IS/Feuerteufel/Asyl
Das geheime Leben der Terror-Bestie von Berlin
Der mutmaßliche Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt hat ein langes Vorstrafenregister. Der 24-jährige Tunesier Anis Amri wurde in Deutschland von März bis September sogar observiert und im August wegen gefälschter Ausweispapiere bereits einmal verhaftet, dann aber wieder freigelassen. Zuvor war er in Tunesien und Italien wegen zahlreicher Delikte zu Haftstrafen verurteilt worden. Und wie die "New York Times" berichtet, soll Amri online direkten Kontakt zur Terrormiliz IS gehabt haben. Inzwischen sind erste Videoaufnahmen aufgetaucht: Der Täter hatte sich - mit einem Lied auf den Lippen - in Berlin selbst gefilmt (Video oben).
Die deutsche Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt halten den Mann für dringend tatverdächtig und haben ihn am Mittwoch zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben. Außerdem wurde eine Belohnung von bis zu 100.000 Euro für seine Ergreifung ausgelobt. Der 24-jährige geborene Tunesier sei 1,78 Meter groß, wiege etwa 75 Kilo, habe schwarze Haare und braune Augen. Wer den Gesuchten sieht, soll sofort die Polizei benachrichtigen.
Über Messengerdienst Kontakt zum IS
Der "New York Times" zufolge stand der Tunesier, nach dem auch europaweit gefahndet wird, mindestens einmal über den Messengerdienst Telegram in Kontakt zum IS. Zudem soll er sich im Internet über den Bau von Sprengsätzen informiert haben und auch auf der Flugverbotsliste der USA gestanden sein. Das berichtete die Zeitung am Mittwochabend unter Berufung auf Aussagen nicht näher genannter US-Offizieller. Unklar blieb zunächst, auf welchen Zeitraum sich diese Angaben beziehen.
Fingerabdrücke auf Tür und Lenkrad gefunden
Die Duldungspapiere Amris wurden in dem Lastwagen gefunden, der am Montagabend auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gefahren war. Zwölf Menschen wurden getötet, rund 50 teils lebensbedrohlich verletzt. Am Donnerstag berichteten NDR, WDR und die "Süddeutsche Zeitung", dass an der Fahrertür des Lkws Fingerabdrücke Amris gefunden wurden. Laut "Berliner Zeitung" sollen auch am Lenkrad entsprechende Spuren gesichert worden sein. RBB berichtete, dass der Attentäter auf der Flucht sein Handy verloren habe.
Gemeldet war der gesuchte Tunesier in einer Asylwerberunterkunft in Nordrhein-Westfalen. Laut Angaben der Landesregierung war er 2015 nach Deutschland eingereist und verwendete mehrere Identitäten. Seit Februar hielt er sich vor allem in Berlin auf.
Bereits in Tunesien Lastwagen gestohlen
Wie die "Welt" am Donnerstag berichtete, sei Amri in Salafisten-Hochburgen in Tunesien aufgewachsen und schon dort durch Straftaten aufgefallen. Laut Erkenntnissen der tunesischen Behörden habe er etwa in der Stadt Kairouan, rund 150 Kilometer südwestlich von Tunis, im Jahr 2010 einen Lastwagen gestohlen und sei deswegen von einem Gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. In den Revolutionswirren im Zuge des Arabischen Frühlings habe er jedoch flüchten können und - wie rund 40.000 seiner Landsleute - Tunesien im Jänner 2011 kurz nach dem Sturz von Diktator Ben Ali verlassen.
Auffanglager in Italien angezündet
Die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete unter Berufung auf Ermittlerkreise, Amri sei über die Insel Lampedusa nach Italien gelangt und in einem Auffanglager für Minderjährige auf Sizilien untergebracht worden. Dort habe er Sachbeschädigungen, Gewalttaten, Brandstiftung, Körperverletzung und Diebstahl begangen. Laut Angaben der Zeitung "La Stampa" soll er unter anderem auch das Auffanglager angezündet haben. Als Volljähriger wurde er den Informationen zufolge festgenommen und kam vor Gericht. Er wurde zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt und nach Verbüßung der Strafe des Landes verwiesen.
Monatelang in Deutschland observiert
Im Juli 2015 kam Amri über Freiburg nach Deutschland. Laut Angaben der deutschen Generalstaatsanwaltschaft wurden gegen den Tunesier bereits im März 2016 Ermittlungen eingeleitet. Dabei sei es um Informationen gegangen, wonach der 24-Jährige einen Einbruch plane, um sich dabei Mittel für den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen - "möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen". Amri sei daraufhin observiert worden, auch seine Kommunikation sei überwacht worden. Allerdings hätten die "umfangreichen Überwachungsmaßnahmen" keine Hinweise zu den Vorwürfen erbracht. Es habe lediglich Hinweise gegeben, dass Amri als Drogendealer tätig und an einer körperlichen Auseinandersetzung, vermutlich in der Dealerszene, beteiligt gewesen sein könnte. Deshalb sei die Überwachung im September beendet worden.
Abschiebung gescheitert
Laut Informationen der "Süddeutschen Zeitung" hatte Amri im April 2016 Asyl in Deutschland beantragt, im Juni sei sein Antrag aber abgelehnt worden. Im August - also nach Ablehnung des Asylantrags - wurde der Tunesier laut "SZ" in Friedrichshafen mit einem gefälschten italienischen Ausweisdokument festgenommen, wenig später aber wieder freigelassen. Laut den deutschen Behörden habe er nicht abgeschoben werden können, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte. Tunesien habe lange Zeit bestritten, dass es sich um seinen Staatsbürger handle. Die für die Abschiebung wichtigen tunesischen Ersatzpapiere seien erst an diesem Mittwoch bei den deutschen Behörden eingetroffen.
Im November erneut im Visier der Ermittler
Erneut ins Visier der Ermittler kam Amri dann im November. Der Tunesier sei damals Gegenstand einer Sitzung des gemeinsamen Terrorabwehrzentrums von Bund und Ländern in Berlin gewesen, hieß es am Mittwoch aus Sicherheitskreisen. Der Mann sei als "hoch mobil" und als "Gefährder" eingestuft worden, also als jemand, dem Polizeibehörden Terrorakte zutrauen. Demnach hatte er Kontakte zum Netzwerk des kürzlich verhafteten Hildesheimer Predigers Abu Walaa, den die Behörden als "Chefideologen" der Salafisten in Deutschland einstuften. Schließlich sei Amri laut "Süddeutscher Zeitung" im Dezember untergetaucht.
Amri bot sich auch für Selbstmordanschlag an
Wie der "Spiegel" am Donnerstag berichtete, hat sich Amri zudem vor Monaten als Selbstmordattentäter angeboten. Er habe sich gegenüber Hasspredigern entsprechend geäußert, hieß es unter Berufung auf Ergebnisse aus der Telekommunikationsüberwachung. Die Äußerungen seien jedoch so verklausuliert gewesen, dass sie nicht für eine Festnahme gereicht hätten. Amri soll sich demnach erkundigt haben, wie er sich Waffen beschaffen könne.
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