Als "Dank" gefeuert
Beamtin deckt massenhaften Asyl-Sozialbetrug auf
Ein unglaublicher Fall von massenhaftem Asyl-Sozialbetrug beschäftigt derzeit die deutsche Medienlandschaft und bringt die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel in erhebliche Erklärungsnot. Laut einem Bericht des Senders "NDR" hat eine Mitarbeiterin der Landesaufnahmebehörde im Bundesland Niedersachsen 300 Fälle aufgedeckt, in denen Flüchtlinge über mehrere Monate hindurch zu Unrecht Sozialgeld kassiert hatten. Nachdem sie die Fälle bei der Polizei zur Anzeige gebracht hatte, wurde sie von ihrem Arbeitgeber entlassen.
Die Mitarbeiterin war laut "NDR" im Rahmen der Flüchtlingskrise von der Landesaufnahmebehörde (LAB) in der Stadt Braunschweig angestellt worden, um die Erstregistrierung von Asylwerbern vorzunehmen. Zu ihren Aufgaben gehörten unter anderem das Erstellen von Leistungsbelegen und das Auszahlen des Taschengeldes. Nach einer gewissen Zeit war ihr aufgefallen, dass viele Flüchtlinge mehrfach mit verschiedenen Identitäten registriert waren und so auch mehrfach Sozialhilfe kassierten. Manche der Betrüger, so hieß es im Bericht, tauchten doppelt auf, andere aber auch drei-, vier- oder gar sechsmal.
Aufnahmebehörde wollte Fälle offensichtlich vertuschen
Die Mitarbeiterin meldete dies ihren Vorgesetzten und wollte die Fälle bei der Polizei zur Anzeige bringen. Doch dann trat ihr Chef auf die Bremse. "Sie haben mich dazu aufgefordert, nichts in dieser Angelegenheit zu unternehmen und mit niemandem darüber zu sprechen. Ich sollte die Akten einfach in den Keller bringen", sagte die Mitarbeiterin gegenüber "NDR". ʺDamit konnte ich aber nicht lebenʺ, fügte sie hinzu. Der Verdacht liegt nahe, dass man bei der LAB den Sozialbetrug vertuschen wollte.
Die Mitarbeiterin umging daher den Dienstweg und ging Anfang 2016 selbst zur Polizei. Doch auch als die Exekutive bei der Behörde vorstellig wurde und die Herausgabe der Akten forderte, gab es erhebliche Probleme. In dem Bericht hieß es wörtlich: "Der Leiter der Sonderkommission berichtete seinem Vorgesetzten, es gebe 'Schwierigkeiten hinsichtlich der Übergabe' der Aktenordner." Erst über den Umweg über Staatsanwaltschaft und Leitung der LAB zeigte man sich bereit, die Akten auszuhändigen.
Asylbetrug in Deutschland offenbar seit Jahrzehnten möglich
Mittlerweile laufen die Ermittlungen gegen die Betrüger auf Hochtouren, ob es disziplinarische Maßnahmen gegen die Verantwortungsträger bei der LAB geben wird, ist noch unklar. "Es steht aber fest, dass in Deutschland offenbar seit Jahrzehnten Asylbetrug möglich ist, da es kein einheitliches Kontrollsystem gibt. Abgesehen von den wenigen LAB-Mitarbeitern scheint dies auch niemand zu bemerken oder niemanden zu interessieren. Offiziell ist es der erste große Fall dieser Art", wird ein Ermittlungsbeamter zitiert.
