen. Die Preise für Lebensmittel und Medikamente seien enorm gestiegen.

Jean-Clement Jeanbart (Bild: APA/AFP/JEAN-SEBASTIEN EVRARD)
Jean-Clement Jeanbart

"USA und Russland zerstören unser Land"
Der Erzbischof ging mit den Großmächten, namentlich den USA und Russland, scharf ins Gericht: "Angesichts all dieser Zerstörung wissen wir nicht, was wir sagen oder denken sollen. Die Syrer wollen nur Dialog und Frieden. Aber das wollen die großen Staaten, vor allem die Amerikaner und die Russen, nicht, die hinter unserem Rücken unser Land und unsere Gesellschaft zerstören. Die sind nur interessiert an Erdöl, Erdgas, Wasser, Territorium, um ihre Macht und ihren Einfluss zu vermehren. Wir zahlen für den Egoismus der großen Staaten, die noch dazu behaupten, christlich zu sein." Seine schmerzliche Bilanz: "Das Einzige, was sicher ist: Unsere Leute werden zweimal getroffen - von den Geschossen und von der Propaganda der Beteiligten. Alles Lügen, Lügen, Lügen."

Weite Teile Aleppos sind völlig zerstört. (Bild: AP)
Weite Teile Aleppos sind völlig zerstört.

Luftangriffe eingestellt, dann wieder aufgenommen
Kampfjets hatten Sonntagfrüh den vierten Tag in Folge Rebellenbezirke in Aleppo bombardiert. Danach stellten das syrische Regime und seine Verbündeten die Luftangriffe auf die umkämpfte Stadt kurzfristig ein, um sie am Nachmittag wieder aufzunehmen. Die Armee hatte am Donnerstag vor der Wiederaufnahme der Angriffe eine Bodenoffensive angekündigt, um Aleppo vollständig zurückzuerobern. Die ehemalige Handelsmetropole ist die letzte verbliebene Großstadt in Syrien, in der Rebellen noch Gebiete kontrollieren. Mindestens 250.000 Menschen harren im belagerten Ostteil der Stadt unter widrigsten Lebensumständen aus.

Ein Einwohner von Aleppo tröstet einen Buben inmitten der Trümmer. (Bild: APA/AFP/THAER MOHAMMED)
Ein Einwohner von Aleppo tröstet einen Buben inmitten der Trümmer.

Westen kritisiert Russland, UN-Sicherheitsrat tagte
Die USA, Großbritannien und Frankreich beantragten nach den erneuten Luftangriffen eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats, der am Sonntagabend tagte. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Weltmächte dabei auf, "mehr zu unternehmen, um dem Albtraum ein Ende zu machen". Westliche Außenminister forderten zudem von Russland ein Ende der eskalierenden Gewalt. Es liege an Moskau, die diplomatischen Bemühungen als mächtiger Verbündeter des syrischen Regimes zu retten.

In der Stellungnahme der Außenminister der USA, Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini hieß es: "Die Geduld mit Russlands andauernder Unfähigkeit oder Unwilligkeit, sich an seine Verpflichtungen zu halten, ist nicht unbegrenzt." Die Ereignisse in Syrien stünden im eklatanten Widerspruch zur russischen Behauptung, eine diplomatische Lösung in Syrien zu unterstützen.

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