Tyson-Tattoo

“Hangover”-Klage: Urheberrechte an Körperkunst?

Ausland
22.05.2011 16:52
Ob Gagen oder Filmrechte - der Gang vor Gericht ist in Hollywood nichts Ungewöhnliches. Eine doch eher ungewöhnliche Klage gegen das Filmstudio Warner Brothers könnte nun aber gleich zu einem Präzedenzfall für Urheberrechte werden – genauer gesagt für Urheberrechte an Körperkunst. Hintergrund ist das Gesichtstattoo von Ex-Boxchampion Mike Tyson im Zusammenhang mit der Fortsetzung der Erfolgskomödie "The Hangover". Der Künstler, der Tysons Tattoo entwarf, kann nämlich gar nicht über die Komödie lachen.

Tyson hatte in Teil eins einen Auftritt als er selbst - und wird auch in der Fortsetzung wieder dabei sein. Sein mittlerweile berühmtes Tattoo ist zudem wichtigster Bestandteil eines der Hauptgags in "Hangover 2". Hauptdarsteller Ed Helms, der sich im Original als unbedarfter Zahnarzt im Vollrausch selbst einen Zahn entfernte, wacht nämlich zu Beginn der Fortsetzung mit einer exakten Kopie von Tysons Tribal-Tattoo im Gesicht auf (Bilder).

Tattoo-Künstler reichte Klage ein
Bereits das Marketing des Films setzt auf den Tattoo-Gag. Neben Postern, die auch hierzulande zu sehen sind, fand Helms' tätowiertes Gesicht in den USA sogar seinen Weg auf Getränkebecher und andere Merchandise-Artikel. Überhaupt nicht lachen kann darüber S. Victor Whitmill, jener Tattoo-Künstler, der Tysons Tattoo-Design entwarf und nun den Anspruch erhebt, dass es sich bei diesem um sein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. 

Whitmill hat mittlerweile das US-Bundesgericht in St. Louis im Bundesstaat Missouri eingeschaltet. Er will mit seiner Klage Warner Brothers daran hindern, sein Tattoo auf Postern und auch im Film weiter zu verwenden. Sollte der Klage stattgegeben werden, würde dies theoretisch den Filmstart von "Hangover 2" verhindern, zudem müsste das Filmstudio Schadenersatz an Whitmill wegen "rücksichtsloser" Urheberrechtsverletzung zahlen.

"Mr. Whitmill wurde niemals um Erlaubnis gefragt und hat niemals seine Einwilligung zu einer Verwendung, Reproduktion oder Schaffung von Kopien basierend auf seinem Original-Tattoo gegeben", heißt es in der Ende April eingereichten Klageschrift, die Ende Mai vor Gericht verhandelt wird.

Klingt die ganze Klage auf den ersten Blick eher nach der Forderung eines geldgierig gewordenen Künstlers, sind Rechtsexperten mittlerweile anderer Ansicht. Der Fall könnte die erste Gerichtsentscheidung in Zusammenhang mit der Frage bringen, wie weit sich die Rechte von Urheberrechtsinhabern bei Kunstwerken auf den Körpern anderer Menschen erstrecken. Eine Frage, die in Zukunft öfters auftauchen könnte, da sich immer mehr Schauspieler und Athleten tätowieren lassen und die Tattoo-Designs immer anspruchvoller werden.

Verzögerung bedeutet gigantische Kosten
Warner Brothers wandte sich am vergangenen Freitag mit einer schriftlichen Erklärung an die zuständige Richterin Catherine D. Perry. Jegliche Verzögerung bei der Veröffentlichung des Films bedeute gigantische Kosten, so das Medienunternehmen. Es gebe keinerlei legale Beispielfälle für Whitmills Geltendmachung von Urheberrechten, so die weitere Argumentation. Whitmill habe laut Warner Brothers die "drastische Forderung" aufgestellt, nach dem Urheberrechtsgesetz zur Kontrolle und Verwendung des Tattoos, welches er auf dem Gesicht eines anderen Menschen geschaffen hat, berechtigt zu sein.

Urheberrechts- und Markenrechtsgesetze sind oft schwer zu durchschauen - zum Beispiel das Konzept, eine Fotografie oder einen Brief zu besitzen, ohne aber auch die Rechte zur Reproduktion derselben inne zu haben. Die Vorstellung eines Tattoos, das als "Eigentum" Teil des Körpers wird, macht die Sache nicht leichter. 