Innenminister: "Von Vertuschung kann keine Rede sein"
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hingegen schwächte den Fall auf einer Pressekonferenz am Mittwoch als "Kommunikationspanne" ab. Es sei "ärgerlich", dass diese 300 Fälle nicht schneller abgearbeitet wurden. Die Vorfälle seien in eine Zeit eines "Ausnahmezustands" gefallen, wo viele Flüchtlinge ins Bundesland gekommen waren. An der Kontaktaufnahme der LAB zur Polizei sei aber "eindeutig erkennbar, dass von einer Vertuschung nicht die Rede sein kann". Er hätte sich aber eine "klare Kommunikation der Behörden" gewünscht.Die LAB hatte die Vorwürfe der bewussten Vertuschung bereits im Vorfeld zurückgewiesen. Man habe Zweifel gehabt, dass die Daten, die die Mitarbeiterin weitergeben wollte, der Polizei geholfen hätten.
Die Mitarbeiterin ist jedenfalls mittlerweile ihren Job los. Sie wurde direkt nach ihrem Gang zur Polizei vom Dienst freigestellt, obwohl ihr befristeter Vertrag damals noch gültig war. Die LAB rechtfertigte die vorzeitige Kündigung damit, da die Mitarbeiterin außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs gehandelt habe. "Diese arbeitsrechtliche Maßnahme halte ich für unglücklichMaßnahme halte ich für unglücklich", sagte Innenminister Pistorius.
Polizei: "Couragiertes Vorgehen der Mitarbeiterin"
Die Exekutive bezeichnete das Vorgehen der Frau dennoch als "couragiert". Ohne sie hätte die Polizei ʺdas ja gar nicht mitbekommenʺ. Man habe zwar die SoKo Zerm (Zentrale Ermittlungen) in Braunschweig, ʺaber was innerhalb der Mauern der LAB passiert, das wissen wir ja gar nicht und da haben wir auch keinen Zugriff draufʺ, sagte Ulf Küch, Kriminaldirektor der Polizei Braunschweig. Man sei auf die Informationen von Ausländern und Sozialbehörden angewiesen, damit Strafverfahren eingeleitet werden können.
Österreich: 45.000 Fälle von Asylbetrug aufgedeckt
In Österreich sind solche Fälle von Asylbetrug auf Kosten der Steuerzahler hingegen nicht neu. Rund 45.000 Fälle wurden zwischen 2007 und Sommer 2016 aufgedeckt. So wurden etwa bei jedem zweiten der 90.000 Überprüften Leistungen gekürzt oder überhaupt gestrichen. Der Schaden wird intern mit mehr als 100 Millionen Euro beziffert.
Nach aktuellem Stand befinden sich in Österreich knapp 84.000 "hilfsbedürftige Migranten" - so der Gesetzestext - in einem laufenden Asylverfahren in der Grundversorgung. Neben Quartier und Essen gibt es für jeden kostenlose medizinische Versorgung. Und obendrein noch ein monatliches Taschengeld. Kostenpunkt heuer: rund 550 Millionen Euro.
Wiener Beamter: "Wir sollen keine Fragen stellen"
Erst im Herbst vergangen Jahres hatte ein Wiener Beamter der Magistratsabteilung 40 über die Missstände im Sozialsystem ausgepackt: "Mir liegt unser Österreich am Herzen. Schreiben Sie bitte über diesen Wahnsinn bei der Auszahlung der Mindestsicherung." Eines der vielen Fallbeispiele: Eine EU-Ausländerin erhält an Sozialgeld für sich und ihre elf Kinder 5200 Euro netto.
"Wir sollen ja gar nicht nachprüfen, ob die Angaben der nicht-österreichischen Mindestsicherungsempfänger stimmen", behauptete der Beamte. Und: "Wer kontrolliert, ob die vielen Kinder der Asylberechtigten überhaupt im Land sind?" Ebenso werde die Echtheit der vorgelegten Dokumente kaum geprüft - dafür gebe es mündliche Weisungen: "Wir sollen keinesfalls die Polizei rufen, wenn uns gefälschte Ausweise und Urkunden gezeigt werden. Wir sollen 'nicht so genau hinsehen'." Wird trotzdem nachgefragt, komme es zu kuriosen Situationen: "Einige Asylberechtigte wissen bei ihren vielen - angeblichen - Kindern gar nicht, ob die männlich oder weiblich sind."
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