Wendepunkt in Krise?

Italien macht Weg frei für Libyen-Militäreinsatz

Ausland
02.08.2017 21:39

Italien steht vor einem umstrittenen Militäreinsatz zur Bekämpfung des Menschenschmuggels vor der libyschen Küste. Kurz nachdem das Parlament in Rom am Mittwoch grünes Licht für den Einsatz gab, teilte das Verteidigungsministerium mit, ein italienisches Schiff sei auf dem Weg in die libysche Hauptstadt Tripolis. Mit der Erlaubnis libyscher Behörden sei es in die Hoheitsgewässer des Bürgerkriegslandes gefahren.

In Tripolis wolle man die letzten Modalitäten des Einsatzes abstimmen, den das Kabinett in Rom auf Anfrage der Regierung von Fayez al-Sarraj auf den Weg gebracht hatte. Italien erhofft sich von der Operation eine Stabilisierung Libyens und eine bessere Kontrolle der Flüchtlingsströme.

Premier Gentiloni: Möglicher Wendepunkt in Flüchtlingskrise
Ministerpräsident Paolo Gentiloni hatte die Mission als möglichen Wendepunkt in der Flüchtlingskrise bezeichnet. Bisher durften keine europäischen Schiffe innerhalb libyscher Hoheitsgewässer gegen Schlepper vorgehen. In welchem Ausmaß die Marine innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone operieren wird, ist noch unklar.

Italiens Ministerpräsident Gentiloni (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Italiens Ministerpräsident Gentiloni

Italien will Schiffe zur technischen und logistischen Unterstützung der libyschen Küstenwache schicken und dabei für die "Einheit und Stabilität" des Landes arbeiten, hatte Außenminister Angelino Alfano am Dienstag versichert. Der Einsatz soll in enger Absprache mit den libyschen Behörden stattfinden. Die italienische Regierung betonte am Dienstag, die Operation werde die Souveränität Libyens nicht verletzen, sondern stärken. Werde ein italienisches Schiff von Schlepperbanden angegriffen, werde man sich verteidigen, sagte Verteidigungsministerin Roberta Pinotti.

Italienische Initiative soll Ordnung ins libysche Chaos bringen
Unumstritten ist das Vorhaben Italiens nicht. In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gadafi Bürgerkriegschaos, drei Regierungen kämpfen um die Macht. Die Vereinten Nationen unterstützen die Regierung von Al-Sarraj, mit dem die Italiener den bilateralen Einsatz ausgehandelt haben. Doch die Regierung kontrolliert kaum Gebiete über die Hauptstadt Tripolis hinaus. Schlepper nutzen das Chaos in Libyen und setzen die Menschen gegen viel Geld auf klapprige Boote.

Regierungschef (fast) ohne Land: Libyens Premier Fayis al-Sarraj (Bild: AFP/Andreas Solaro)
Regierungschef (fast) ohne Land: Libyens Premier Fayis al-Sarraj

Mit italienischer Technologie sollen Berichten zufolge auch Boote mit Migranten ausfindig gemacht werden, die dann von der libyschen Küstenwache zurück ans Festland gebracht werden. Kritiker befürchten, dass libysche Behörden den Migranten keine menschenwürdige Unterbringung und Asylverfahren gewährleisten können.

Kritik von Amnesty International: Retten, nicht zurückdrängen
Amnesty International hatte das italienische Vorhaben scharf kritisiert, weil es darauf ausgelegt sei, dass Kriegsschiffe Migranten zurückdrängten, statt diese zu retten und zu schützen. Die Unterstützung der libyschen Küstenwache wird generell immer wieder infrage gestellt: Einige humanitäre Organisationen, die im Mittelmeer Migranten retten, wurden nach eigenen Angaben bereits von Bewaffneten attackiert, die sich als libysche Küstenwache ausgewiesen hatten.

(Bild: Angelos Tzortzinis/AFP)

Die EU hat im Gegensatz zu Italien weiterhin keine Erlaubnis, in den Küstengewässern Libyens gegen illegale Migration vorgehen zu können. Bei Gesprächen am Dienstag in Tripolis sei eine Ausweitung des EU-Marineeinsatzes kein Thema gewesen, sagte eine Sprecherin am Mittwoch.

Heuer schon fast 100.000 Ankömmlinge in Italien
Italien sieht sich in der Migrationskrise einer besonderen Belastung ausgesetzt - heuer kamen schon mehr als 95.000 aus dem Mittelmeer Gerettete an Häfen des Landes an. Im Juli war die Zahl der Ankömmlinge mit 11.193 Menschen im Vergleich zum Juni (23.694) und zum Vorjahresmonat (23.552) allerdings stark zurückgegangen, wie das italienische Innenministerium mitteilte. Worauf diese Entwicklung zurückzuführen ist, ist unklar.

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