Anti-Terror-Bericht:

“Europa muss sich auf Massen-Rückkehr vorbereiten”

Ausland
07.12.2016 22:54

Von den bis zu 5000 Europäern - rund 300 aus Österreich -, die als Kämpfer nach Syrien und in den Irak gereist sind, ist nach EU-Einschätzung bisher rund ein Drittel zurückgekehrt. Weitere 15 bis 20 Prozent seien tot, während sich die Hälfte noch im Konfliktgebiet befinde, heißt es nach AFP-Informationen vom Mittwoch in einem Bericht des EU-Anti-Terror-Koordinators Gilles de Kerchove. Er fordert, dass sich Europa "proaktiv" auf eine mögliche "Massen-Rückkehr" vorbereiten müsse, und nennt auch eine Reihe von "Handlungsoptionen" für die EU.

De Kerchove warnte davor, dass ein Teil der Rückkehrer im Auftrag der Jihadistenmiliz Islamischer Staat Anschläge verüben könne. Er sieht dabei ein höheres Risiko durch diejenigen, die erst jüngst nach Europa zurückgekehrt sind oder dies demnächst vorhaben. Sie könnten "vom IS nach Europa zurückgeschickt werden, um Anschläge zu verüben", heißt es in dem Bericht, den der Anti-Terror-Koordinator am Freitag beim Treffen der EU-Innenminister vorstellen will.

Der Anti-Terror-Koordinator der EU, Gilles de Kerchove (Bild: APA/AFP/EMMANUEL DUNAND)
Der Anti-Terror-Koordinator der EU, Gilles de Kerchove

Zwar halte er es für "unwahrscheinlich", dass "kurzfristig eine massive Rückkehr" der in der Konfliktregion verbliebenen bis zu 2500 Kämpfer drohe, wenn der IS weitere Gebietsverluste in Syrien und im Irak erleide, hieß es in dem Bericht weiter, dennoch fordert de Kerchove, dass sich Europa "proaktiv" auf eine mögliche "Massen-Rückkehr" vorbereiten müsse. Viele der Kämpfer könnten vorerst aber auch vor Ort oder in benachbarten Ländern bleiben oder in andere Konfliktgebiete weiterreisen.

Kämpfer des IS (Bild: AFP)
Kämpfer des IS

So soll die EU Rückkehrer besser enttarnen
Der EU-Anti-Terror-Koordinator nannte eine Reihe von "Handlungsoptionen" für die EU zur Unterstützung ihrer Mitgliedstaaten:

  • Die Umsetzung des vereinbarten Informationsaustauschs der Sicherheitsbehörden solle beschleunigt werden.
  • Datenbanken mit biometrischen Merkmalen wie Fingerabdrücken müssten konsequent benutzt werden. Damit könnten Einreisen mit gefälschten Dokumenten oder unter falschem Namen leichter aufgedeckt werden.
  • Darüber hinaus sei eine stärkere Zusammenarbeit mit den USA zu den Rückkehrern nötig, um Zugriff auf Informationen zu erhalten, "die auf dem Schlachtfeld in Syrien und dem Irak gesammelt wurden".
  • Auch mit umliegenden Ländern wie der Türkei, Jordanien und dem Libanon müsse in der Frage der Rückkehrer stärker zusammengearbeitet werden.

Das Problem in der Türkei sei insbesondere, dass die zurückkehrenden Kämpfer dort offenbar "nicht als Kriminelle betrachtet werden, die in das Land ihrer Staatsangehörigkeit ausgeliefert werden sollten", heißt es. Sie würden "vielmehr als illegale Einwanderer gesehen, die in ein Land ihrer Wahl abgeschoben werden".

Gefahr von bereits radikalisierten Kindern
De Kerchove spricht in dem Bericht auch die Frage von mit den Kämpfern zurückkehrenden Ehefrauen und Kindern an. Er nannte es "eine große Herausforderung, mit Hunderten Kindern umzugehen, die "im Kalifat des IS geboren wurden und aufgewachsen sind". Einige der Kinder könnten durch Gewalt traumatisiert sein und bräuchten Hilfe und Betreuung. Sie könnten aber auch "eine Sicherheitsgefährdung" darstellen, weil sie "trotz ihres jungen Alters bereits radikalisiert wurden oder anfällig für Radikalisierung sind".

(Bild: raqqa-sl.com, krone.at-Grafik)

Heuer nur knapp 30 IS-Rekrutierte aus Österreich
Aus Österreich sind übrigens knapp 300 Sympathisanten nach Syrien oder in den Irak gegangen, um für den IS zu kämpfen. Das Interesse habe sich aber stark verringert, wie die "ZiB 2" am Mittwochabend berichtete. Waren es bis Ende 2015 259 Österreicher, die seit 2011 für den IS rekrutiert worden waren, sind heuer nur mehr knapp 30 Personen dazugekommen. Die Gründe dafür: Einerseits zeigten die Ermittlungen Wirkung, andererseits habe die Anziehungskraft der Terrormiliz nachgelassen.

(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)

US-General: IS dürfte zum "virtuellen Kalifat" werden
Der Kommandant der US-geführten Streitkräfte im Irak, General-Leutnant Stephen Townsend, glaubt, dass sich der IS nach dem Verlust seines Gebiets vermutlich in eine Art "virtuelles Kalifat" verwandeln werde. Früher oder später werde den Islamisten klar werden, dass "sie ihr physikalisches Kalifat verlieren werden", sagte Townsend der Nachrichtenagentur Reuters. "Sie werden ihre Vorgehensweise ändern müssen", sagte er. Aus dem selbst ernannten Staat werde im Irak und in Syrien im Laufe der Zeit eine Aufständischen-Bewegung werden.

Islamisten erlitten schwere Niederlagen im Irak und in Syrien
Der IS eroberte 2014 große Teile beider Staaten und rief dort ein Kalifat aus, eine besondere Form eines islamischen Gottesstaats. Er nutzte dabei ausgiebig das Internet zur Anwerben von neuen Kämpfern. Allerdings haben die Islamisten in den vergangenen Monaten im Irak und Syrien schwere Niederlagen erlitten. Die Kämpfe konzentrieren sich gegenwärtig insbesondere auf die irakische Großstadt Mossul. Die Offensive von 100.000 Regierungssoldaten und verbündeten Milizen dort entwickelt sich zur größten Schlacht in dem Land seit der US-Invasion von 2003. Die USA unterstützen die Truppen insbesondere mit Luftangriffen.

Gefechte in Mossul (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Gefechte in Mossul

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