Historischer Akt

“Ehe für alle” beschlossen – ohne Merkels Stimme

Ausland
30.06.2017 09:58

Im deutschen Bundestag ist am Freitag die "Ehe für alle" beschlossen worden - jedoch ohne die Stimme von Kanzlerin Angela Merkel. Im Vorfeld hatte die CDU-Politikerin eine Gewissensentscheidung in dieser Frage gefordert. Der von Rot-Rot-Grün eingebrachte Gesetzentwurf der Länder erhielt eine klare Zustimmung - auch fast ein Viertel der Unionsabgeordneten votierte mit Ja.

Bei 623 abgegebenen Stimmen sprach sich eine Mehrheit von 393 Abgeordneten am Freitag für eine völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare aus. 226 Parlamentarier stimmten mit Nein, vier enthielten sich.

(Bild: AP, thinkstockphotos.de)

Kanzlerin Merkel stimmte gegen die Gleichstellung homosexueller Paare bei der Ehe. "Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau", sagte die CDU-Vorsitzende am Freitag unmittelbar nachdem der Bundestag die "Ehe für alle" beschlossen hatte. "Deshalb habe ich heute auch dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt." Sie hoffe, dass mit dem Bundestagsbeschluss "auch ein Stück Friede und gesellschaftlicher Zusammenhalt geschaffen wurde".

Mit Konfetti bejubeln die Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen das Ergebnis. (Bild: APA/dpa/Wolfgang Kumm)
Mit Konfetti bejubeln die Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen das Ergebnis.

SPD, Grüne und Linke hatten die Abstimmung gegen den Willen von CDU/CSU durchgesetzt. Aber auch mindestens 70 Unionsabgeordnete - fast jeder Vierte - votierten am Ende für den Gesetzentwurf aus dem rot-grün dominierten Bundesrat zur Öffnung der Ehe.

Bisher durften Homosexuelle in Deutschland eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten. Der wichtigste Unterschied war, dass Lebenspartner gemeinsam keine Kinder adoptieren durften. Vor der Debatte hatte eine Mehrheit der Abgeordneten gegen den erklärten Willen der Unionsfraktion dafür votiert, die Tagesordnung entsprechend zu erweitern. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) forderte anschließend von den Abgeordneten "wechselseitigen Respekt, den beide Positionen zweifellos verdienen".

"Gewissensentscheidung" statt Fraktionszwang
Merkel hatte das Thema der völligen rechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare zum Wochenanfang in die politische Debatte gebracht und sich für eine Abstimmung ohne sogenannten Fraktionszwang - als "Gewissensentscheidung" - ausgesprochen. Daraufhin hatte sich die SPD für eine Abstimmung noch in dieser Woche und vor der Bundestagswahl starkgemacht.

Kanzlerin Merkel wirft ihre "Nein"-Stimmkarte gegen die "Ehe für alle" ein. (Bild: APA/dpa/Michael Kappeler)
Kanzlerin Merkel wirft ihre "Nein"-Stimmkarte gegen die "Ehe für alle" ein.

CDU und CSU nannten dies einen Vertrauensbruch des sozialdemokratischen Koalitionspartners, der mit der Opposition stimmen wollte. Grüne und Linke unterstützen die "Ehe für alle" schon lange.

Das Nein zur Ehe für Homosexuelle galt als letzte konservative Bastion der Union. Unter Merkel als Parteivorsitzender hat die CDU schon mehrere Positionen geräumt, für die es in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr gab, wie das Festhalten an der Atomenergie und der Wehrpflicht.

Ein lesbisches Pärchen küsst sich nach der historischen Abstimmung im Bundestag. (Bild: APA/dpa/Wolfgang Kumm)
Ein lesbisches Pärchen küsst sich nach der historischen Abstimmung im Bundestag.

CSU: Verfassungsänderung erforderlich
Unionsabgeordnete prüfen inzwischen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die "Ehe für alle" sei grundgesetzwidrig und bedürfe einer Verfassungsänderung, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, der "Passauer Neuen Presse". "Das Bundesverfassungsgericht knüpft die Ehe an zwei Bedingungen", sagte der CSU-Politiker: "Sie ist eine dauerhafte Verantwortungsgemeinschaft. Und sie ist darauf ausgerichtet, Kinder hervorzubringen. Das geht nur mit Mann und Frau."

Justizminister Heiko Maas hält eine Grundgesetzänderung hingegen für unnötig. "Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der 'Ehe für alle' verfassungsrechtlich zulässt", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Die Zeit ist längst mehr als reif für diesen Fortschritt."

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