Nonne über Blutbad:
“Er musste niederknien, dann filmten sie den Mord”
Islamistischer Terrorismus hat in Europa eine schreckliche neue Qualität erreicht: Dienstagfrüh stürmten zwei IS-Attentäter während eines Gottesdiensts die Kirche der französischen Kleinstadt Saint-Etienne-du-Rouvray, schnitten Pfarrer Jacques Hamel die Kehle durch und verletzten einen weiteren Menschen schwer, bevor sie von Polizisten erschossen wurden. Eine Nonne, die das schreckliche Blutbad miterlebte, schilderte wenig später gegenüber dem Sender RMC: "Sie zwangen ihn auf die Knie, dann filmten sie den Mord."
"Sie haben am Altar so etwas wie eine Predigt auf Arabisch gehalten. Er hat versucht, sich zu verteidigen, und dann hat das Drama begonnen. Es war ein Horror", sagte die Frau, die als "Schwester Danielle" bezeichnet wurde. Der getötete Priester sei ein außergewöhnlicher Mensch gewesen.
Die Ordensschwester sei unbemerkt geflohen, als einer der Täter dem anderen ein Messer gereicht habe. Danach habe sie vor der Kirche einen Autofahrer über die blutige Geiselnahme alarmiert, so die geschockte Nonne weiter. Die Terrormiliz Islamischer Staat beanspruchte den Angriff für sich. Ein weiteres Opfer schwebt weiterhin in Lebensgefahr.
Hollande versichert Papst: "Tun alles zum Schutz der Kirchen"
Frankreichs Präsident Francois Hollande, der den Angriff als "schändlichen Terroranschlag" verurteilte, versicherte am Dienstagabend Papst Franziskus in einem Telefonat, dass die Regierung in Paris alles für den Schutz der Kirchen im Land unternehme. Wenn ein Priester attackiert werde, sei ganz Frankreich verletzt, sagte Hollande nach Angaben des Elyseepalastes.
In einer am Abend im Fernsehen übertragenen Erklärung appellierte Hollande an den Zusammenhalt seiner Landsleute und stimmte die Franzosen auf einen "langen Krieg" gegen den Terrorismus ein. "Unsere Einheit ist unsere Stärke", so der Präsident. Mit Geschlossenheit würden die Franzosen "den Krieg gegen den Hass und den Fanatismus gewinnen".
Forderungen der konservativen und rechtsextremen Opposition nach schärferen Gesetzen im Anti-Terror-Kampf wies der Sozialist zurück: Die schon verabschiedeten Gesetze und der geltende Ausnahmezustand gäben den Sicherheitsbehörden und der Justiz bereits "die Kapazität zu handeln".
Premierminister: "Krieg der Religionen"
Nach Ansicht von Premierminister Manuel Valls war das Ziel des Anschlags in der Kirche das Entfachen eines "Kriegs der Religionen". "Wenn sie einen Priester angreifen, die katholische Kirche, dann sieht man gut, was das Ziel ist, nämlich die Franzosen gegeneinander aufzuhetzen, eine Religion anzugreifen, um einen Krieg der Religionen zu provozieren", sagte Valls in einem Interview mit dem Sender TF1. Er rief die Franzosen auf, zusammenzustehen: "Unsere Antwort ist die Demokratie."
Attentäter trug Fußfessel
Erste Erkenntnisse über die Identität der beiden Täter werfen die Frage auf, ob die blutige Geiselnahme verhindert werden hätte können. Denn, so zeigen die Ermittlungen, zumindest einer der Täter (19) war der Polizei und den Geheimdiensten bekannt, weil er Kontakt zu Terroristen gehabt hatte. Kurzfristig saß der 1997 in Mont-Saint-Aignan nahe der Stadt Rouen geborene Adel Kermiche sogar in Haft, wurde aber mit Fußfessel wieder entlassen. Er wurde unter Hausarrest gestellt und durfte seine Wohnung nur vormittags kurzzeitig verlassen. Den Freigang nutzte er offenbar zur blutigen Tat - bei der er die Fußfessel trug.
Kermiche hatte laut Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr zweimal vergeblich versucht, nach Syrien zu reisen, war aber beide Male festgenommen worden. Nachdem er von der Türkei nach Frankreich überstellt worden war, wurde Kermiche in Untersuchungshaft genommen, kam aber unter strengen Auflagen mit einer elektronischen Fußfessel wieder frei.
Die Polizeigewerkschaft kritisierte die Freilassung von Kermiche. Die Praxis, Verdächtige unter Auflagen mit Fußfesseln freizulassen, müsse in Fällen "mit jedwedem Bezug zum Terrorismus" beendet werden, sagte der Vize-Generalsekretär der Polizeigewerkschaft Alliance, Frederic Lagache.
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