Tausende auf Straße
Erster Dämpfer für Trumps rigorosen Muslim-Bann
Erst zehn Tage im Amt, ein Dekret nach dem anderen: Im Eiltempo versucht Donald Trump, der US-Politik seinen Stempel aufzudrücken - und zu demonstrieren, dass er seine Wahlversprechen einhält. Die Spitzen der Republikanischen Partei im Kongress haben dazu genickt, nur wenige Bedenken geäußert, erst recht nicht Trumps Anhänger an der Basis: Das ist der Präsident, den sie wollten und wollen. Am Samstagabend aber gibt es eine erste kalte Dusche: Ein Gericht bremste seinen weitreichenden Einreisestopp für viele Muslime.
Es ist nur ein Teilsieg auf einem vermutlich längeren Weg legaler Auseinandersetzungen, aber genug, um Bürgerrechtler wie die Organisation ACLU jubeln zu lassen: "We have won" - wir haben gewonnen. Und für die Opponenten von Trump, deren Sorgen, Zorn und Widerstandsgeist sich erst vor einer Woche in Millionenmärschen rund um die Welt gezeigt hatte, ist der Teilerfolg vom Samstag eine Botschaft: Vielleicht lohnt es sich, weiter Front zu machen.
Tausende demonstrierten auf Flughäfen
Tausende Menschen haben an Flughäfen in mehreren US-Städten gegen den von Trump verhängten Einreisestopp für Flüchtlinge und viele Muslime demonstriert. Allein am New Yorker Flughafen JFK protestierten mehr als tausend empörte Demonstranten gegen das umstrittene Dekret. Sie skandierten "So sieht Demokratie aus" sowie "Lasst sie rein" und verlangten, dass Reisende, die bereits am Flughafen gelandet waren, dessen Transitbereich verlassen dürfen. Auch in Metropolen wie Washington, Los Angeles, San Francisco und Dallas gab es Demonstrationen.
Trump hatte am Freitag per Dekret verfügt, dass Reisende aus sieben Ländern, darunter Syrien und der Iran, vorerst nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Die Bürgerrechtsvereinigung ACLU, die die Eilentscheidung beantragt hatte, ging von 100 bis 200 festgehaltenen Reisenden aus. Ein Vertreter des Heimatschutzministeriums sagte, es säßen 109 Menschen in Transitbereichen der Flughäfen fest. 173 Menschen sei von den Fluggesellschaften untersagt worden, den Flug in die USA anzutreten. Auch in Wien waren Reisende in die USA betroffen.
Gericht: Betroffene dürfen nicht zurückgeschickt werden
Am Abend verfügte dann ein Gericht in New York - der Spruch gilt aber landesweit -, dass seit Freitag in den USA eingetroffene Flüchtlinge oder Besucher aus den vom Einreisebann betroffenen Ländern mit gültigen US-Visa zumindest vorerst nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden dürfen. Es ist noch unklar, ob alle Festgehaltenen auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Die Kläger bestehen darauf, dieser Punkt war aber zunächst offen.
Trumps Dekret ist jedenfalls in Teilen eingefroren, bis die Einzelheiten geklärt sind. Der Gerichtsentscheid legt nahe, dass es sehr wahrscheinlich gegen die Verfassung verstößt. Die Klärung soll wahrscheinlich im Februar erfolgen. Weiterhin Bestand hat der Teil des Dekrets, der Ankünfte aus bestimmten Ländern für einen zunächst befristeten Zeitraum verbietet. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU und andere arbeiten an weiteren Klagen, die auch diesen Teil des Dekrets angreifen.
Das US-Heimatschutzministerium will sich dem Gerichtsurteil beugen, wenn die betroffenen Personen über die nötigen Papiere verfügen. Man werde aber weiterhin alle Anordnungen des Präsidenten Donald Trump auf eine Art und Weise umsetzen, die "die Sicherheit des amerikanischen Volkes" garantiere, teilte die Behörde in der Nacht auf Sonntag in Washington mit.
