"Keiner lebend raus"
Hochhaus-Inferno: Hunderte Tote befürchtet
Nach der Brandkatastrophe in einem Hochhaus in der Nacht auf Mittwoch in London ist die Wahrscheinlichkeit, noch Überlebende zu finden, ziemlich gering. "Da kam niemand mehr lebend raus. Wir müssen von Hunderten Toten ausgehen", berichteten Einsatzkräfte am Donnerstagmittag der britischen "Daily Mail". Bisher sind 17 Tote bestätigt. Die Suche nach Vermissten in den oberen Stockwerken wurde mittlerweile abgebrochen.
Die Ränder des 24-stöckigen Grenfell Towers seien nicht sicher, sagte Feuerwehrchefin Dany Cotton am Donnerstag. "Ich schicke keine Feuerwehrleute da rein." Von vielen Bewohnern fehlte am Vormittag noch immer jede Spur. Dutzende Familienangehörige suchen daher verzweifelt auf sämtlichen Social-Media-Kanälen nach ihren Liebsten.
Immer noch kommt Rauch aus dem Hochhaus
Mehr als 24 Stunden nach dem Ausbruch des verheerenden Feuers kam am Morgen weiter Rauch aus dem Haus. Es gebe noch Brandnester, sagte Cotton. Die Gefahr eines Einsturzes bestand anscheinend nicht.
"Wäre ein Wunder, falls irgendjemand überlebt hat"
Cotton sagte, die Rettungskräfte gingen nicht davon aus, noch jemanden lebend zu finden. "Angesichts der Kraft und Hitze des Feuers wäre es ein Wunder, falls irgendjemand überlebt hat." Bislang haben die Behörden 17 Tote geborgen. Dabei seien die oberen der 24 Stockwerke noch gar nicht untersucht worden, so Cotton. "Mir wurde gesagt, dass keiner ab dem 21. Stockwerk überlebt hat", sagte eine Verantwortliche der Lancester West Wohnsiedlung, zu der auch der Greenfell Tower gehört, dem britischen "Mirror".
Kein Hinweis auf Terroranschlag
Die Polizei schloss unterdessen einen Terroranschlag aus. Darauf deute nichts hin, hieß es. Bei dem gewaltigen Brand im Zentrum Londons wurden am Mittwoch 65 Menschen von der Feuerwehr aus den Flammen gerettet, anderen gelang selbst die Flucht. Nach Angaben der Rettungskräfte wurden mindestens 78 Patienten in Kliniken behandelt, 18 von ihnen seien in einem kritischen Zustand. In dem Sozialbau mit 120 Wohnungen lebten britischen Medienberichten zufolge zwischen 400 und 600 Menschen.
Augenzeuge fing aus Fenster geworfenes Baby auf
Die Feuerwehr hat nach Angaben Cottons alle 24 Stockwerke kurz durchsuchen können. Für eine gründlichere Suche müssten vor allem die oberen Stockwerke erst gesichert werden. Niemand wisse, wie viele Menschen sich zum Zeitpunkt des Feuers in dem Gebäude aufgehalten hätten, sagte Cotton. Neun Feuerwehrleute hätten sich bei der Suche nach Vermissten leicht verletzt. Sie sei aber mehr besorgt "über die psychische Gesundheit" ihrer Feuerwehr, sagte Cotton. Eine Zeugin berichtete, dass es einem Mann sogar gelungen ist, ein Baby aufzufangen, das aus dem neunten oder zehnten Stock geworfen wurde. Einige Menschen, darunter Kinder, sollen auch freiwillig aus dem Fenster gestürzt sein .
Brandursache weiter unklar
Die Ursache des Brands ist noch nicht geklärt. Bürgermeister Sadiq Khan versprach umfassende Aufklärung. "Es wird im Laufe der nächsten Tage viele Fragen zur Ursache dieser Tragödie geben, und ich möchte den Londonern versichern, dass wir dazu alle Antworten bekommen werden." Das Gebäude wurde 1974 erbaut und von 2014 bis 2016 saniert. Es hatte bereits Beschwerden über unzureichenden Brandschutz in dem Hochhaus gegeben.
May kündigt "sorgfältige Untersuchung an"
Premierministerin Theresa May kündigte eine "sorgfältige Untersuchung" an. Wenn aus dem Feuer Konsequenzen zu ziehen seien, würden Maßnahmen ergriffen, sagte May am Mittwochabend. Für diesen Donnerstag wurde sie am Brandort erwartet. Sie werde mit Rettungskräften sprechen und sicherstellen, dass diese alle Ressourcen hätten, um mit der Situation umzugehen, hieß es. Wann genau sie eintreffen sollte, war zunächst unbekannt.
Der britische Brandschutz-Experte Jon Hall nannte den Brand einen Unfall, wie er in der "Dritten Welt" vorkomme. "Alle Bestandteile der Feuersicherheit und des Gebäudemanagements" müssten versagt haben, vermutete er auf Twitter. Matt Wrack, der Chef der Feuerwehr-Gewerkschaft, sagte, nach dem Brand hätten die Bewohner des Gebäudes das Recht, kritische Fragen zu stellen - etwa, ob die Fassadenverkleidung die Feuersicherheit beeinträchtigt habe.
Hochhaus nicht einsturzgefährdet
Nach der Katastrophe gilt das Hochhaus im Stadtteil Kensington entgegen ersten Befürchtungen nicht als einsturzgefährdet. Spezialisten hätten den Sozialbau untersucht und für weitere Lösch-und Bergungsarbeiten sicher befunden, teilte die Feuerwehr am Mittwochabend mit. Indes spendeten Hunderte Londoner Decken, Kleider oder Babynahrung für die Bewohner. Auch mehr als eine Million Pfund an Spendengeldern kamen zusammen.
Queen drückt Anteilnahme aus
Königin Elizabeth II. drückte unterdessen ihre Anteilnahme aus. Ihre Gedanken und Gebete seien bei den Familien, die Angehörige verloren hätten, sowie bei den vielen Menschen, die schwer verletzt im Krankenhaus lägen, teilte der Buckingham-Palast mit. Es sei ermutigend, zu sehen, wie viele Freiwillige nun zur Hilfe kämen.
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