Tyson bestätigt Whitmills Ansprüche
Das Besondere an dem aktuellen Fall ist, dass Whitmill keine Mühe gescheut hat, um Mike Tyson aus seiner "Hangover"-Klage herauszuhalten. Es gehe in dem Fall nicht um Mike Tyson, Tysons Abbild oder Tysons Recht, seine Identität zu nutzen, heißt es in der Klage des Künstlers. Es gehe vielmehr um Warner Brothers' Aneignung und unerlaubten Gebrauch von Whitmills Kunst - unabhängig von Mike Tyson.

Whitmill habe die "Kontrolle verloren", sagt sein Anwalt, und Kontrolle sei eines der wesentlichen Dinge, die einem Künstler mittels Urheberrechten zustehen. Die Anklageschrift beinhaltet ein Foto mit dem besagten Tattoo und eine schriftliche Aussage Tysons, in der dieser bestätigt, dass sowohl "alle Vorlagen, Skizzen und Zeichnungen in Zusammenhang mit meinem Tattoo als auch jegliche Fotografien des Tattoos" Eigentum von Whitmill sind.

Kann Gericht Tattoo-Entfernung anordnen lassen?
Die "New York Times" geht in einem Artikel zur Klage so weit zu fragen, ob ein Gericht - sollte ein Tattoo eindeutig Urheberrechtsansprüche verletzten, etwa wenn es eine genaue Reproduktion einer Zeichnung von Keith Haring oder einer Fotografie von Annie Leibovitz darstellt - gar die Entfernung eines Tattoos anordnen könnte. 

Neben der Autorin Marisa Kakoulas, die sich Anfang Mai in einem Tattoo-Blog mit dem rechtlichen Hintergrund der Klage beschäftigte, setzte sich zuvor schon Christopher A. Harkins, ein Urheberrechts- und Patentexperte, in einem Artikel ausführlich mit dem Thema auseinander. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Gericht jemanden zwingen würde, ein Tattoo zu entfernen oder verdeckende Kleidung wie z.B. eine Burka zu tragen. Aber, so Harkins, ein Gericht könne einer Person sehr wohl untersagen, von dem Tattoo finanziell zu profitieren. An eine Verzögerung der Veröffentlichung von "Hangover 2" glaubt der Rechtsexperte jedoch nicht.

"Ich besitze Beckhams Tattoos … und ich klage"
Bereits in der Vergangenheit haben Tattoo-Künstler die Gerichte eingeschaltet. 2005 etwa verklagte Matthew Reed den Baskteballspieler Rasheed Wallace und den Sportartikelhersteller Nike wegen einer Werbung, die ein von ihm entworfenes Tattoo zeigte. Es kam zu einer außergerichtlichen Einigung. Im gleichen Jahr hatten Fußballstar David Beckham und sein Lieblingstätowierer, Louis Molloy, einen öffentlichen Streit, weil Beckham plante, Molloys Tattoos in einer Werbung hervorzuheben. Die Fehde endete mit einem Interview Molloys in der britischen Zeitung "The Daily Mirror" mit dem Titel "Ich besitze Beckhams Tattoos …und ich klage" .

Kreativität durch Urheberrechte erstickt?
Warner Brothers berief sich in seiner "Hangover"-Erklärung auch auf die "Fair Use"-Verteidigung, also das Recht auf Parodie des mittlerweile berühmt gewordenen Tattoos auf Mike Tysons Gesicht. Auch für den Urheberrechtsexperten Harkins ist hier der Kern des Problems zu finden: Die Urheberrechtsgesetze sollen die Rechte des Urheberrechtsinhabers ausbalancieren und zugleich die Kreativität der Eigentümer nicht ersticken – und demnach würde es die Kreativität definitiv ersticken, nicht die Erlaubnis zu haben, eine Parodie zu machen.

Fragen bezüglich der Signifikanz des Tattoos für die Handlung des Films, wie lange und ob es in einem nicht-parodisierenden Kontext im Film vorkommt, seien die Faktoren, die ein Richter bei einer Entscheidung, ob "Fair Use" im Spiel ist, bestimmen muss, so Haskins. Dieser ist übrigens überzeugt davon, dass die "Hangover"-Klage wie so viele andere auch mit einer außergerichtlichen Einigung enden wird.

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