Zahlreiche Menschen wegen Einreisestopp in Panik
Das von Trump verfügte vorläufige Einreiseverbot für viele Muslime - Schätzungen zufolge könnten 130 Millionen Menschen betroffen sein - hatte zahlreiche Menschen in Verzweiflung gestürzt und Chaos auf Flughäfen in etlichen Teilen der Welt ausgelöst. Von Irakern über Jemeniten bis hin zu Sudanesen wurden Menschen mit gültigen Visa kurz vor ihrer Abreise auf heimischen Flughäfen oder bei Zwischenaufenthalten auf dem Weg in die USA gestoppt. Exakte Zahlenangaben lagen zunächst nicht vor, Berichte wiesen aber auf Hunderte Fälle hin.
Zahlreiche Fragen offen
Am Freitagabend war alles genauso so gewesen, wie Trump es gewollt hatte. Die Tinte, mit der er seinen Namen unter das Dekret zum Einreiseverbot für bestimmte Ausländergruppen und viele Muslime gesetzt hatte, war kaum trocken, da wurden die US-Grenzen bereits dicht gemacht. Doch inzwischen tauchten so einige Detailfragen auf, auf die es wohl erst nur unzureichende Antworten gibt:
- Der Luftfahrtverband IATA etwa zeigte sich besorgt über die Auswirkungen des Einreisestopps für den internationalen Flugverkehr. Die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde habe den Branchenverband informiert, dass Flugzeugbesatzungen aus Staaten wie dem Iran und dem Irak künftig nicht mehr in die USA gelassen würden, ging aus einer IATA-E-Mail an ihre Mitglieder hervor. Fluggesellschaften müssen nun ihre Crews zum Teil umstellen und können nicht mehr alle Passagiere befördern.
- Auch die NBA, die National Basketball Association, will nach dem Einreisebann Klarheit über die Situation. "Wir haben beim Außenministerium angefragt und sammeln Informationen, wie dieses Dekret auf unsere Spieler aus den betroffenen Ländern angewendet wird", teilte Sprecher Mike Bass am Samstag mit. Die Profis Thon Maker von den Milwaukee Bucks und Luol Deng von den Los Angeles Lakers stammen gebürtig aus dem Sudan und besitzen eine doppelte Staatsbürgerschaft.
- Die Oscar-Akademie bangt um die Teilnahme des iranischen Filmemachers Asghar Farhadi an der Preisverleihung. Es sei besorgniserregend, dass der Regisseur des Films "The Salesman" und sein Team "wegen ihrer Religion oder ihres Herkunftslandes" an der Einreise gehindert werden könnten, hieß es in der Mitteilung.
- Selbst Besitzer einer Green Card können nicht mehr ungehindert einreisen. Menschen mit einer amerikanischen Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung müssen sich künftig vor ihrer Einreise in die USA einer zusätzlichen Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Vor ihrer Rückkehr in die USA müssen sie zunächst eine amerikanische diplomatische Vertretung aufsuchen. Dort werde eine "Routine-Überprüfung" vorgenommen. Der Inhaber einer Green Card hat das Recht, in den USA zu leben und zu arbeiten. Dieser rechtliche Status ist eine Etappe auf dem Weg zur Staatsbürgerschaft.
Zu Protest und Gerichtsentscheidung schweigt Trump auf Twitter
Der Präsident selbst bekräftigte noch am Samstagnachmittag, dass seine Anordnung kein "Muslim-Bann" sei. Und er findet, dass sie "sehr schön funktioniert - das kann man auf den Flughäfen sehen". Womit er nicht die am Samstag stetig angeschwollenen Proteste auf mehreren Airports in den USA meinte. Dazu schwieg er sich bei aller Twitterfreude am Samstagabend ebenso aus wie zur Gerichtsentscheidung von New York.
Trump hatte als ein Kernstück seines Anti-Terror-Kampfes einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen verfügt. Flüchtlinge aus aller Welt sind für 120 Tage ausgesperrt, jene aus Syrien sogar auf unbestimmte Zeit.
Video: Trump verhängt Einreisestopp für Muslime aus sieben Staaten
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.